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Serben im Kosovo
"Wir müssen wachsam sein"

Zwar ist es im Kosovo mittlerweile weitestgehend ruhig - von einem entspannten Zusammenleben zwischen den mehrheitlich muslimischen Albanern und der serbischen Minderheit kann allerdings noch keine Rede sein. NATO-Soldaten müssen serbische Dörfer und serbisch-orthodoxe Klöster rund um die Uhr vor Angriffen schützen.

Von Christoph Kersting |
    Die Klosterkirche Decani im Kosovo, aufgenommen am 17.07.2014. Foto: Thomas Brey/dpa (zu dpa "Serbische Kosovo-Klöster leiden unter albanischen Attacken")
    Das Kloster Dečani wird rund um die Uhr von italienischen NATO-Soldaten bewacht. (dpa / picture-alliance / Thomas Brey)
    Einige Bauarbeiter sind noch da, aber eigentlich ist alles vorbereitet in der neuen Grundschule in der Altstadt von Prizren. Ende des Monats sollen in das lange Zeit leer stehende historische Schulgebäude erstmals wieder Schüler einziehen. Zwar unter katholischer Leitung, aber die Schule steht explizit allen Konfessionen offen. Die neue Grundschule gehört zum Loyola-Gymnasium, das vor gut zehn Jahren von einem deutschen Jesuiten-Pater gegründet wurde und heute als beste Schule des Landes gilt.
    Lidra Bala ist 12 Jahre alt und besucht die sechste Klasse des Loyola-Gymnasiums. Heute schlendert sie am Tag der offenen Tür schon einmal mit ihrer jüngeren Schwester durch das Gebäude der neuen Grundschule: Lidras Schwester wird hier in zwei Wochen in die Erste Klasse gehen. Dort wird sie dann vor allem neben muslimischen Kindern sitzen, genau wie ihre große Schwester Lidra auf dem Gymnasium:
    "Bei mir in der Klasse sind wir nur zwei Katholiken von insgesamt 32 Schülern, und das ist in den anderen Klassen nicht anders. Ob man Christ ist oder Moslem, das spielt keine Rolle, da spürt man keinen Unterschied, und das ist auch außerhalb der Schule so."
    Angriffe auf Priesterseminar
    Die Renovierung der Grundschule hat die EU finanziert. Ein Vorzeigeprojekt sicherlich, aber auch ein Zeichen für eine Art von Normalität in der kleinen, noch immer vom Krieg zerrütteten Balkan-Republik. Tatsächlich von Normalität zu sprechen, davon ist Vater Andrey jedoch weit entfernt. Der Mönch und Vizedekan des serbisch-orthodoxen Priesterseminars, nur fünf Gehminuten von der katholischen Grundschule entfernt, steht an diesem Vormittag im Innenhof der verwaisten Lehranstalt; es sind noch Semesterferien. Auch diese Anlage wurde mit EU-Mitteln Stück für Stück wieder aufgebaut, nachdem sie im März 2004 von einem Mob bis auf die Grundmauern niedergebrannt worden war.
    "Im Zentrum von Prizren leben heute gerade einmal 20 Serben, bis Ende der 1990er Jahre, vor dem Kosovo-Krieg, waren es 9000. Hinzu kommen dann während des Semesters rund 80 Menschen hier im Priesterseminar. Das ist nach wie vor eine besondere Situation hier für uns als Serben. Wir müssen immer wachsam und vorsichtig sein, auch wenn ich sagen kann, dass es seit mehreren Jahren hier keine ernsthaften Probleme mehr gab – dabei lassen wir mal die täglichen verbalen Angriffe auf der Straße außen vor. Brenzlig wird es vor allem am albanischen Unabhängigkeitstag Ende November, dann gehen wir nicht auf die Straße, schließen alle Türen ab und warten, bis alles vorbei ist."
    Kloster muss bewacht werden
    Vater Andrey ist auch Mönch im Weltkulturerbe-Kloster Dečani, das eine Autostunde nordöstlich von Prizren liegt. Dort sei die Situation eine andere als im Priesterseminar, berichtet der 43-Jährige. Das Kloster liege an exponierter Stelle und werde rund um die Uhr von italienischen KFOR-Soldaten bewacht – verstärkt, seitdem kürzlich in einem Auto unweit des Klosters Schusswaffen gefunden worden seien. Als serbischer Mönch habe er durchaus auch viele albanische Freunde, doch das Verhältnis sei nicht einfach, vor allem für die Albaner, betont er nachdenklich:
    "Serbe zu sein hier im Kosovo ist nicht gerade einfach, aber noch schwieriger ist es für einen Albaner, der als Serben-Freund gilt. Und das macht unser Leben hier so kompliziert. Meine albanischen Freunde sind sehr offen und herzlich, wenn wir uns nicht in der Öffentlichkeit sehen – wenn wir uns aber auf der Straße begegnen, gehen sie mir aus dem Weg. Wir hoffen, dass das irgendwann einmal anders sein wird. Darum ist es auch so wichtig, dass das Kosovo genauso wie Serbien eine echte Perspektive bekommt, Mitglied der EU zu werden. Ich sehe das als einzige Lösung für uns, weil wir genau diese europäischen Werte hier brauchen: Toleranz und Gemeinschaften, die gleichberechtigt nebeneinander existieren können."
    Doch eine realistische EU-Perspektive auch anderer Westbalkan-Länder wie Albanien oder Mazedonien liegt noch in weiter Ferne.