Mit einem überdimensionierten Teigschaber kratzt ein Mitarbeiter einen Bottich restlos leer. "Jeder Tropfen kostet Geld", sagt er. Das zäh fließende Öl riecht ungewohnt, aber sehr angenehm.
"Zahnpaste, Mundpflegemittel, die Myrrhe hat antimikrobielle Wirkung, das ist ein typisches Einsatzgebiet", erklärt der Flavex-Geschäftsführer Werner Quirin und betont: Nichts werde den Ölen hinzugefügt: "Das ist alles zu 100 Prozent natürlich, dafür garantieren wir."
Die Flavex-Naturextrakte GmbH aus dem saarländischen Rehlingen verarbeitet jährlich mit 50 Mitarbeitern etwa 1.200 Tonnen an Knollen, Schoten, Samen, Blüten, Kräutern und Gewürzen. Nagelnde Geräusche tönen aus der Produktionshalle nebenan. Werner Quirin und Dieter Gerard, Freunde seit Studienzeiten, betreten die Halle mit weißen Schutzanzügen. Gerard erklärt: "Das ist das Herzstück der Firma, wo die Extraktionen stattfinden. Hier haben wir unsere CO2-Hochdruckextraktionsanlagen auf engstem Raum zusammenstehen."
Extraktion durch CO2-Lösungsmittel
Gerhard bleibt stehen, inmitten eines Gewirrs aus kommunizierenden Röhren, Pumpen, Zentrifugen, Druckbehältern und Mühlen. Hagebuttensamen würden jetzt verarbeitet: "Das ist die Mühle, die hier läuft. Die wird von hier oben beschickt und das Pulver sammelt sich hier unten in den Säcken, die dann in die Anlage eingefüllt werden. Dann wird extrahiert, und dann macht man diesen Auszug mit unserem Lösungsmittel CO2."
1986 haben Dieter Gerhard und Werner Quirin zusammen die Flavex Naturextrakte GmbH gegründet, als Spin-off der Universität des Saarlandes. Bereits an der Uni hatten sich die beiden Chemiker auf die Extraktion pflanzlicher Rohstoffe mithilfe von Kohlendioxid spezialisiert, sagt Quirin:
"Das Verfahren erlaubt es im Prinzip, lösungsmittelfrei Extrakte zu gewinnen. Das heißt, die Produkte sind ausschließlich aus den Inhaltsstoffen des bearbeiteten Ausgangmaterials zusammengesetzt. Es gibt keine Verunreinigungen. Die Methode hat zusätzliche Vorteile, Schwermetalle gelangen nicht in den Extrakt. Der Extrakt ist steril und keimfrei und weil er keine Proteine oder Kohlenhydrate enthält, benötigt er keine Konservierung."
Überdies sei das Verfahren nicht nur schonend, sondern auch überaus flexibel. Über Druck und Temperatur zum Beispiel ließe sich der Prozess steuern, erklärt Co-Chef Quirin: "Wir können zum Beispiel vorwiegend die flüchtigen Bestandteile extrahieren, dann hätte man ein ätherisches Öl. Wenn man die Lösungskraft des CO2 erhöht, extrahiert man zusätzlich nicht flüchtige Bestandteile, Fette, Öle, Steroide, Farbstoffe und so weiter. Und was jetzt besser ist, hängt von der Anwendung des Produktes ab."
Das Rehlinger Unternehmen liefert an Hersteller von Kosmetika, die Lebensmittelindustrie, an Produzenten von Naturheilmitteln sowie die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln. Hauptabnehmer sind Firmen in Europa und den USA, zählt Firmenchef Quirin auf: "Wir verkaufen auch in den asiatischen Raum, aber in den USA machen wir etwa 35 Prozent des Umsatzes, in Europa vielleicht 30 Prozent."
Natürliche Schwankungen bleiben
Gleichbleibende Qualität schaffe zufriedene Kunden, sind die beiden Flavex-Gesellschafter überzeugt. Das sei nicht ganz einfach, weil auch Mutter Natur nicht immer die gleiche Qualität liefere, sagt Quirin: "Es handelt sich um Naturstoffe, die eine gewisse Variabilität aufweisen können von Jahr zu Jahr, klimabedingt oder durch Erntebedingungen. Deswegen spezifizieren wir immer eine gewisse Spanne. Aber diese Spanne muss dann auch eingehalten werden."
Um die natürlichen Schwankungen auszugleichen, sind die Anbaugebiete der verschiedenen Pflanzen von Arnika über Kurkuma und Ingwer bis hin zu Sanddorn, Vanille und Zimt über die ganze Welt verteilt.
Dieter Gerard öffnet eine Kiste mit leuchtend orangefarbenen Blüten. "Das sind Tagetes-Blüten", stellt er vor, "Tagetes erecta. Das ist eine Pflanze, die Karotine als Inhaltsstoffe hat, die in Nahrungsergänzungsmitteln Anwendung finden, zur Unterstützung der Sehkraft und das Muster steht jetzt hier zur Wareneingangsanalyse."
Jede Blume durchläuft eine Untersuchung
Die Studentenblumen werden wie jedes andere Produkt, bevor es verarbeitet wird, im firmeneigenen Labor untersucht. Die Überprüfung gesetzlicher Standards, ob die pflanzlichen Rohstoffe zum Beispiel mit Pestiziden belastet sind, übernehmen hingegen unabhängige Prüfinstitute. Gänzlich verhindern lasse sich aber eine Belastung nicht, sagt Quirin:
"Pestizide sind inzwischen ubiquitär, sie sind immer vertreten, wichtig ist, dass die gesetzlich festgelegten Limits eingehalten werden, also die Mengen, die sich unterhalb dieser Limits befinden, werden als sicher angesehen."
Voraussichtlich zwölf Millionen Euro Umsatz macht der saarländische Mittelständler in diesem Jahr; Wertschöpfung, die überwiegend in den Rehlinger Hallen erwirtschaftet wird, betonen die beiden Chemiker. Und dabei soll es bleiben, betont Co-Chef Quirin: "Wir haben zwar enorm viele Kaufangebote oder Angebote anderen Firmen, die investieren möchten, aber wir sind nicht in der Lage, dass wir das annehmen müssten oder Geld benötigten, sondern wir wollen das in Eigenregie weiterführen."
Rückblickend würden die beiden 60-Jährigen den Schritt von der Universität in die Wirtschaft auch ein zweites Mal wagen.