Farsi, Farsi!
Kein arabisch, Farsi sprechen sie, rufen zehn junge Männer. Es könnte nach einem entspannten Päuschen aussehen, das sie sich unter dem weißen Zeltdach auf dem Hof der Ankunftsstelle für Flüchtlinge gönnen. Wären da nicht die Polizisten mit Sturmgewehren, die am äußeren Eisentor und vor dem Zeltdach stehen. Tatsächlich ist die Wartezeit der jungen Afghanen auf Bierbänken Teil eines streng getakteten Verfahrens.
Busse der Vereinten Nationen haben die Flüchtlinge vom Bahnhof an der zehn Kilometer entfernten Grenze zur Republik Mazedonien hierher nach Presevo gebracht. Hier werden sie registriert. Die zehn haben gerade ihre Namen angegeben, gleich werden sie aufgerufen. Hinter ihnen warten weitere Gruppen auf das Signal. So viel Disziplin wäre für die rund 300 Menschen, die am Nachmittag in Presevo warten, wohl nicht nötig. Aber noch gestern sah es hier anders aus. Die allermeisten Flüchtlinge kommen hier nach Serbien, aus dem Süden, sagt Dragan Makojevic.
"Vorher konnte man nicht einmal an die Außentore des Camps herankommen, weil Leute Schlange standen. Normalerweise waren mehr als 2.000 Leute hier drin und an einem normalen Tag vielleicht sogar mehr als 1.000 draußen, die darauf warteten, um reinzukommen und registriert zu werden. Und sie können sich vorstellen, wie es am letzten Donnerstag aussah, als innerhalb von 24 Stunden 9.000 Menschen hier waren. "
Der Direktor der Hilfsorganisation Philantropy wundert sich nicht, dass es heute hier anders aussieht als in den vergangenen Monaten. Nachts soll die Grenze nach Ungarn geschlossen werden, wie dicht, weiss in dem Moment hier niemand. Auch die etwa 300 Flüchtlinge, die hier sind, wollen nicht hierbleiben.
"Nein! Wir wollen nach Ungarn gehen, Österreich und Deutschland. Noch heute? Ja, wenn ich kann."
Die hochgewachsene Afghanin in schwarzem Mantelkleid, das schwarze Tuch locker um den Kopf geschlagen, ist im Iran aufgewachsen. Was will sie in Deutschland tun?
"All das, was man mich im Iran nicht arbeiten ließ. Ich möchte meine Wünsche verwirklichen."
Geschlossene Grenzen sind kein Hinderungsgrund
Ärztin will sie werden. Die Frage, was sie macht, wenn Ungarn den Grenzzaun geschlossen hat, bringt die Anfang 20-Jährige kurz aus der Fassung.
"Heute Nacht? Nein, das hatte ich nicht gehört."
Sie will trotzdem weiter. So wie ein Pärchen, das schon durch farbenfrohe Kopfbedeckungen Hoffnung auszustrahlen scheint. Er einen roten Hut, sie ein Webtuch und Schiebermütze.
"Die Grenzschließung? Ja davon haben wir gehört. Aber vielleicht haben wir ja doch noch mehr Zeit. Wir wollen es versuchen. Wir wollen sehen, ob wir nicht Glück haben."
Der 25-jährige Abdullah studiert Jura, seine vier Jahre jüngere Frau Imah Pharmazie. In Deutschland wollen sie weiter lernen. Auch wenn es dort gerade wieder Grenzkontrollen gibt.
"Wir wollen versuchen, nach Deutschland zu kommen, um all das Schwere aus Syrien hinter uns zu lassen. Wir wollen ein anderes Leben leben. Wir wollen weiter studieren, uns ein gutes Leben aufbauen."
Serbien hält Flüchtlinge nicht fest
Der serbische Staat wird sie nicht aufhalten. Wer als Flüchtling registriert ist, darf weiterziehen. Solange er in 72 Stunden das Land verlässt. Das mag dazu beitragen, dass den Flüchtlingen mehr Zuwendung als Ablehnung entgegengebracht zu werden scheint. Wie sehr sich das in den kommenden Wochen ändern wird, wenn der Rückstau von der ungarischen Grenze die Durchreisenden zu bleiben zwingt? Dragan Makojevic zuckt mit den Schultern.
"Jetzt warten die Migranten und die Flüchtlinge ganz offensichtlich erst einmal ab, was passiert, welche neuen Verfahren die ungarische Regierung einführt. Deshalb: Meine Prognose ist: In der kommenden Woche oder so werden wir Gruppen von jungen Männern – also nur Männern haben, die kommen werden, um das Terrain zu sondieren. Und wenn sie den Weg hindurch finden, dann können wir wahrscheinlich die Woche drauf wieder den regelmäßigen Fluss der Flüchtlinge erleben, mit Familien, mit kleinen Kindern."
Der serbische Staat richtet sich darauf ein, dass demnächst Flüchtlinge auf dem Weg nach Kroatien, statt nach Ungarn durchs Land reisen. Am Abend wartet man in Presevo auf den nächsten Zug aus Griechenland, mit 1.200 Flüchtlingen. Die Menschen aus Presevo werden es bis zur Schließung wohl nicht mehr zur Grenze geschafft haben.