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"Séries Mania" in Paris
Diese Serien laufen bald in allen Wohnzimmern

Das "Séries Mania" in Paris ist Publikumsfestival und Branchentreffen zugleich: Zehn Tage lang laufen hier fast 60 Fernsehserien aus der ganzen Welt. Die deutsche Serie "4 Blocks", eine eigenwillige Mischung aus "The Sopranos" und "The Wire", kommt gut an. Der Publikumsliebling ist aber aus den USA.

Von Simone Schlosser |
    Ein Paar guckt mit Popcorn auf einen Fernseher.
    Zuerst auf dem Festival, dann in allen Wohnzimmern: "Séries Mania" zeigt die Serien von morgen. (imago/Science Photo Library)
    Das Séries Mania hat eine einzigartige Mischung: Es ist einerseits ein Publikumsfestival mit mehr als 20.000 Zuschauern, die sich vor "Game of Thrones"-Kulisse fotografieren lassen und "Lost"-Erfinder Damen Lindelof um ein Autogramm bitten. Andererseits ist es eines der wichtigsten europäischen Branchentreffen, bei dem die Projekte verhandelt werden, die dann einige Jahre später einmal hier laufen:
    "Wir erleben hier, wie die Qualität zunimmt."
    Laurence Herszberg ist die Leiterin dieses Festivals, das in diesem Jahr zum achten Mal stattfindet. Entwickelt hat sich in dieser Zeit vor allem die europäische Serienlandschaft:
    "Selbst die Amerikaner haben mittlerweile gemerkt, dass es in Europa starke Dramen gibt. Viele Sender öffnen sich zunehmend für Serien in anderer Sprache. Das hat uns eine Tür geöffnet."
    Je lokaler, desto globaler
    Für eine erfolgreiche Serie gelten zwei Grundsätze: Je lokaler, desto globaler. Und: Je nieschiger ihr Ansatz, desto größer das Publikum.
    "Viele Fernsehsender sind zu schüchtern. Sie trauen sich nicht, ihr Publikum herauszufordern. Also senden sie das, was alle machen. Aber das ist der falsche Ansatz. Je eigenwilliger eine Serie ist, desto eher findet sie ihr Publikum."
    Eine Serie, die in diesem Jahr besonders gut ankommt, ist eine deutsche Serie: "4 Blocks". Die Geschichte eines arabischen Familienclans, die in Berlin ihren Neuköllner Kiez regieren. Es geht um Drogenhandel, Schutzgelderpressung und dem immer währenden Traum von einem legalen Neubeginn.
    "Salam Aleikum, Shabab. Sag mal, habt ihr nichts zu tun?"
    "Entspann dich mal, Alter. Draußen ist's heiß."
    "Ich soll mich entspannen? Die Geschäfte laufen von alleine, oder was? Was ist mit der Abrechnung? Was ist mit der Grenzallee? Aber Kartenspielen könnt ihr, ja?"
    "Abas..."
    "Ich wollte, dass man weiß, wie die Sonnenallee riecht"
    Marvin Kren: "Ich wollte eine Serie haben, die man so in der Form noch nicht in Deutschland gesehen hat - vor allem nicht gerochen hat. Ich wollte, dass man weiß, wie die Sonnenallee riecht, wie es dort aussieht, wie die Leute sich dort Anziehen, wie es sich anhört. Das war die Absicht."
    Der Berliner Filmemacher Marvin Kren ist der Regisseur von "4 Blocks". Eine eigenwillige Mischung aus "Sopranos" und "The Wire". Einerseits eine klassische Mafia-Geschichte mit Lust am Genre. Andererseits eng verwurzelt im Neukölln der Gegenwart.
    "Wir haben zu 80 Prozent mit Laiendarstellern gearbeitet. Und mit einer Art dokumentarischen Kamera, aber gleichzeitig filmisch erzählt. Also wir haben eine ganz eigene Art gefunden, diese Serie zu machen. Und zum Glück geht die Nummer irgendwie auf."
    Abgesehen von Deutschland das sich endlich aus seiner Serienstarre befreit hat, sind es vor allem die osteuropäischen Länder die auf sich aufmerksam machen. HBO Europa etwa hat gerade die erste tschechische Serie produziert: "Wasteland". Eine atmosphärische Mischung aus Sozialdrama und Thriller, die in ihrer Machart an die amerikanischen Serien erinnert.
    "Was eine gute Serie braucht, ist eine originelle Idee"
    "Es kommt nicht so sehr auf das Budget an. In den USA wird viel Geld für Spezialeffekte ausgegeben. Was eine gute Serie braucht, ist eine originelle Idee."
    Die polnische Filmemacherin Agnieszka Holland hat als Regisseurin für Serie wie "House of Cards" oder "The Wire" gearbeitet. In diesem Jahr ist sie Mitglied in der Festivaljury.
    "Israel ist ein kleines Land, aber sie haben gute Ideen – und Mut. Außerdem ist es dramatisches ein Land, in dem viel passiert. Aber das trifft mittlerweile eigentlich auf jedes Land in Europa zu."
    Einer der Publikumslieblinge kommt dann aber doch aus den USA: Und es ist ausnahmsweise kein Polit-Thriller, sondern eine Serie die sich selbst nicht zu Ernst nimmt: "I love Dick" nach dem gleichnamigen feministischen Kult-Roman von Chris Kraus. Adaptiert von "Transparent"-Erfinderin Jill Soloway:
    "Dear Dick, it's about obsession. It's about me missing you, although we never met, Dick."
    Zwischen Gender-Debatte und Gesellschaftskritik
    Eine ebenso pointierte wie vielschichtige Serie zwischen Gender-Debatte und Gesellschaftskritik. Die außerdem für einen Trend dieses Festivals steht: Denn es ist das Jahr der anspruchsvollen Frauenfiguren. Frauen die nicht durch ihre Mutterrolle definiert werden, sondern unabhängige Individuen sind, die nach ihrem Platz in der Gesellschaft suchen.
    Alternativen für Lena Dunhams gerade abgeschlossene Kultserie "Girls" gibt es genug. Bleibt nur die Frage, wer diese Serien alle sehen soll? Auch das ist Thema auf dem "Séries Mania". Ernsthafte Sorgen macht sich allerdings niemand. Denn noch boomt der Serienmarkt:
    "Die Zahl der Serien nimmt jedes Jahr zu. Aber das Gleiche gilt für die Anbieter. Die Nachfrage ist also da. Es mag schon sein, dass diese Blase irgendwann explodiert, aber nicht so bald. Noch wächst die Serienindustrie."