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Sexismus im Sportjournalismus
Frauen in der Kabine

Weibliche Journalisten haben es auch heute noch schwer, in der von Männern dominierten Sportwelt akzeptiert zu werden. Doch das ist nichts gegen das, was die ersten Reporterinnen in den USA erlebten. Denen schlug von Athleten, Managern und Berufskollegen offene Diskriminerung und Frauenhass entgegen. Ihr Kampf um Gleichbehandlung währte Jahre. Ein Stück Geschichte, für das sich nun zum ersten Mal auch Hollywood interessiert.

Von Jürgen Kalwa |
    An einem Montagabend im Juni 1986 hatte Susan Fornoff endlich die Nase voll. Im Verlaufe vieler Monate war die Sportreporterin immer wieder von demselben Baseballspieler der Oakland A’s mit Missachtung und mit Spott behandelt worden. Und nun auch noch das: ein rosa Pappkarton, in dem eine kleine Ratte herumhuschte, mit einer Karte an der Hinterpfote, auf der stand: "Ich bin Sue".
    Sie beschwerte sich bei den Club-Verantwortlichen über den Spieler. Was für Schlagzeilen sorgte, denn Dave Kingman – so heißt er – wurde mit einer Geldstrafe von 3.500 Dollar belegt.
    "Solange sie hier ist, werde ich gar nichts sagen"
    Jahre später schrieb Susan Fornoff ein Buch über ihre Erfahrungen und berichtete darin zum ersten Mal über all die Mannestaten von Kingman, der sich konsequent und ganz offen weigerte, mit weiblichen Sportjournalisten zu reden. Darunter nach einem Spiel, als er er dem wissbegierigen Pulk der Journalisten um ihn herum klipp und klar zu verstehen gab:
    "Er sagte: 'Solange sie hier ist, werde ich gar nichts sagen.' Ich habe meine Kollegen angeschaut. Alle haben den Mund gehalten. Da bin ich gegangen."
    Die Behandlung von damals weckt selbst Jahre später noch in völlig unbeteiligten Menschen ziemlich starke Emotionen. Weshalb Hollywood-Regisseur James Turteltaub, der einst die Abenteuer der jamaikanischen Bobfahrer auf die Leinwand brachte, seit ein paar Monaten an der Verfilmung des Stoffs arbeitet. Fornoff hatte ihn vor etwas mehr als 20 Jahren unter dem Titel "Lady in the Locker Room" – Frau in der Umkleidekabine – zu Papier gebracht.
    Wie sehr dieser Aspekt der Sexismus-Thematik in die Zeit passt, zeigte vor kurzem der Fernsehsender ESPN mit einem Dokumentarfilm. Titel: "Let them Wear Towels". Ein Projekt, in dem eine unverhohlene Feindseligkeit gegenüber Frauen freigelegt wird. Und jene absurden Begründungen, mit denen männliche Journalisten rechtfertigten, weshalb sie in die Kabine durften, in denen amerikanische Reporter traditionell nach dem Spiel ihre Interviews führen, ihre Kolleginnen jedoch nicht.
    Maury Allen von der New York Post erklärte damals:
    "Ich befürchte, dass durch die Frauen das Vergnügen am Sport abnehmen wird. Die Sportler werden sehr, sehr gehemmt sein. Und das wird schlecht für alle Beteiligten sein."
    Moderner Spießrutenlaufen
    Das lange Tauziehen um den Zugang zur Umkleidekabine wurde zu einem symbolträchtigen Schauspiel, mit dem eine Gesellschaft die Frage abhandelte: Was wiegt eigentlich schwerer? Prüderie und altes Rollenbild oder der Anspruch von Frauen auf Gleichbehandlung in einer von Männern dominierten Welt?
    Doch selbst als ein Gericht dafür sorgte, dass die Türen zu den Umkleidekabinen endlich überall geöffnet werden mussten, ging das Powerplay weiter. In manchen Stadien ähnelte es einem modernen Spießrutenlaufen.
    "In Cleveland musste man, wenn man nach dem Spiel mit dem Cheftrainer reden wollte, durch die Duschen gehen", erinnert sich Susan Fornoff, die heute eine Webseite über Golf mit der Zielgruppe Frauen betreibt. "Das war schrecklich. Auch für die anderen Journalisten, die sahen, dass ich da durch musste. Und für die Spieler."
    Nur wenige Frauen besaßen die Geistesgegenwart jener Reporterin, vor der sich eines Tages ein Koloss von einem Football-Profi nach einem Spiel nackt aufbaute. Eine Geschichte, die an Journalistenstammtischen noch immer die Runde macht.
    "Mark Gastineau von den New York Jets zog das Handtuch zur Seite, das er um die Hüfte trug und fragte: 'Weißt du was das ist?' 'Sieht aus wie ein Penis', sagte sie. 'Nur kleiner.' "
    "Willst du mal anfassen?"
    Lisa Olson, die Anfang der neunziger Jahre für den Boston Herald über die Footballmannschaft der New England Patriots schrieb, erlebte vermutlich den härtesten Fall von sexueller Nötigung. Mehrere Spieler bauten sich eines Tages nach einem Training in der Kabine während eines Interviews mit einem Mannschaftskollegen nackt vor ihr auf und spielten mit ihren Geschlechtsteilen. Einer fragte: "Willst du mal anfassen?"
    Als die Sache an die Öffentlichkeit kam, erhielt Olson Drohanrufe. Unbekannte brachen in ihre Wohnung ein. Und sie zog lieber für mehrere Jahre nach Australien. Und obwohl die Liga und das Team Strafen verhängten, wurde eines deutlich: Wenn Frauen Opfer sexistischer Angriffe werden, müssen sie mit allem rechnen – vor allem, wenn sie sich zur Wehr setzen.
    Wie sieht es heute aus? Juliet Macur, Sportkolumnistin bei der New York Times, deren Buch über Lance Armstrong – "Cycle of Lies" – vor ein paar Tagen in den USA erschienen ist, hat am Anfang ihrer Karriere über NFL-Mannschaften geschrieben:
    "Sie sind inzwischen daran gewöhnt, uns in der Umkleidekabine zu sehen. Aber ob sie uns genau so ernst nehmen wie die männlichen Journalisten, da habe ich meine Zweifel. Ich bin sicher, dass sie über Reporterinnen schlimme Sachen sagen, sobald die Türen zugehen und wir alle die Kabine verlassen."
    Weshalb auch nur die taffsten den Stress eines solchen Jobs durchhalten. Und weshalb die Zahlen eine simple Sprache sprechen. Keine fünf Prozent der amerikanischen Sportjournalisten sind Frauen.