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Sexualisierte Gewalt im Sport
Athletenvertretung präsentiert Plan für unabhängige Anlaufstelle

Im Sport fehlen oft die Strukturen, um effektiv gegen sexualisierte Gewalt vorgehen zu können. Der Verein "Athleten Deutschland" regt nun an, ein unabhängiges "Zentrum für Safe Sport" zu gründen. Das neue Impulspapier ist der bisher umfangreichste Vorschlag, wie eine Anlaufstelle aussehen könnte.

Von Andrea Schültke |
Kinder laufen über eine Laufbahn, zu sehen sind nur die Beine, unscharf.
Die Idee einer unabhängigen Anlaufstelle für betroffene Athletinnen und Athleten wurde schon im Oktober öffentlich benannt. (Thomas Imo/imago)
Eine Vision auf fast 20 Seiten. Das ist das Impulspapier von Athleten Deutschland. Darin beschreibt die Interessenvertretung das "Zentrum für Safe Sport" als unabhängige vertrauenswürdige Anlaufstelle:
"Für betroffene Beteiligte, aber eben auch für Verbände und Sportorganisationen. Denn auch die brauchen oftmals Unterstützung, sind oftmals auch im Ehrenamt überfordert", erläutert Maximilian Klein. Er hat das Papier für Athleten Deutschland maßgeblich entwickelt. "Das Zentrum soll für alle Beteiligten eine unabhängige, kompetente und auch bekannte Anlaufstelle sein."

Ähnliches Konzept wie bei der Nada

Der Verein schreibt damit eine Idee fort, die vor vier Monaten erstmals öffentlich diskutiert wurde, bei einer Veranstaltung der Aufarbeitungskommission der Bundesregierung zu sexualisierter Gewalt im Sport. Dort plädierten Betroffene, Wissenschaftlerinnen und auch Maximilian Klein von Athleten Deutschland für eine unabhängige Anlaufstelle - ahnlich wie die Nationale Anti Doping Agentur Nada im Bereich Doping.
Dieses Zentrum solle den organisierten Sport bei seiner Arbeit am Thema sexualisierte Gewalt unterstützen. Als Beispiel nennt Klein den Bereich Intervention: "Wenn es einen akuten Fall gibt und vielleicht auch Ehrenamtliche gar nicht wissen, wie sie damit richtig umgehen müssen, dann müssen sie sich im Zweifel dann an eine unabhängige Stelle wenden, die dann auch Koordinierung übernimmt und im Zweifel eingreifen kann." Das gleiche gelte für den Bereich der Aufarbeitung, so Klein. "Es ist wichtig, dass hier auch systematische Aufarbeitung im Sport vonstatten geht, aber eben auch unabhängig."

Unterstützung für Betroffene sexualisierter Gewalt

Die Idee einer unabhängigen Anlaufstellte ist nicht neu. Aber Athleten Deutschland hat sie kompakt zusammengefasst: Angereichert mit dem Blick ins Ausland und dortigen Bemühungen um ähnliche Strukturen, untermauert mit wissenschaftlichen Daten und gestützt durch Erfahrungen Betroffener. Während diese bisher als Einzelkämpfer*innen ihre Idee einer solchen Anlaufstelle thematisiert haben, bekommen sie durch das Impulspapier wichtige Unterstützung der unabhängigen Interessenvertretung der Athlet*innen in Deutschland.

Bundesinnenministerium stehen bisher keine Mittel zur Verfügung

Der Verein kann durch seine Kontakte zu Entscheidungsträger*innen nun die Stellen erreichen, die für eine Umsetzung der Idee eines "Zentrum für Safe Sport" sorgen könnten, etwa das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium. Das hatte Ende Januar auf eine Anfrage des Deutschlandfunks zur Finanzierung einer solchen Stelle noch so reagiert:
"Mittel für eine finanzielle Förderung einer unabhängigen Anlaufstelle stehen im Haushalt des BMI gegenwärtig nicht zur Verfügung."
Um die Unabhängigkeit der Anlaufstelle zu gewährleisten, stellen die Athleten eine Finanzierung durch Bund, Länder und den organisierten Sport zur Diskussion. Letzterer hatte in Person von DOSB-Vizepräsidentin Petra Tzschoppe Ende Januar, vor Bekanntwerden des Athletenpapiers, eine unabhängige Anlaufstelle begrüßt.
Petra Tzschoppe (Mitte) und Maximilian Klein (2.v.r) diskutieren beim Hearing im Oktober mögliche Lösungen.
Petra Tzschoppe (Mitte) und Maximilian Klein (2.v.r) diskutieren beim Hearing im Oktober mögliche Lösungen. (Andrea Schültke / Deutschlandradio )
Im Deutschlandfunk sagte Tzschoppe, der Gedanke sei auf jeden Fall zu unterstützen, "entbindet aber definitiv nicht Vereine und Verbände davon, auch selbst ein Klima zu schaffen, in dem eine Offenheit und Vertrauen herrscht und wo Personen, die dann in irgendeiner Art und Weise sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern, Jugendlichen oder auch gegenüber Erwachsenen ausüben, wo die in ihrem Tun auch kontrolliert und gebremst werden."

Eine Vision für eine Anlaufstelle

Mit seinem Impulspapier schafft der Verein Athleten Deutschland eine Diskussionsgrundlage; skizziert einen Rahmen, eine Vision, wie die Anlaufstelle organisiert, was ihre Aufgaben und Ziele sein könnte. Er listet Schwachstellen in der bisherigen Arbeit des organisierten Sports und der Politik am Thema auf. Etwa, dass die finanzielle Förderung an Schutzkonzepte gekoppelt ist, die Umsetzung dieser Konzepte aber niemand überprüft. Aber auch Erfolge etwa in der Präventionsarbeit sind Thema des Papiers.
"Es ist nur so, dass es einige Bereiche gibt, bei denen wir jetzt auch im Gespräch mit unseren Mitgliedern und auch mit Betroffenen gemerkt haben, dass es eben Stellen geben muss, die unabhängig sind", so Maximilian Klein. "Selbst wenn sie im Sport Stellen benennen, dann haben die oft keine Glaubwürdigkeit und werden von Betroffenen nicht als unabhängig wahrgenommen."

Impulspapier als Grundlage für Diskussionen

Der Verein schlägt im Impulspapier eine Machbarkeitsstudie vor und eine Pilotphase für die unabhängige Anlaufstelle im Leistungssport. Aufgrund der dort gewonnenen Erkenntnisse könnte eine Übertragung auf den Breitensport erfolgen.
"Wir wollen mit unserem Papier vor allem einen ersten Diskussionsbeitrag leisten und ich glaube, es ist jetzt ganz wichtig, dass wir mit allen Beteiligten - und das schließt vor allem die Betroffenen und ihre Vertreter mit ein - dass wir da einen ergebnisoffenen und konstruktiven Dialog haben und dass wir am Ende vor allem auch über Lösungen sprechen und diese auch umsetzen", hofft Klein.