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Sexualisierte Gewalt im Boxsport
"Schwierig für Opfer, Gehör zu bekommen"

Zeitungsrecherchen haben Verdachtsfälle von sexualisierter Gewalt im Boxsport in Baden-Württemberg offengelegt. Nadine Apetz, selbst Boxerin und ehemalige Athletensprecherin, fordert strukturelle Veränderungen. „Da fehlt noch ganz viel Arbeit“, sagte die 34-Jährige im Dlf.

Nadine Apetz im Gespräch mit Astrid Rawohl |
Boxhandschuhe hängen über das Seil eines Boxrings.
In Baden-Württemberg soll es zu Fällen sexueller Gewalt gegen Boxerinnen gekommen sein. (picture-alliance / ASA / Stefan Matzke)
Recherchen von Stuttgarter Nachrichten und Stuttgarter Zeitung haben Verdachtsfälle von sexualisierter Gewalt im olympischen Boxen in Baden-Württemberg offengelegt. Betroffen seien mehrere im Leistungssportbereich tätige Personen.
"Das Ausmaß hat mich schon überrascht", sagte Nadine Apetz, selbst Boxerin auf dem Weg zu den Olympischen Spielen, im Deutschlandfunk. "Das ist ein Riesenskandal, wenn sich das bewahrheiten sollte. Das ist etwas, was man dringend angehen muss." Bis Ende Oktober war Apetz sogar Athletensprecherin im Deutschen BoxVerband, dennoch habe sie von den mutmaßlichen Vorfällen nichts mitbekommen. "Ich denke, in diesem Themenbereich ist es für die Opfer sowieso sehr schwierig, Gehör zu bekommen. Dann ist es im Verband auch durch die Abhängigkeitssituation nicht einfach, gegen die zu wettern, von denen die eigene sportliche Karriere abhängt. Da fehlt noch ganz viel Arbeit, um den Weg für die Opfer zu erleichtern", sagte Apetz. Es müssten neutrale Stellen geschaffen werden, an die sich Opfer wenden können, so die 34-Jährige. Dazu müssten auch in Trainer-Lehrgängen die Sinne geschärft werden, um eine "Kultur des Hinschauens" zu schaffen.
Boxerin Nadine Apetz (2017)
Boxerin Nadine Apetz (xFuturexImage/imago)
Rahmenbedingungen begünstigen Übergriffe
Stattdessen gebe es aktuell Rahmenbedingungen, die Übergriffe begünstigten. Zum Beispiel, dass Athletinnen sich mit Trainern ein Zimmer teilten, oder sich komplett unbekleidet auf die Waage stellen müssten. "Das darf nicht sein", sagte Apetz, die selbst allerdings keine solchen Erfahrungen gemacht habe. "Das ist völlig unverständlich für mich, wie man so etwas organisieren kann. Ich weiß nicht, ob das von oben noch reglementiert werden muss. Anscheinend reicht da gesunder Menschenverstand nicht."
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"Kultur der Achtsamkeit entwickeln"
Michael Leyendecker ist zum neuen Vorsitzenden der Deutschen Sportjugend gewählt worden. Überzeugen möchte er mit besseren Bedingungen für Engagement, Nachhaltigkeit und besserem Schutz gegen sexualisierte Gewalt.
In Baden-Württemberg koordiniert die Staatsanwaltschaft Heidelberg inzwischen die Ermittlungen, die Polizei habe Zeugen vernommen, eine Person habe die Vorwürfe zurückgewiesen. Hier sei das Problem gewesen, dass die zuständige Ansprechpartnerin für die Opfer eine Verbindung zum Verband hatte. Zwar wolle Apetz das explizit nicht kritisieren. "Im jüngsten Fall hat man nun aber gesehen, dass das auch Schwierigkeiten mit sich bringen kann. Da muss man lernen, dass solche Stellen, wo man im schlimmsten Fall gegen die eigenen Leute vorgehen muss, lieber von neutralen Personen besetzt werden."
Verein "Athleten Deutschland" als Anlaufstelle
Wie Apetz berichtete, arbeitet der Verein "Athleten Deutschland", bei dem Apetz auch Mitglied ist, bereits in diese Richtung. "Athleten Deutschland bietet an, dass sie als Anlaufstelle dienen können, gerade auch in solchen Fällen. Die können dann an die entsprechenden Stellen vermitteln. Sie plädieren auch dafür, dass es eine bundesweite, sportübergreifende und neutrale Anlaufstelle geben sollte, wo sich Athletinnen und Athleten auch komplett ohne Angst hinwenden können. Das finde ich super", so Apetz. Das Projekt sei jedoch erst in den Anfängen.