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Serie "Klimakommunen“ (3/6)
Leipzig setzt auf grüne Geldanlage

Kohle und grüne Gentechnik raus, erneuerbare Energien rein – so soll durch Geldanlage Klimaschutz betrieben werden. Mehrere Kommunen und auch Bundesländer haben sich der Divestment-Bewegung angeschlossen. Auch Leipzig macht mit. Doch ob das den Klimaschutz voranbringt, ist nicht eindeutig belegbar.

Von Jennifer Stange |
In Leipzig drehen sich die Baukräne. Rechts im Bild die Handwerkskammer zu Leipzig, links das Cityhochhaus.
Laut Leipziger Anlagerichtlinie soll fossilen Energieunternehmen zugunsten des Klimaschutz der Geldhahn abgedreht werden. (dpa / Zentralbild / Volkmar Heinz )
Aus dem Büro des Leipziger Finanzbürgermeisters im Neuen Rathaus fällt der Blick auf die Kirche direkt gegenüber. Es ist eine katholische Kirche, Torsten Bonew ist Protestant. Christliche Werte, sagt der gelernte Bankkaufmann und CDU-Politiker, spielen bei seiner Arbeit schon immer eine Rolle.
"Die Bewahrung der Schöpfung ist etwas Urchristliches. Neudeutsch nennt man das jetzt Klimaschutz. Da ist man gar nicht so weit weg vom christlichen Glauben zur Bewahrung der Schöpfung und zum Klimaschutz und demzufolge kann man auch ohne Stadtratsbeschlüsse der Grünen auch vorher schon verantwortungsvoll Wertpapieranlagen tätigen."
Und doch gab es den offiziellen Stempel Divestment erst 2018: Auf Initiative der Parteien Die Linke und Bündnis 90/die Grünen schrieb der Leipziger Stadtrat im Jahr zuvor per Beschluss folgenden Grundsatz fest: Städtische Finanzmittel dürfen nicht in Bereiche investiert werden, bei denen es ökologisch, sozial und/oder ethische Bedenken gibt. Doch viel habe sich im Portfolio des städtischen Anlagevermögens von 100 Millionen Euro seither nicht verändert, sagt Finanzbürgermeister Bonew:
"Wir haben jetzt die Kohlekraft ganz rausgenommen. Unternehmen, die in grüne Gentechnik investieren, nehmen wir nicht, die Tierversuche bei Kosmetika durchführen, nehmen wir nicht mehr und die Lebensmittel- und Agrarspekulationen betreiben, sind auch raus. Großartig Divestment mussten wir nicht machen. Ich weiß gar nicht, wieso man den Begriff erfunden hat. Ich kann damit nichts anfangen."
Ist Divestment nur eine Beruhigungspille?
Nur rund fünf Prozent des Anlagevolumens habe man umschichten müssen. Investitionen in Unternehmen, die auf Atomkraft setzen, Fracking betreiben, Waffen- und Rüstungsgüter verkaufen, gegen Menschen- und Arbeitsrechte verstoßen, die habe es vorher auch nicht gegeben, sagt Bonew. Steffen Rohkohl, Vorstandsmitglied des BUND in Leipzig, schreibt der Divestment-Bewegung mehr Bedeutung zu.
"Dass das erstmal in die Öffentlichkeit kommt, dass man dafür sensibilisiert, dann hat man sich geeinigt, eine Anlagenrichtlinie zu erstellen. Einfach zu sagen: Zukünftig wollen wir die Gelder nicht in die und die Gebiete investieren. Das ist der Verdienst der Divestment-Kampagne."
Divestment, übersetzt Desinvestition, meint schlicht das Gegenteil von Investition. Nicht Geld reinstecken, sondern Geld rausziehen. Und: Divestment ist das Schlagwort einer zivilgesellschaftlichen Bewegung, die fossilen Energieunternehmen zugunsten des Klimaschutz den Geldhahn abdrehen will. Über den Finanzmarkt. Doch bewirkt das Divestment tatsächlich etwas für den Klimaschutz oder ist es nur eine Beruhigungspille für Klimaschützer?
"Da muss man sich ein bisschen ehrlich machen und das ist ja ohnehin das Problem vieler Klimapolitik. Man muss einfach sagen, Divestment führt nicht dazu, dass die Sachen, aus denen wir divesten, aufhören. Das heißt aber nicht, dass Divestment irrelevant ist, natürlich auch so eine Art diskursives Mittel, um die Leute ins Gespräch zu bringen über Klimaschutz und was sind gute, was sind schlechte Aktivitäten", sagt Tadzio Müller, Referent für Klimagerechtigkeit der linken Rosa Luxemburg Stiftung in Berlin.
Ein Gärtner entfernt unerwünschte Gewächse auf einem begrünten Dach in einer Neubausiedlung
Reihe: Nachhaltige Städte
Die Straßen sind voll, die Luft ist schlecht, Asphalt und Beton aufgeheizt. Deutsche Großstädte leiden unter dem Klimawandel – und sie sind zugleich auch Treiber. Doch es tut sich etwas. Wir beleuchten einige Ansätze in einer Sommerserie der Deutschlandfunk-Wirtschaftsredaktion.
"Divestment hat im Grunde keinen nachvollziehbaren ökonomischen Effekt, wenn es um Firmen geht, die auf globalen Märkten gehandelt werden. Wenn Dortmund und Düsseldorf ihre RWE-Aktien verticken, dann sind die ja auf globalen Aktienmärkten handelbar. Also im besten Fall reduziere ich den Preis der Aktie, weil ich sie nicht mehr kaufe, die Nachfrage sinkt und dann wird sie wieder mehr gekauft."
BUND fordert mehr Transparenz über die Anlagestrategie
Das Leipziger Investitionspaket wurde in Zusammenarbeit mit Union Investment, der Fondgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken erstellt und ist laut Finanzbürgermeister Bonew eine zu 99,7 Prozent klimafreundliche Anlage. Überprüfbar ist das nicht. Einzelheiten, in welche Unternehmen konkret investiert wird, will Bonew nicht nennen. Der städtische Finanzausschuss prüft halbjährlich, ob das Geld den Regeln entsprechend eingesetzt wird. Steffen Rohkohl vom BUND Leipzig wünscht sich mehr Transparenz von diesem Gremium.
"Der tagt aber nicht öffentlich, das heißt, man kriegt das als Bürger nicht mit. Am Ende dieses Jahres wird zum ersten Mal darüber gesprochen, wie diese Anlagerichtlinie umgesetzt wurde. Und wir gucken dann gemeinsam, wie man diese Anlagerichtlinie weiterentwickeln kann."
So dass auch Erdöl- und Erdgasunternehmen auf die schwarze Liste kommen zum Beispiel. Das ist im Moment noch nicht ausgeschlossen. Rohkohl jedenfalls ist überzeugt, dass der politische Einfluss auf Investitionen positive Effekte haben könne. Nicht nur, indem Anlagen in bestimmten Bereichen gemieden werden.
"Man kann auch die entgegengesetzten Effekte fördern, nämlich die nachhaltige Entwicklung einer Gesellschaft."
Für Rohkohl können Kommunen mit nachhaltiger Geldanlage auch Vorbild für Privatleute sein. Müller von der Rosa Luxemburg Stiftung sagt, nach wie vor brauche es eine Strategie, um klimaschädliche Unternehmen wirklich zu stoppen.