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Sex und Politik
Pornografie als politischer Resonanzraum

Was hat Pornografie mit Politik zu tun? Während aufgeklärte Liberale in den USA das Thema verschämt verschweigen, nutzen die Maskulinisten der sogenannten Alt-Right um Steve Bannon eine pornografische Sprache im Kulturkampf gegen ihre liberalen Gegner. Eine Sprache, die auch Donald Trump verwendet.

Von Klaus Walter |
    Das Bild zeigt Steve Bannon, den Chefstrategen von US-Präsident Trump.
    Steve Bannon bedient sich einer sexualisierten Sprache und verunglimpft seine politischen Gegner als "cucks" (AFP / Jim Watson)
    "Ich bin ein Berliner."
    John F. Kennedy 1963 vor dem Schöneberger Rathaus.
    "Mister Gorbatchow, tear down this wall."
    Ronald Reagan 24 Jahre später am Brandenburger Tor.
    "Yes we can!"
    Barack Obama bei jeder Gelegenheit. Und sein Nachfolger?
    "You can grab 'em by the pussy."
    Nicht trotz, sondern wegen rassistischer Agenda gewählt.
    Du kannst ihre Pussy begrapschen. Diesen Satz sprach Donald Trump schon vor seiner Wahl zum Präsidenten. Gewählt wurde er trotzdem. Trump hat eine rassistische Agenda? Gewählt wurde er trotzdem. Trotzdem? Ta-Nehisi Coates widerpricht. In seinem gefeierten Buch "We Were Eight Years In Power – eine amerikanische Tragödie" weist der afroamerikanische Autor mit viel Zahlenmaterial nach, dass Trump nicht trotz, sondern wegen seiner rassistischen Agenda gewählt wurde. Auch Dank Steve Bannon, Drahtzieher im Wahlkampf und zentrale Figur der sogenannten Alt-Right, der Neuen Rechten in den USA. Als Rassist bezeichnet zu werden, ist für Bannon nichts Negatives.
    Die Perversion weißer Vorherrschaft
    "Sie nennen dich Rassist? Sie nennen dich xenophob? Dann trag es wie ein Ehrenabzeichen", so Bannon im Frühjahr vor der Front National in Frankreich. Der Stratege der Alt-Right propagiert die weiße Vorherrschaft, White Supremacy. Dazu schreibt Ta-Nehisi Coates:
    "White Supremacy hatte schon immer eine perverse sexuelle Note. Insofern passt es, dass Trumps Aufstieg von Stephen Bannon begleitet wurde, einem Mann, der seine männlichen weißen Kritiker als 'Cucks' verhöhnt."
    Cucks? Was ist das? Veronika Kracher erforscht die Geschlechterideologie der neuen Rechten:
    "Der Begriff 'Cuck' ist zu einem geflügelten Wort innerhalb der Alt-Right geworden. Ursprünglich bezeichnet er einen Mann, der von seiner Frau betrogen wird. Seine Verwendung speist sich jedoch vor allem aus dem Fetisch des "Cuckolding", bei dem ein Mann Erregung daran findet, dass seine Frau vor seinen Augen Geschlechtsverkehr mit anderen Männern hat. In der Mainstream-Pornographie ist dies in der Regel ausgesprochen rassistisch aufgeladen: Eine weiße Frau wird von als triebhaft inszenierten schwarzen Männern penetriert, während der ebenfalls weiße Ehemann dies fasziniert verfolgt."
    Paula-Irene Villa ist Professorin am Institut für Soziologie der Uni München, Schwerpunkt Gender:
    "Die Figur 'Cuck' wird umgangssprachlich verwendet, um einen schwächlichen Mann zu bezeichnen - einen jämmerlichen, verweichlichten, kurzum: effeminierten, unrichtigen Mann. Die Bezeichnung spricht dem so Bezeichneten richtige, eigentliche, starke Männlichkeit ab. 'Cucks', auch 'Cuckservatives' sind in dieser Rhetorik - etwa bei Bannon - zu sehr an einen vermeintlich feministisch-liberalen Mainstream angepasst."
    Die Zerschlagung des feministisch-liberalen Mainstreams
    Der feministisch-liberale Mainstream - er muss zerschlagen werden. Dazu braucht es eine maskuline, grenzüberschreitende, unsentimentale Gegenkultur.
    Veronika Kracher: "Wenn Steve Bannon den Begriff 'Cuck' verwendet, möchte er seine politischen Gegner entmannen und der Lächerlichkeit preisgeben. Der Begriff impliziert, die sogenannten 'Cucks' seien außerstande mit der Virilität und dem Chauvinismus von Donald Trump und seinen Fans mitzuhalten."
    Das also hat der Feminismus und die angebliche Diktatur der politischen Korrektheit aus dem einst so stolzen weißen Mann gemacht: Weicheier, Warmduscher, Schattenparker, Sitzpinkler, Schwanzlutscher – 'Cucks' eben. Bei der Neuen Rechten dient die Pornografie als Resonanzraum. Die Genderforscherin Paula-Irene Villa diagnostiziert eine Pornifizierung der Politik durch die maskulinistische Neue Rechte, nicht nur in den USA.
    "Auch an Putin, Berlusconi oder Bolsonaro ließ beziehungsweise lässt sich eine Pornifizierung beobachten. Pussy Grabbin’ und die obszöne Diffamierung zum Beispiel von LGBTQI*-Menschen, also derer, die anders lieben und begehren, als die Norm es will, aber auch die Bagatellisierung sexualisierter Gewalt."
    In Zeiten von #MeToo werden wir empfänglicher für die verschiedenen Symptome einer Pornifizierung der Politik. Einerseits. Andererseits befinden sich Machtmänner auf dem Vormarsch, Maskulinisten, die sich der Logik von Herrschen und Beherrschtwerden verschrieben haben.
    Paula-Irene Villa: "Wird diese politische Logik sexualisiert, wirkt das rasch wie ein handelsüblicher schlechter Porno."
    Nach dieser Logik ist Donald Trump der erste Präsident, der seinen historischen Signatursatz schon vor seiner Wahl gesprochen hat.
    "You can grab'em by the pussy."