Die Hälfte aller Mädchen und 60 Prozent der Jungen sind in einem Sportverein aktiv. Der organisierte Sport in Deutschland bezeichnet sich selbst gern als größten Träger der Kinder- und Jugendarbeit im Land.
"Warum sollte dort keine sexuelle Gewalt passieren. Das müssen wir leider realistisch sehen. Von daher gehe ich davon aus, dass wir auch entsprechende Erfahrungen erheben werden."
Bettina Rulofs, Sportsoziologin von der Universität Wuppertal leitet die Studie mit dem Titel "Sexualisierte Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt im organisierten Sport in NRW" gemeinsam mit Wissenschaftlern von der Uniklinik Ulm. In dieser Kombination hatten sie vor vier Jahren bereits Zahlen zum Leistungssport erhoben. Damals hatten ein Drittel der befragten Nachwuchsathletinnen und -athleten gesagt, sie hätten in ihrer Karriere eine Form sexualisierter Gewalt erlebt. Da reichte das Spektrum von verbalen Übergriffen über ungewollte Berührungen bis hin zur Vergewaltigung.
"Täter haben einen leichten Zugang"
Im Leistungssport seien die Abhängigkeitsverhältnisse etwa zwischen Trainer und Athlet größer als im Breitensport. Daher legen die Forschenden in der neuen Studie ein Augenmerk auf das Thema Ehrenamt. Breitensportvereine sind auf Ehrenamtliche angewiesen:
"Und somit sind hier auch die Eintrittshürden für diejenigen, die gegebenenfalls Missbrauch begehen möchten, relativ gering. Das heißt, im Grunde genommen haben Täter im Sportverein einen recht leichten Zugang zu Kindern und Jugendlichen. Das könnte eine besondere Rolle spielen im Breitensport, weshalb wir auch dazu dringend Daten benötigen."
Darüber hinaus werden Verbände befragt zu ihren Präventionskonzepten und wo sie Unterstützung brauchen.
Außerdem sollen Betroffene in die Arbeit eingebunden werden. Das liegt Sportsoziologin Birgit Palzkill besonders am Herzen. Sie ist beim Landessportbund NRW Beauftragte zum Schutz vor Sexualisierter Gewalt und betont, der LSB würde Menschen mit Gewalterfahrungen im Sport gern als Expertinnen und Experten gewinnen:
"Betroffene haben natürlich ein sehr großes Wissen darüber, wie zum Beispiel Täter agieren. Warum zum Beispiel Vereinsvorstände nicht eingegriffen haben und so weiter und so fort. In der Studie werden Hinweise darauf gegeben, dass wir solche Betroffenen suchen zur Mitarbeit. Und wir hoffen, dass dann Betroffenenrat entsteht, der uns berät, wie wir weiter mit dem Thema umgehen können."
Zwischenergebnisse gibt es im Herbst 2021, den Abschlussbericht in zwei Jahren.