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Serie: Die grosse Vielfalt religiösen Lebens in Israel
Hebräisch sprechende Katholiken in Israel

Zum Vikariat für Hebräisch sprechende Katholiken in Israel gehören Gemeinden, die übers ganze Land verteilt sind: von Haifa über Tel Aviv bis Beer Sheba. Sie sind so vielfältig und unübersichtlich wie wohl nur wenige in der katholischen Kirche.

Von Andreas Main |
    Das Gemälde über dem Altar in der Franziskanerkirche in Bethfage in Israel zeigt den Einzug Jesu nach Jerusalem auf einem Esel.
    Das Gemälde in der Franziskanerkirche in Bethfage in Israel zeigt den Einzug Jesu nach Jerusalem auf einem Esel. (picture alliance / dpa / Foto: Natalie Barner)
    "Was die Kirchen in unserem Land wirklich trennt, ist nicht die Konfession. Wer orthodox, katholisch oder protestantisch ist, das interessiert hier niemanden, wir erleben uns als eine Kirche. Was Christen im Heiligen Land wirklich trennt, das sind die politischen Fronten. Bist du pro-palästinensisch? Oder bist du pro-israelisch? Diese Trennlinie läuft durch alle Kirchen, egal ob orthodox, katholisch oder protestantisch",
    räumt David Neuhaus ein. Der Jesuit appelliert an seine Hebräisch sprechenden Gemeindemitglieder, die arabisch sprechenden, palästinensischen Katholiken als ältere Geschwister anzuerkennen. Sie waren schon immer hier, sagt der Geistliche, die Hebräisch sprechenden Katholiken hingegen seien die Neuankömmlinge. Gemeinsam gehören sie zum Lateinischen Patriarchat von Jerusalem, also zur katholischen Kirche.
    "Wir sind Hebräisch sprechende Katholiken. Hebräisch ist nur in einem Land der Welt die Mehrheitssprache, in Israel. Und da es hier auch Katholiken gibt und viele integriert sind in die jüdische Mehrheitsgesellschaft, also Hebräisch sprechen, gibt es diese Gemeinde."
    Wenige Katholiken mit vollen Bürgerrechten
    David Neuhaus leitet das Vikariat für die Hebräisch sprechenden Katholiken. Dazu gehören Gemeinden, die übers ganze Land verteilt sind: von Haifa über Tel Aviv bis Beer Sheba - und in Jerusalem. Diese Gemeinden sind so vielfältig und unübersichtlich wie wohl nur wenige in der katholischen Kirche.
    "Zu uns kommen Gastarbeiter, Asylsuchende, aber auch die, die jüdisch und katholisch sind. Eine heterogene Gruppe. Aber wir sind katholisch. Da gibt es Platz für jeden."
    David Neuhaus zitiert Statistiken, wie diese Gruppe sich zusammensetzt. Die Zahl der katholischen Israelis mit vollen Bürgerrechten ist gering: Es sind gerade mal 600. Ein Teil von ihnen ist mit Juden verheiratet, einige haben jüdische Eltern, sind aber konvertiert. Daneben gibt es jene rund 50.000 bis 60.000 Katholiken, die in Israel leben, aber ohne volle Bürgerrechte. Sie pflegen alte Menschen oder kümmern sich um Kranke und Behinderte.
    Allein 40.000 Filipinos leben in Israel, überwiegend Katholiken. Auch einige hundert afrikanische Flüchtlinge sind katholisch. All diese Gruppen haben eigene Bedürfnisse: hier der konvertierte, jüdisch-katholische Kunstprofessor, dort die Pflegekraft aus Manila.
    "Ich bin Jude. Ich habe eine jüdische Mutter und einen jüdischen Vater. Meine ganze Familie ist jüdisch. Das verbindet mich in einer anderen Weise mit dem jüdischen Volk als zum Beispiel jemanden, der nicht jüdisch ist, aber in einer gemischt katholisch-jüdischen Ehe lebt. Also, ganz unterschiedliche Geschichten. Aber wir sind alle gleich, niemand ist privilegiert; dies ist keine katholische Gemeinde nur für Juden - und alle anderen sind zweite Klasse. Wir gehören zu einer Kirche."
    Konversionen sind selten
    Konversionen vom Judentum zum Katholizismus sind in Israel ausgesprochen selten: ein- bis viermal im Jahr komme das vor, sagt David Neuhaus, der zuständige Patriarchalvikar. So wie das Judentum nicht missioniert, will auch die katholische Kirche keine überstürzten Konversionen. Konversionswünsche werden zwei Jahre lang auf Herz und Nieren geprüft. Die meisten Bewerber springen ab, bevor es zur Taufe kommt. Anders David Neuhaus: Geboren im südafrikanischen Johannesburg, wollte er schon als 15-Jähriger Christ werden. Erst zehn Jahre später ließ er sich taufen. Bei der Priesterweihe las sein jüdischer Vater Bibeltexte vor - auf Hebräisch. Die Gemeinde seines Sohnes steht vor großen Herausforderungen:
    "Hebräisch als Sprache im christlichen Kontext - das ist ein neues Phänomen in der Kirchengeschichte. Erst seit 50, 60 Jahren sprechen Christen Hebräisch und drücken in dieser Sprache ihren Glauben aus. Die Herausforderung besteht nicht nur darin, die richtigen Worte zu finden, sondern auch darin, sich gegenüber jenen verständlich zu machen, die nicht zu uns gehören. Wir dürfen keine esoterische Binnen-Sprache entwickeln, die niemand außer uns versteht. Wir müssen auch in der Welt der israelischen Universitäten oder Medien verstanden werden. Es geht darum, dem christlichen Glauben auch auf Hebräisch Ausdruck zu verleihen."
    "Nichts, was uns zusammenhält"
    Und es geht darum, den Glauben an die nächste Generation weiterzugeben. Denn die wächst überwiegend in säkularen, jüdischen Milieus auf, also anti-religiös, so Neuhaus, der israelischer Staatsbürger ist:
    "Unsere Kinder assimilieren sich. Sie passen sich der säkularen israelischen Gesellschaft an und brechen mit der Kirche, sobald sie das Elternhaus verlassen. Also, wenn sie zur Armee gehen. Die Armee bedeutet Freiheit. In der Armee lernen sie oft ihre Lebenspartner kennen, und das sind fast immer säkulare Jüdinnen oder Juden, und dann sehen wir sie nie wieder."
    David Neuhaus kämpft gegen die Zentrifugalkräfte in seiner Gemeinde wie gegen Windmühlen. Was die Stärke dieser Hebräisch sprechenden katholischen Gemeinschaft ist, ist auch ihre Schwäche:
    "Wir haben nichts, was uns zusammen hält, nur dies: Wir leben alle im selben Milieu und haben alle denselben Glauben. Aber sozio-ökonomisch oder kulturell haben wir so unterschiedliche Hintergründe, dass die Vielfalt eine unserer größten Herausforderungen bleibt."