"Ja, was wir hier noch sehen können, ist das LED-Flutlicht dann auch."
Niko Briskorn steht am Rande des grünen Rasens in der Volkswagen-Arena in Wolfsburg und zeigt auf große weiße Leuchtflächen unterm Stadiondach. Als erster Bundesligist hatte der VfL vor zwei Jahren auf energiesparende LED-Strahler umgestellt.
"Was dazu führt, dass die Lampen eine wesentlich längere Haltbarkeit haben, also 50.000 Stunden im Vergleich zu 3.000 Stunden. Dadurch müssen die weniger gewechselt werden und haben zwölf Prozent weniger Energiebedarf."
Ökonomie und Ökologie in einer Hand
Briskorn ist einer von vier Mitarbeitern in der Corporate-Social-Responsibility-Abteilung in Wolfsburg. Mehr hat kein anderer Erstligist im Bereich gesellschaftliche Verantwortung. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Ökologie. Der studierte Sportökonom Briskorn prüft zum Beispiel, wo der Werksklub Energie, Müll und Rohstoffe einsparen kann. Sei es durch LED-Leuchten im gesamten Stadion, die Umstellung auf Öko-Strom, Recycling-Papier oder durch die Nutzung des Grauwassers aus dem benachbarten Mittelland-Kanal.
Das alles hat Auswirkungen auf den ökologischen Fußabdruck - lohnt sich für den Verein aber auch finanziell: "Es muss beides passen. Am Ende des Tages sollte sich ökologisches Engagement auch immer wirtschaftlich rentieren. Das rein aus einem philanthropischen Ansatz zu machen, ist vielleicht zu kurz gegriffen."
Potenzial in der Mobilität
Das größte Potenzial sieht Briskorn für den VfL Wolfsburg momentan im Bereich der Mobilität. Man ist dabei, für Fans, aber auch für die Mannschaft, die Infrastruktur für E-Autos zu legen. Also Ladestationen rund ums Stadion. Das liegt nahe als Volkswagen-Tochter. Aber auch Fan-Aktionen fürs Fahrrad, fürs E-Bike oder für öffentliche Verkehrsmittel gehören dazu. Will also ausgerechnet der VW-Werksclub die Stadionbesucher weg vom Auto bekommen?
"Das widerspricht sich für uns jetzt erstmal nicht. Volkswagen selber definiert sich ja auch gerade neu - auch aus ökologischen Gesichtspunkten. Die Entwicklung in Richtung E-Mobilität. Wo wir auch Chancen für uns als Verein sehen. Aus Perspektive des VfL ist natürlich unser Bestreben, dass wir die Menschen mit Fahrrad, mit E-Bikes, mit ÖPNV letztendlich zum Spieltag zu bekommen. Das ist schon klar das Ziel. Aber trotzdem bietet sich E-Mobilität an durch die Nähe [zu VW, Anm. d. Red], und ich sehe da schon auch für uns Optionen den CO2-Fußabdruck zu verringern".
VfL lässt seinen CO2-Fußabdruck errechnen
Als einer der wenigen Bundesliga-Vereine lässt der VfL alle zwei Jahre seinen C02-Fußabdruck errechnen, formuliert jeweils Einsparziele für die nächste Berechnung und stellt die Ergebnisse auf seine Website.
Den eigenen Verbrauch errechnen lassen - das hat Ligakonkurrent Mainz 05 auch mal gemacht. Noch heute wirbt der Club stolz mit dem Slogan "erster klimaneutraler Bundesligist". Im Jahr 2011 hat sich Mainz diesen Titel selbst verliehen. In Zusammenarbeit mit seinem damaligen Hauptsponsor, einem Stromanbieter, ließ er seinen CO2-Fußabdruck ermitteln und dann über Aufforstungsprojekte klimaneutral kompensieren.
Heute ist der Hauptsponsor ein anderer, und die Klima-Aktivitäten der Mainzer scheinen damit beendet. Wochenlange Versuche, Nachweise für den Fortbestand von Ermittlung und Kompensation des CO2-Verbrauchs zu erhalten, versanden im Nichts. Alles also nur ein Marketing-Coup?
"CO2-neutral ist ein Fußballverein auf keinen Fall"
Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe:
"Am Ende muss man sagen, CO2-neutral ist so ein Fußball-Verein in gar keinem Fall. Weil eben Energie verbraucht wird, Wasser verbraucht wird, weil Abfälle anfallen. Deshalb kann man so einen Slogan, der vor allem Aufmerksamkeit erzeugen soll, kritisch hinterfragen. Aber wenn jemand das Thema Klimaschutz schon für sich entdeckt hat und sich damit beschäftigt, kann man das auch positiv sehen. Aber grundsätzlich absolute Aussagen wie 'CO2-neutraler Verein', sind schon sehr fraglich. Ob das nicht dann am Ende zu einem falschen Verständnis bei den Verbrauchern führt."
Durchwachsene Bilanz nach Erstligisten-Umfrage
Insgesamt sind die Ambitionen in der Liga durchaus unterschiedlich. Eine Umfrage des Deutschlandfunks unter den 18 Erstligisten zu ihren Aktivitäten im Bereich Umweltschutz ergibt ein eher bescheidenes Bild. Weniger als die Hälfte der Vereine geben an, auf Ökostrom umgestellt zu haben oder Fernwärme zu nutzen. Sieben Vereine verwenden immer noch Einweg-Plastikbecher im Stadion. Manche gaben sogar noch so etwas Selbstverständliches wie die Mülltrennung in der Geschäftsstelle an.
Sonnenkollektoren auf dem Stadiondach sind dagegen fast schon Liga-Standard. Wieder eine umweltfreundliche Maßnahme, die auch noch Geld einbringt. Muss Umweltschutz also immer wirtschaftlich sein? Jürgen Schwark, Sportsoziologe an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen:
"Nachhaltige Entwicklung und wirtschaftliche Prosperität sollen Hand in Hand gehen, wie es so schön heißt. Das ist ein Widerspruch in sich. Das kann gar nicht funktionieren. Sie können dort, wo es sich lohnt, Maßnahmen umsetzen, dort wo es nicht wehtut. Und das wird auch gemacht, das ist auch ganz verdienstvoll. Aber in einer Verdrängungskonkurrenz auf Nachhaltigkeit zu setzen, kann gar nicht funktionieren".
Der Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Konkurrenten wäre zu groß, meint Schwark.
"Langfristig zehn Prozent Fair Trade, das ist peinlich"
Dennoch gäbe es viele Maßnahmen, die die Vereine durchsetzen könnten, ohne ins Hintertreffen zu geraten. Angefangen bei der Auswahl ihrer Sponsoren, dem Beachten von Fairtrade- und Umweltrichtlinien bei der Wahl ihrer Ausrüster. Doch oft fehlt der Wille und der Mut, meint Schwark:
"Der VfL Wolfsburg hat in seinem Nachhaltigkeitsbericht stehen, man wolle langfristig die Umstellung von - Achtung - zehn Prozent der Merchandising-Produkte auf Fair Trade umstellen wollen. Langfristig zehn Prozent. Wenn die schreiben würden kurzfristig 30 und mittelfristig 100, dann würde ich mich breitbeinig vorne hinstellen und das propagieren. Aber langfristig zehn Prozent, das ist peinlich."
DFL: Keine Expertise zum Thema Umwelt
Im Moment wurschtelt jeder Verein deshalb so vor sich hin und macht was er für richtig hält, was Öffentlichkeit bringt und sich wirtschaftlich lohnt. Hilfreich wäre da ein Engagement von der Dachorganisation, der Deutschen Fußball-Liga. Sie macht den Vereinen allerlei Auflagen, um die Lizenz erteilt zu bekommen. Umweltschutzmaßnahmen sind aber nicht darunter. Das sollte sich ändern, sagt Niko Briskorn vom VfL Wolfsburg:
"Ja, also ich würde mir schon wünschen, dass die DFL das Thema für sich noch stärker erkennt und mittreibt - gemeinsam mit den Vereinen. Da ist schon ein Wunsch, der auf Vereinsebene vorhanden ist. Aber ich denke, das ist auch eine Entwicklung, die kommen wird und der sich die Deutsche Fußball-Liga nicht entziehen wird können."
Die Gegenwart sieht aber noch anders aus. Gespräche zum Thema Umwelt werden von der DFL mit dem Hinweis auf fehlende Expertise und Ansprechpartner abgelehnt.