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Serie: Die Klimaverbesserer (1/5)
Der womöglich klimafreundlichste Klimaforscher Deutschlands

Heizen, Reisen, Fleischkonsum: Im Durchschnitt produziert jeder Bundesbürger pro Jahr elf Tonnen CO2. Michael Kopatz hingegen verbraucht nur fünf. Der Forscher vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie ist mit Leib und Seele Klimaschützer. Er weiß aber auch: Allein kann er das Klima nicht retten.

Von Volker Mrasek |
    "Wir stehen am Bahnhof Wuppertal-Elberfeld. Und jetzt geht's nach Leverkusen-Schlebusch. Und von dort geht's weiter nach Odenthal, heißt der Ort. Da werde ich einen Vortrag halten, einen von vielen."
    "Einfahrt RB48 nach Köln Hauptbahnhof."
    Unterwegs mit Michael Kopatz. Der Forscher vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie ist ein viel gefragter Redner. Doch Kopatz spricht nicht nur über Klimaschutz - er praktiziert ihn auch selbst! Zum Beispiel auf seinen Reisen.
    Heute führt der Vortrag in eine Tagungsstätte auf dem Land. Das bedeutet: die erste Etappe mit der Bahn. Und die zweite mit einem reservierten Carsharing-Auto, das am Bahnhof bereitsteht.

    "Ludwig-Wolker-Straße. Da wollten wir doch hin, nicht?"
    "Jetzt die zweite Ausfahrt nehmen."
    Fahrzeuge der Car Sharing Unternehmen Car2Go und DriveNow stehen auf einem Parkplatz in Köln.
    Car2Go und DriveNow (picture-alliance / dpa / Horst Galuschka)
    Carsharing aus Überzeugung
    Kopatz könnte sich auch vom Veranstalter am Bahnhof abholen und nachher wieder hinbringen lassen. Oder ein Taxi nehmen. Macht er aber nicht!
    "Im Grunde ist das effizienter so. Da fahre ich jetzt mit dem Wagen hin und zurück. Das Taxi würde kommen und mich wieder abholen. Und zweimal kommen."
    Michael Kopatz lebt denkbar energieeffizient. Womöglich ist er der klimafreundlichste Klimaforscher in Deutschland:
    "Ich bin bei fünf Tonnen im Schnitt."
    Damit meint der Sozialwissenschaftler seinen persönlichen CO2-Ausstoß pro Jahr:
    "Ein Bundesbürger hat im Schnitt elf Tonnen."
    Das ist mehr als doppelt so viel! Wie also schafft es Kopatz, nur noch halb so klimaschädlich zu leben wie Otto Normalverbraucher? Oder anders gefragt: Was könnte sich jeder Einzelne bei ihm abschauen? Beim Wohnen geht es los:
    "Unser Haus verbraucht extrem wenig Energie. Das ist ein Haus von Anfang der 60er Jahre, aber ziemlich clever energetisch saniert. Wenn man jetzt die Fassade neu streicht, das Gerüst dransteht, dann sind die zusätzlichen Kosten, um da Dämmung anzubringen, sehr gering. Das sind die sogenannten Kosten, die eh da sind, die ‚Eh-da-Kosten‘. Und dann sollte man die Sanierung anfassen."
    Auch später lässt sich noch viel Energie einsparen in den eigenen vier Wänden.
    "Der größte Posten ist einfach die Raumwärme. Wenn jemand mit 23 Grad im Wohnzimmer lebt und er verringert das auf 20 Grad, was eigentlich auskömmlich ist - dann würde man schon fast 20 Prozent der Energie einsparen. Beim Strom, da kennen die Leute die Maßnahmen, die man umsetzen kann. Und dann im Verkehrsbereich: Wir haben kein eigenes Auto. Es wird eigentlich nicht geflogen. Wir essen relativ wenig Fleisch, meine Kinder essen gar kein Fleisch mehr. Durchschnittlich liegt der Deutsche bei 1.100 Gramm in der Woche. Wenn Sie das auf 600 Gramm verringern, kann Deutschland schon damit 22 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das sind so Ansatzpunkte im persönlichen Verhalten."
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    Verzicht fürs Klima: In Kopatz' Familie wird kaum noch Fleisch gegessen. (Unsplash / Jason Leung)
    "Wir brauchen solche Botschaften"
    Solche Dinge erzählt der Forscher vom Wuppertal-Institut auch, als er schließlich seinen Vortrag hält. Auf einer Tagung des Rheinisch-Bergischen Kreises über Klima, Energie und Kirche.
    "Ich finde das absolut wichtig. Wir brauchen solche Botschaften."
    Gerd Wölwer hat Kopatz an diesem Tag eingeladen, der Umweltdezernent:
    "Ich glaube, das, was er uns heute zu sagen hat, ist hier genau beim richtigen Adressaten."
    "Kommen wir zu uns, als Person. Bei uns wird alles immer größer, komfortabler, luxuriöser wie zum Beispiel unsere Fahrzeuge."
    Vorbild, aber kein Dogmatiker
    Kopatz will zwar Vorbild sein, aber auch nicht dogmatisch. Denn er weiß: Nicht einmal er tut im Grunde genug. Selbst fünf Tonnen CO2 pro Jahr und Kopf sind nämlich noch zu viel, gemessen an den Zielen für 2050, festgelegt im Klimaschutzabkommen von Paris:
    "Wir haben versprochen, dass wir auf 1,5 Tonnen im Schnitt kommen. Deutschland hat das verspochen, zusammen mit Frankreich und 120 anderen Staaten.
    "Um zu verdeutlichen, was das für eine Zahl ist: Wenn ich jetzt ein Auto habe mit 150 Gramm CO2-Ausstoß, das ist eher ein mittelgroßes Auto, dann hat man mit diesem Auto nach 10.000 Kilometern schon 1,5 Tonnen verfahren."
    Deswegen bringt "Mister Fünf Tonnen" auch noch andere Botschaften unters Publikum. Meist seien die Leute dann verblüfft, sagt Kopatz, als er nach seinem Vortrag wieder ins Carsharing-Auto steigt, mit dem er gekommen ist:
    "Bei solchen Veranstaltungen denken die meisten: Ja, jeder muss ja bei sich selber den Anfang machen! Und ich sage denen: Ja, könnt ihr gerne alle machen. Aber viel wichtiger ist, dass ihr daran mitwirkt, dass die Verhältnisse sich verändern."
    Druck auf die Politik ausüben! Protestieren! Sich für einen schnellen Ausstieg aus der Kohlenutzung stark machen oder für emissionsarme Verkehrskonzepte! Solche Dinge meint Kopatz. Unsere Produkte müssten durchweg CO2-ärmer werden. Nur dann sei es möglich, wirklich von den elf Tonnen pro Kopf und Jahr runterzukommen. Oder von den fünf Tonnen, in seinem eigenen Fall:
    "Immer, wenn ich denke: Lohnt sich das alles noch? Bringt das was? Dann denke ich: Ich hab' alles probiert. Ich hab' versucht, die Klimakrise zu bekämpfen. Und das fühlt sich dann im Zweifel doch ganz gut an!"