Neun Frauen haben Opernstar Plácido Domingo vorgeworfen, sie sexuell belästigt zu haben. In den USA wurde der Sänger daraufhin von mehreren Opern und Orchestern ausgeladen. Der Intendant der Deutschen Oper Berlin, Dietmar Schwarz, zeigte dafür im Interview Unverständnis. Er würde Plácido Domingo "auf alle Fälle" in seinem Haus auftreten lassen, sagte er im Dlf. Die Deutsche Oper sei mit dem Startenor derzeit in Vertragsverhandlungen.
Das Thema sei vielschichtig und komplex. Die Vorfälle lägen alle 30 Jahre zurück und seien "alle nicht justitiabel. Es sind anonyme Äußerungen, die finde ich immer sehr problematisch. Und solche Verurteilungen haben, glaube ich - und das ist die Gefahr aktuell in unserer Zeit - durch eine Aufgeheiztheit der Medien, vor allem der Social Media, Konsequenzen, die in eine andere Richtung gehen."
"Es ist aus meiner Sicht übertrieben"
Die #metoo-Debatte sei "sehr wichtig" für die Gesellschaft und auch die Opernhäuser, so Schwarz. Aber mit Domingo treffe die Debatte einen Menschen mit einem "unglaublich großen Charisma", dem die Frauen sein ganzes Leben lang "hinterhergelaufen" seien. "Er hat niemandem wirklich etwas angetan, wo ein Leben zerstört worden wäre - ich war nie dabei, ich weiß es nicht. Aber es ist aus meiner Sicht übertrieben."
Er kenne Domingo nicht gut, habe ihn aber ein paar Mal erlebt. "Dieser Mensch, wie er mir begegnet, ist so voller Charisma und eine menschlich so ok wirkende Persönlichkeit." Der Sänger habe eine sehr positive Ausstrahlung.
Der Deutsche Bühnenverein habe einen Verhaltenskodex erstellt. Darin sei ganz klar festgehalten, dass die Zeiten "des Macho-Mannes, der noch mehr Anerkennung bekommt, wenn er Frauen verführt", vorbei seien. Wenn sich bei ihm eine junge Sängerin melden würde, die sich von einem großen Star der Branche bedrängt fühlte, dann würde er sofort das Gespräch mit beiden suchen, so Schwarz.
"Ein bisschen lächerlich"
Die von den neun Frauen geschilderten unerwünschten Zungenküsse finde er "ein bisschen lächerlich. Die Tatsache als solche finde ich ist nicht so vehement", wie es in der Gesellschaft teilweise gesehen werde.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.