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Serious Games
Öffentlich-rechtliche Förderung für Computerspiele?

Die Gaming-Branche boomt, fast jeder zweite Deutsche zockt zumindest gelegentlich. Doch Spiele, die auf inhaltlichen Tiefgang und Wissensvermittlung setzen, haben es nach wie vor schwer. Deshalb plädieren Entwickler für finanzielle Förderung - zum Beispiel durch eine Beteiligung am Rundfunkbeitrag.

Von Jannis Carmesin |
    Besucher stehen vor Bildschirmen auf der Computerspielemesse Gamescom in Köln
    Der Markt für Serious Games wächst (picture alliance/dpa/Oliver Berg)
    "Ich sehe, dass da Schrauben an der Wasserpumpe dran sind und kann mir jetzt einen Schraubenzieher suchen und den einsammeln."
    In einem hellen Büro in der Kölner Innenstadt klickt sich Linda Kruse durch ein buntes Level in 2D. Sie spielt eine vorläufige Version des Spiels "Serena Supergreen", dem neuen Produkt ihres Entwicklerstudios "The Good Evil". Darin jobbt Hauptfigur Serena in einem Einkaufszentrum, um sich den Urlaub zu finanzieren.
    "Das Interessante dabei ist: Sie müssen im Einkaufszentrum viele technische Aufgaben lösen und dann am Ende geht es in die Mall. Und man hat dann hoffentlich alle Fertigkeiten gelernt, um ein Windkraftrad zu reparieren. Das Spiel soll nämlich Jugendlichen technische Ausbildungsberufe näher bringen."
    In Deutschland werden Spielentwickler kaum gefördert
    Das Entwicklerstudio programmiert so genannte "Serious Games": inhaltlich anspruchsvolle Spiele, die dem Spieler vor allem Wissen vermitteln sollen. Das Spiel "Serena Supergreen" entwickeln Kruse und ihr Team im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung – eine seltene Ausnahme von öffentlicher Zuwendung.
    Während Gaming in Nordamerika oder Asien mit Direktsubventionen und Steuererleichterungen gestützt wird, fehlt in Deutschland eine breite Förderung. Das trifft längst nicht nur, aber vor allem inhaltlich wertvolle Spiele. Denn wie in der Filmbranche gilt: Wer sein Budget für inhaltlichen Tiefgang statt für Special Effects verwendet, hat es schwer – sagt Medienökonom Jörg Müller-Lietzkow.
    "Deshalb brauchen wir eben öffentliche Förderung. Weil diese Produkte im Gegensatz zu den ganz großen Blockbuster-Produkten ein gewisses Marktversagen produzieren. Die Konsumenten tragen nicht in solcher Intensität dazu bei, dass der Deckungsbetrag hoch genug ist, um die Spiele am Markt zu positionieren."
    Games als Teil des öffentlich-rechtlichen Versorgunsauftrags
    Wie könnte ein Modell aussehen, das den Markt nicht alleine den Blockbustern überlässt? Von erfolgsabhängigen Steuerentlastungen profitieren vor allem kommerzielle Titel. Andere Stimmen plädieren deshalb für eine Koppelung an die Förderung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
    Für Felix Falk vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware wäre das eine naheliegende, weil zeitgemäße, Interpretation des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags.
    "Ich glaube, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag plattformübergreifend und zielgruppenübergreifend erfüllen muss. Und da gehören meiner Meinung nach Games ganz klar dazu."
    Vereinzelt engagiert sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits im Gamingbereich. Redaktionen testen digitale Spiele als alternative Form des Storytellings und beauftragen dafür kleine Indie-Studios. Unter anderem haben der Deutschlandfunk, Arte oder das ZDF mit Games experimentiert. SWR-Redakteurin Bettina Fächer hat 2015 gemeinsam mit einem jungen Entwicklerstudio und einem Spieleautor ein Browsergame zur Geschichte Südwestdeutschlands entwickelt.
    Rundfunkrecht erlaubt Förderung von Spielen nur in bestimmten Fällen
    "Also diese ganze Möglichkeit, da spielerisch ranzugehen - ich glaube, da muss man in Deutschland einfach Hürden abbauen und nicht immer denken: Spielen ist böse, nur wenn man ernst ist, lernt man etwas. In den Games liegt Potenzial und das sollten wir alle stärker nutzen."
    Der Entwicklung von Spielen in den Anstalten werden im Rundfunkrecht allerdings klare Grenzen gesetzt, erklärt der Medienrechtler Tobias Gostomzyk.
    "Hintergrund dabei ist, dass die Rundfunkbeiträge und die Finanzierung natürlich immer erstmal im Kern bezogen sind auf die Rundfunksendung selbst. Und dass alles, was zusätzlich dazu geliefert wird, natürlich auch deswegen eine entsprechende Bindung hat."
    Aus der Staatskanzlei in Mainz, wo der Vorsitz der Rundfunkkomission liegt, heißt es: Eine weitere Öffnung ist derzeit nicht angedacht. Umso unwahrscheinlicher ist laut Medienrechtler Gostomzyk, dass in näherer Zukunft ein fester Teil des Rundfunkbeitrages für die Entwicklung vom Games zur Verfügung gestellt wird.
    Games könnten in Zukunft Teil des öffentlich-rechtlichen Angebots werden
    "Weil es eben im Kern ein Rundfunkbeitrag ist und man bei der Spielebranche in einen anderen wirtschaftlichen Bereich eingreifen würde dadurch, dass man eben Gelder zur Verfügung stellt."
    Gleichzeitig sagt Gostomzyk aber auch: Das muss nicht für immer so bleiben. Das Terrain von ARD und ZDF hat sich spätestens mit dem Jugendangebot funk erheblich weiterentwickelt – vom reinen Rundfunkprogramm zu einem Produzenten audiovisueller digitaler Inhalte. Mittelfristig könnte Gaming durchaus als Teil dieses Feldes interpretiert werden.