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Serie "When they see us"
Erfolgreich, folgenreich und erschreckend aktuell

Fünf afroamerikanische und hispanische Jugendliche wurden 1989 für die brutale Vergewaltigung einer Joggerin unschuldig verurteilt und für Jahre inhaftiert. Regisseurin Ava DuVernay hat die Geschichte dieser sogenannten "Central Park Five" für Netflix verfilmt.

Von Nicole Markwald |
Portrait der Regisseurin Ava DuVernay
Für "Selma" war sie für den Oscar nominert - die Regisseurin Ava DuVernay (Sputnik (Asatur Yesayants / dpa))
Als Yusef, Antron, Kevin, Raymond und Kory zu langen Haftstrafen verurteilt werden, sind sie zwischen 14 und 16 Jahre alt. Es sind Jungs, die sich für Mädchen interessieren, gern Fast Food essen, sich gern über Sport und Musik unterhalten. Ihr Verbrechen: Sie waren wie Dutzende andere schwarze und Latino Jugendliche an jenem Frühlingsabend 1989 im Central Park in New York unterwegs, als dort eine weiße Joggerin vergewaltigt und fast zu Tode geprügelt wird.
Hohe Gefängnisstrafen
Die Polizei greift sie auf, verhört die verängstigten Jungen separat fast 48 Stunden lang, gibt ihnen nichts zu essen oder trinken, setzt sie unter Druck: "They saw you, rape the lady. You´ve got that? - I never saw a lady. I didn´t see any lady. - What are you talking about? - The lady in the park."
In der scheinbar ausweglosen Situation gestehen die Jugendlichen die Vergewaltigung, ziehen ihre Geständnisse aber später zurück. Indizien oder DNA-Spuren belasten sie nicht - trotzdem werden die fünf zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.
Antron McCray war der erste, dessen Urteil verkündet wurde. Er erinnert sich in einer Gesprächsrunde mit Oprah Winfrey: "Ich stand auf und fühlte mich einfach nur taub. Ich habe daraufhin aufgehört zu glauben, ich habe die Welt nur noch gehasst."
"Sie wurden zu Menschen ohne Gesicht gemacht"
Yusef, Antron, Kevin, Raymond und Kory werden bekannt als die "Central Park Five" - die Fünf vom Central Park. Doch genau diesen Titel wollte Regisseurin Ava DuVernay für ihre vierteilige Netflix-Reihe nicht: "So wurden sie abgestempelt - von der Presse, von den Ermittlern, von der Polizei. Es hat sie zu Menschen ohne Gesicht gemacht, es hat sie entmenschlicht. Sie sind Yusef, Antron, Kevin, Raymond und Kory."
Ava DuVernay wurde für ihr Bürgerrechtsdrama "Selma" für einen Oscar nominiert, sie hat für Disney das Fantasy-Epos "A Wrinkle in Time" verfilmt, von ihr stammt der Dokumentarfilm "The 13th" über den 13. Verfassungszusatz und den Zusammenhang mit der massenhaften Inhaftierung von Schwarzen. Die Geschichte ist in vier Kapitel aufgeteilt: Sie blickt auf die Verhörmethoden der Polizei, beleuchtet das Justizsystem, schaut auf Jugendstrafanstalten und macht klar, welche Hindernisse auf US-Bürger nach ihrer Haftentlassung warten.
Ein Erfolg für Netflix
Die Serie ist ein Erfolg für Netflix. Vergangene Woche teilt der Streaming-Anbieter mit, nichts in der Geschichte von Netflix sei in den ersten Tagen nach Veröffentlichung so häufig angeschaut worden wie diese Reihe. Linda Fairstein war die Staatsanwältin des Falls - sie protestierte dagegen, wie sie in "When they see us" dargestellt wurde.
Doch Raymond Santana, der fünf Jahre im Gefängnis sass, sagt: "In dem Moment, wo die DNA-Analyse zurückkommt und nichts mit uns zusammenpasst, keine Hand- oder Fußabdrücke, Blutspuren oder Kleidungsspuren - in dem Moment hätte sie sagen müssen, Moment mal, hier stimmt was nicht, sie können es nicht gewesen sein. Sie war in der Position, das zu tun und hat versagt."
Die rassistischen USA der 90er Jahre
Am Ende kommen die fünf jungen Männer frei, nachdem ein anderer die Tat gesteht, DNA-Spuren das bestätigen. 2014 erklärt sich New York zur Zahlung einer Entschädigung bereit. "When they see us" zeigt auf erschütternde Weise, dass die USA Anfang der 90er Jahre durchdrungen sind von Rassismus - bei der Polizei, in den Medien, im Justizapparat. Und für viele Amerikaner fühlt sich die Geschichte erschreckend aktuell an.