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Serie "Good Omens"
Von Engeln, Dämonen und Ketzern

Es ist Apokalypse, und keiner geht hin – so ließe sich die Story sechsteiligen BBC-Miniserie „Good Omens“ zusammenfassen. Darin verbünden sich ein Engel und ein Dämon gegen die Mächte von Himmel und Hölle, um das Ende der Welt abzuwenden.

Von Tim Baumann |
Die Schauspieler Michael Sheen als Engel Erziraphael und David Tennant als Dämon Crowley eisessend in der Amazon-BBC-Produktion "Good Omens"
Ein sehr ungleiches Paar: Michael Sheen (links) als Engel Erziraphael und Dämon Crowley, gespielt von David Tennant in "Good Omens" (© 2019 Amazon.com Inc/ Chris Raphael)
"Nicht sonderlich subtil vom Allmächtigen. Ein Obstbaum in einem Garten mit einem 'Nicht anfassen'-Schild dran. Ich meine, warum stellt man ihn nicht auf die Spitze eines hohen Berges? Oder auf den Mond?" -
"Das Beste ist, nicht zu spekulieren. Das ist alles Teil des großen Plans. Wir sollen es gar nicht verstehen. Er ist unerfindlich."
Seite an Seite stehen der Engel Erziraphael und der Dämon Crowley auf der Mauer des Gartens Eden und blicken Adam und Eva nach, die, aus dem Paradies verbannt, in die Wüste hinausziehen. In der BBC-Produktion "Good Omens", entstanden auf Basis des gleichnamigen Romans der Fantasy-Autoren Terry Pratchett und Neil Gaiman, ist das der Beginn einer langen Hassliebe zwischen dem schüchtern-gutmütigen Engel und dem gewitzten Dämon.
Das Teufel-Baby
"Würde ich Dich anlügen?" - "Natürlich, Du bist ein Dämon, Ihr macht so was!"
Über die Jahrtausende hinweg laufen sie sich immer wieder über den Weg – und vereinbaren schließlich eine Art Waffenstillstand miteinander, um in Ruhe ihr Dasein unter Menschen genießen zu können. Für Erziraphael gehören dazu vor allem gutes Essen und alte Bücher, während Crowley eine innige Liebe zu seinem Bentley und technischen Geräten entwickelt.
"Was ist?" - "Das ist." - "Nein!" - "Doch." - Jetzt schon?" - "Ja."
Bis Crowley von seinen dämonischen Kollegen ein Körbchen ausgehändigt wird. Darin: Ein Baby.
"Dessen fast vollständiger Name lautet: Widersacher, Zerstörer von Königreichen, Engel der Dunkelheit, Herr dieser Welt, Vater aller Lügen und Fürst der Finsternis."
Babytausch-Panne
Der Antichrist. Er ist der Sohn Satans. Und es ist die Aufgabe des Dämonen Crowley, den Sohn Satans in die Welt zu bringen. Oder genauer: ihn in einer Geburtsklinik gegen ein Menschenkind auszutauschen. Und der Dämon weiß: Damit hat die Uhr zu ticken begonnen. Das Ende der Welt ist nah. Was er nicht – und auch sonst niemand - weiß: Die satanischen Nonnen, die die Klinik leiten, vermasseln den Babytausch. Der Antichrist ist verschollen.
"Erziraphael, ich bin es. Wir müssen reden." - "Ja, ja, ich glaube, das müssen wir. Ich nehme an, es geht um die..." - "Apokalypse, ja."
Nach und nach überzeugt Crowley seinen liebsten Feind, den Engel Erziraphael, dass das Ende der Welt nun wirklich nicht in dessen Interesse liegen kann, obwohl die anderen Engel glauben, dass das Gottes Wille sei.
"Keine Albert-Hall, nie wieder Glyndebourne, nur noch sphärische Himmelsklänge. Und du verlierst noch sehr viel mehr, solltet Ihr gewinnen. Nix mehr mit kleinen, netten Restaurants, wo man dich kennt. Kein Graf-Lachs mit Dillsauce. Nicht zu vergessen alte Buchgeschäfte."
Szene aus Good Omens: die beiden Hauptdarsteller elegant gekleidet
Szene aus der Serie "Good Omens"- eine Anregung zu unterhaltsamen Theologie-Debatten (© 2019 Amazon.com Inc. / Chris Raphael)
Eine harte Prüfung für den Engel. Zumal sich die anderen Engel, vor allem Erzengel Gabriel, nicht beschwichtigen lassen:
"Ich dachte, wir könnten vielleicht irgendwas tun!" - "Können wir! Wir können kämpfen. Und wir können gewinnen." - "Aber muss es deswegen unbedingt Krieg geben?" - "Aber natürlich, wie sollten wir ihn denn sonst gewinnen?"
Mehr als reine Unterhaltung
Ein Engel, der sich mit einem Dämon verbündet und sich gegen Gottes Plan stellt? Manchem dürfte das wie ein bloßer Unterhaltungsstoff erscheinen. Dahinter steckt aber mehr: Hier stoßen zwei Glaubensparadigmen aufeinander – und die betreffen sowohl das Ende der Welt als auch die Willensfreiheit aller Geschöpfe – inklusive der Engel.
Einer, der viel nachdenkt über Religion und Freiheit, ist Professor Alfons Fürst, katholischer Theologe und Leiter der "Forschungsstelle Origenes" an der Universität Münster:
"Das eine ist, es gibt einen 'göttlichen Plan' - und zwar sehr detailliert, der sozusagen durchgeführt wird in der Geschichte. Das, würde ich sagen, ist das größere Paradigma in der Theologiegeschichte gewesen, was man Prädestination und Vorherbestimmung und so weiter nennt."
Hierzu passt auch die verbreitete Ansicht, dass die Engel, die in der Bibel als Boten oder Wächter Gottes dienen, keinen freien Willen haben, sondern lediglich dem Befehl Gottes folgen. Nur gefallene Engel und Menschen besitzen demnach einen freien Willen.
Freie Bewegung?
Dem gegenüber steht, so Professor Fürst, die Idee,...
"...dass es keine Prädestination gibt, sondern etwas in eine freie Bewegung, in Bewegung gesetzt wird, die sich in Freiheit zu dem bilden soll, was der, der die Bewegung anstößt, schon als Ziel vor Augen hat, was er aber nicht jetzt im Detail urgiert."
Dieser freiheitsbetonte Ansatz stammt aus der Feder des christlichen Philosophen Origenes. Einem der einflussreichsten Denker des frühen Christentums im zweiten und dritten Jahrhundert.
"In dem einen Paradigma hat die Geschichte einen doppelten Ausgang – mit Himmel und Hölle und Erlösung und Verdammnis – und die meisten sitzen in der Hölle, das vergisst man ja immer, man denkt ja immer, man wird schon zu den anderen gehören, aber das ist eine etwas optimistische Annahme –, während in dem anderen Paradigma ja zu denken versucht wird, wie alles an das Ziel kommen soll, nämlich wieder zurück zu Gott, nämlich die Apokatastasis, also keine Hölle. Dass also die Geschichte gelingt sozusagen."
Modell Apokatastasis
Es stoßen also Apokalypse und Apokatastasis aufeinander. Und im Modell der Apokatastasis sind Engel wie Erziraphael in "Good Omens" eben nicht nur willenlose Vollstrecker eines göttlichen Plans, sondern frei agierende Wesenheiten – und die können sich auch gegen Gott stellen.
"Es ist der Große Plan, Crowley." - "Ja, fürs Protokoll: Großer, pustelig-pickliger Murksgruß an den verfluchten Plan!"
Entstanden ist die freiheitliche Theologie des Origenes aus dem Problem, dass im Falle einer Prädestination, wenn also alles bereits vorbestimmt ist, niemand für sein Handeln verantwortlich gemacht werden könnte.
"Und Origenes argumentiert als erster so, dass er sagt: Ich kann jetzt Freiheit theoretisch nicht beweisen oder widerlegen, ob es sie gibt oder nicht, aber ich muss sie notwendig voraussetzen für das praktische Handeln."
Dieser pragmatische Freiheitsbegriff hat seinen Weg in fast alle theologischen Strömungen gefunden, obwohl Origenes nach seinem Tod als Abweichler verurteilt und seine Schriften nur noch heimlich, dafür aber eifrig gelesen wurden.
"Also er taucht so subkutan überall auf, weil die Gedanken sehr interessant sind, aber man ist auch immer sehr bemüht, sich von diesem Häretiker zu distanzieren."
Aus Handeln folgt Sein
Der besondere Dreh in Origenes' Ausführungen zur Freiheit liegt aber in einer für die Philosophiegeschichte revolutionären Abkehr vom Zeitgeist der Antike, wonach aus dem Sein das Handeln folgt. Origenes dreht das um und sagt:
"Das, was ich wirklich bin in meinem Kern als Mensch, das entscheidet sich aus meinem Tun, dem wiederum meine Entscheidungen vorausliegen. Also mein Sein folgt aus dem Handeln."
Genau dieses emanzipative Denken ermöglicht den Sturz Luzifers – und in "Good Omens" den Crowleys:
"Ich hab nie darum gebeten, ein Dämon zu sein. Ich ging eines Tages einfach nur meiner Wege und da, uh yeah, Luzifer und seine Gang, und hey: Das Essen war eine Weile nicht gut gewesen und ich hatte am Nachmittag nichts vor. Und als nächstes, da mache ich einen Millionen-Lichtjahre-Sprung in so einen Pool mit kochendem Schwefel."
Andererseits ermöglicht es aber allen Wesen, den Menschen, den Engeln und sogar den Dämonen, sich so zu verändern, dass am Ende die Erlösung möglich wird - in Form einer Apokatastasis.
Zu behaupten, dass "Good Omens" auf der Theologie des Origenes basiert, wäre zwar verfehlt. Dennoch setzt sich die Serie auf spannende Weise mit religiösen Kernthemen auseinander und kann zu fruchtbaren Diskursen mit christlicher Theologie anregen – auf kurzweilige und enorm unterhaltsame Weise.
Wie die Welt letztlich endet, verrät "Good Omens" übrigens nicht – und zumindest hierfür würden die Autoren Terry Pratchett und Neil Gaiman wohl Zuspruch von Origenes erhalten, denn...
"Er hat einmal in einer Predigt den schönen Satz gesagt: 'Wer behauptet, über Anfang und Ende der Welt etwas Sicheres zu wissen, ist ein Schwätzer.'"