Ob er will oder nicht: Max Hartung hat schon so einige Flugmeilen auf seinem persönlichen Konto der Öko-Sünden angesammelt. Er ist einer der besten deutschen Fechter – und viel unterwegs. Weltcups, WM, EM, Olympia. Hartung tippt auf etwa zehn Länder im Jahr: "Das hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Also der Düsseldorfer Flughafen fühlt sich ein bisschen so an wie eine Durchgangsstation, wo man immer wieder ist, wo man genau weiß, wo man seine Tasche abgeben muss und wie es dann weitergeht."
Hartung hält es prinzipiell für richtig, dass eine Sportart dahin expandiert, wo sie Fans hat, Aktive, eine Kultur. Er spricht aber auch von einem Spagat: "In einer globalisierten Welt Sport zu machen und trotzdem eben auch als Beispiel voran zu gehen und eben zu schauen. In vielen Sportarten ist man ja auch sehr naturverbunden, ist auf die Räume angewiesen, als Skifahrer, als Ruderer vielleicht und möchte natürlich, dass die nicht verschmutzen und nicht kaputt gehen."
Sport könnte mehr für Klimaschutz tun
Dieser Spagat gelingt oft nicht, sagt Gunter Gebauer. Der Sportphilosoph bringt Pierre de Coubertin ins Spiel, den Spiritus Rektor der olympischen Bewegung. Und Gebauer kritisiert, dass der Sport mehr zum Schutz des Klimas tun könnte:
"Die Rolle, die er im Moment spielt, ist sicher eine sehr negative. Es ist ja eher so, dass der Sport so etwas wie eine Maxime ganz früh aufgebracht hat, dass er sich über die ganze Welt verteilen will, dass er sich sozusagen die Welt Untertan macht, um mal ein indirektes Zitat zu verwenden. Coubertin ist angetreten schon im 19. Jahrhundert mit dem Spruch 'All Games, All Nations'. Das heißt, alle sollen daran teilhaben. Und jetzt, wo es so diese große Flugmobilität gibt, ist auch eine Vielfliegerei mit vielen Miles so etwas wie eine Auszeichnung dafür, dass man zum Jetset des Sports gehört."
Daniel Bleher vom Institut für angewandte Ökologie in Darmstadt sieht die Situation etwas positiver. Das Öko-Institut berät unter anderem den deutschen Fußballbund: "Es gibt Standards mittlerweile, die sich etabliert haben bei Sportgroßveranstaltungen. Das Thema Mobilität spielt da eine Rolle. Die hat den größten Anteil am Klima-Fußabdruck einer Sportgroßveranstaltung."
Anreize für die Fans schaffen
Und: Von Mobilitäts-Emissionen entfallen etwa 80 Prozent aufs Fliegen, schätzt Daniel Bleher. Eine Möglichkeit, um Flüge zu reduzieren: Anreize für Fans schaffen, zwischen Spielorten mit der Bahn zu fahren. "Das gab's auch bei der WM 2006. Vergünstigte Tickets für die Fahrten innerhalb von Deutschland von Fans und dass es Sonderzüge gab von der Deutschen Bahn beispielsweise. Das ist aber alles die Mobilität innerhalb von Deutschland, also wenn die Fans dann schon einmal im Zielland angekommen sind."
Problematischer als Kombitickets sei die internationale Mobilität. Dazu fällt Bleher ein Negativ-Beispiel ein: die Fußball-Europameisterschaft nächstes Jahr verteilt über zwölf Länder: "Eine konträre Entwicklung, die man da eingeschlagen hat. Weil es einfach dann auch schwierig ist, solche umweltfreundlichen Mobilitätsangebote zu generieren, wenn das eine Spiel in München, das eine in London und das nächste in Madrid dann beispielsweise stattfindet."
Wege zwischen Wettkampforten verkürzen
Einen anderen Weg geht seit kurzem der Kanusport, erzählt Thomas Konietzko, Präsident des deutschen Verbandes: "Ja, wir haben diskutiert und auch umgesetzt, dass wir zukünftig unsere Weltcups zum Beispiel im Kanusprint an Orten durchführen, die sehr nah beieinander liegen. Einfach, um Reisen zu vermeiden. Sie müssen wissen, dass nicht nur 1.500 Sportler und Trainer von einem Ort zum anderen reisen, sondern dass auch Material, dass Boote transportiert werden müssen. Und wenn wir das optimieren können, können wir deutlich CO2 einsparen."
Statt über 4.000 Kilometer lägen zwischen Weltcups jetzt teilweise nur noch gut 300, erzählt Thomas Konietzko. Und: Der Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes sieht weitere Möglichkeiten, Flüge im Sportbetrieb zu reduzieren – bei Funktionären wie ihm selbst:
"Also ich war Pi mal Daumen in 45 Ländern im letzten Jahr, vom Iran bis Nordkorea. Und man kann dort reduzieren, wo man keine wichtigen Entscheidungen treffen muss. Nämlich dort, wo jetzt diese emotionalen Momente nicht wirklich eine Rolle spielen, wo es lediglich um Austausch von Fakten geht. Das kann man wunderbar über ein Skype-Meeting machen und das funktioniert gut. Aber es geht eben nicht immer, weil die Ethik des Netzwerkens im internationalen Sport eben noch darauf abgestellt ist, dass man vieles eben doch noch im persönlichen Gespräch erledigen muss."
Klima-Bilanz durch Kompensationszahlungen aufbessern
Wenn es um Einfluss geht, Events im eigenen Land, Gold, Silber oder Bronze - dann zählt die persönliche Klima-Bilanz nichts. Verbände, die Sportlern mehr Förderung zahlen, wenn sie weniger Meilen ansammeln: Fehlanzeige. Eine Möglichkeit, für Emissionen zumindest finanziell gerade zu stehen, sind Kompensationszahlungen. Dafür hat unter anderem der deutsche Alpenverein ein Modell entwickelt: einen Klimafonds.
In den können zum Beispiel Freizeitsportler einzahlen, wenn sie über den Verband eine Reise buchen, erzählt Julia Mrazek vom DAV: "Und zwar werden dann unterschiedliche bauliche, aber auch nicht bauliche Maßnahmen gefördert. Also zum Beispiel der Bau einer Photovoltaikanlage auf der Kletterhalle. Aber auch den Bergsteigerbus, der dann Wanderer klimafreundlich zum Beispiel von Bad Tölz oder Lenggries bis in die Eng bringt und so einfach schon bei der Anreise CO2 einsparen kann."
Idee hinter Kompensationszahlungen für Flüge: Im Gegenzug klimaschützende Projekte zu finanzieren - zum Beispiel Windkraftanlagen oder Aufforstung. Auch eine Möglichkeit für Fans, die mit ihrer An- und Abreise schließlich den Großteil der Flüge im Sport ausmachen. Doch Daniel Bleher vom Öko-Institut sagt: Nur ganz wenige zahlen Kompensationen, selbst wenn man beim Ticketkauf die Möglichkeit einbaut. Sollten also wohlhabende Verbände – etwa aus dem Fußball – für die Fans in die Bresche springen?
Am Ende muss der Fan entscheiden
"Grundsätzlich kann man darüber nachdenken, Klimakompensationen nicht in der Verantwortung der Zuschauer zu lassen, sondern dass hier der Veranstalter oder Organisator, also sprich die UEFA oder die FIFA eine stärkere Rolle spielen." Gleichzeitig aber "würden dann natürlich auch erhebliche finanzielle Aufwendungen damit verbunden sein. Und ich würde da die Sorge haben, dass man sagt, gut wir kompensieren dann eben alles. Also brauchen wir uns gar nicht mehr groß bemühen, überhaupt Emissionen zu vermeiden."
Fassen wir zusammen: Es gibt Ansätze im Sport, Vielfliegerei zu reduzieren oder zu kompensieren. Aber: Es hört sich nicht danach an, dass sich schnell viel verändert. Am Ende liegt es wohl am Fan. Er muss entscheiden, ob er auf Reisen zu Sportevents Meilen sammelt oder sagt: Less is more – und zwar fürs Klima.