Archiv

Serie "Unsolved" auf Netflix
Ermordete Bad Boys

Ungelöste Kriminalfälle filmisch aufbereitet: "True Crime" ist eines der populärsten Seriengenres. Ab heute beschäftigt sich die neue Serie "Unsolved" auf Netflix mit neuen Fällen und beginnt mit der Ermordung zweier Hip-Hop-Ikonen der 90er-Jahre: Tupac und The Notorious B.I.G.

Von Julian Ignatowitsch |
    Marcc Rose und Wavyy Jonez bei der Premiere von "Unsolved"
    Marcc Rose und Wavyy Jonez gehen als perfektes Star-Double durch (imago / Faye Sadou)
    Als sich Tupac Shakur und Christopher Wallace aka The Notorious B.I.G., auch Biggie Smalls genannt, 1993 zum ersten Mal begegnen, ist die Stimmung total entspannt: Laute Musik und Marihuana - sie verstehen sich auf Anhieb.
    "Mr. Tupac, can you turn down the music and stop smoking that marihunana ..."
    Doch die anfangs gute Freundschaft zwischen den beiden größten Hip-Hop-Stars der 90er-Jahre ist schnell vergessen, wenn es um die legendäre East-Coast-/West-Coast-Rivalität geht. Und um ihren traurigen Höhepunkt mit der Ermordungen der beiden Stars, dem New Yorker Biggie und dem abtrünnigen Exil-Kalifornier Tupac. Beide wurden in sogenannten Drive-by-Shootings im Auto brutal erschossen: Tupac 1996, Biggie ein Jahr später. Bis heute sind die Täter unbekannt - wahrscheinlich ist nur, dass ein Zusammenhang zwischen den Morden besteht.
    "I think Biggies murder is related to Tupacs murder."
    Idealer Stoff für eine Serie
    Zwei Stars. Zwei ungeklärte Morde. Rache. Rivalität. Eine zerbrochene Freundschaft. Natürlich ist das idealer Stoff für eine Serie. Allerdings wurde die Geschichte in den vergangenen 20 Jahren schon zigmal erzählt, zum Beispiel in den Filmen "Bullet", "All Eyez On Me" oder "Who Shot Biggie & Tupac" (2017).
    Die Serie "Unsolved" liefert nun trotzdem Neues: Denn sie beleuchtet die Ereignisse auf drei zeitlichen Ebenen, was ihr Tiefe und Komplexität gibt. Wir sehen den anfänglichen Ruhm der jungen Rapper 1993, die ersten Ermittlungen nach dem Tod von Biggie 1997 und eine spät einberufene Task-Force, die die Morde 2006 erneut untersucht.
    "We need a task force, a kickass one. Now let’s go to work while we don’t listen to Biggie."
    "Oh, we gonna listen to Biggie."
    In zehn Episoden und in fast acht Stunden hat "Unsolved" dann auch genügend Zeit, sowohl die Raplegenden und ihr Umfeld zu charakterisieren als auch die kleinteilige Polizeiarbeit zu zeigen. Das macht die Serie stark. Denn so kann sie auch weniger bekannte Details erzählen, zum Beispiel, dass Tupac seinen Kollegen Biggie über den Philosophen Machiavelli aufklärt oder wie die Polizisten mit der richtigen Aussprache ihrer Namen kämpfen.
    "It’s Tupac, Sir!"
    Rassismus und Bürokratie gegen Gangsta-Kultur und Machogehabe
    Die Serie bietet einen faszinierenden Blick in die Büroräume des Los Angeles Police Department L.A.P.D. und auf den Glamour der L.A.-Celebrity-Szene: Rassismus und Bürokratie auf der einen, Gangsta-Kultur und Machogehabe auf der anderen Seite - zwei Welten, die sich so fern sind, wie die Labels von Bad Boy von Biggie (East Coast) und Death Row Records von Tupac (West Coast).
    "The New York rap artists hating the Los Angeles rap artists."
    "Jesus, a rap war. Do not call them artists. They are victims!"
    An der Mystifizierung der beiden Hip-Hop-Götter - falls das überhaupt noch geht - wirkt die Serie nicht mit, denn sie erscheinen in vielen Szenen allzu menschlich, auch das ist neu. Statt Klischees ein schonungsloser Blick. Statt Hologramm-Konzerten und Gerüchten vom Afterlive zwei Leichen. Und auch wenn die Konzeption der Serie, die an "American Crime Story" und die erste Staffel um O.J. Simpson angelehnt ist, genau kalkuliert erscheint, ist das Ergebnis überaus sehenswert. Die Schauspieler Marcc Rose und Wavyy Jonez gehen als perfekter Cast, als perfektes Star-Double durch - und machen selbst beim Battle-Rap eine gute Figur.
    In aller Kürze: "Unsolved" zeigt, dass gute "True-Crime"-Formate neben dem Markt auch die Kritik glücklich machen können.