Das Münchner Erzbistum München hat am 4. Juni mitgeteilt, dass Kardinal Marx dem Papst seinen Rücktritt angeboten hat. In seinem Brief vom 22. Mai 2021 an Franziskus und einer weiteren Erklärung führt Marx seine Gründe für diesem Schritt aus.
Kardinal Marx sieht die Kirche an einem "toten Punkt" und er gibt - auch wenn er es nicht so nennt – zu, einer der Totengräber gewesen zu sein. Reinhard Marx ist seit 20 Jahren Bischof. 2002 kam er nach Trier, ging dann nach München. Er sitzt im Beratergremium des Papstes. Damit ist er qua Amt Teil dieses Systems der Missachtung der Missbrauchsopfer, des Täterschutzes und der Vertuschung. Unter seinem Vorsitz der Bischofskonferenz hat es kaum Aufarbeitung gegeben. In einem veröffentlichten Brief an den Papst schreibt er: "Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten".
Bei einer Pressekonferenz im Jahr 2018 antwortete Marx auf die Frage nach persönlicher Verantwortung der Bischöfe mit einem "Nein". Diese Frage scheint über Jahre in Kardinal Marx gearbeitet zu haben: Aus dem Nein wurde nun ein Ja.
Marx bezieht sich in seiner Erklärung ausdrücklich auf die 2018 gestellte Frage: "Auch hier habe ich im Nachgang immer stärker gespürt, dass diese Frage nicht einfach beiseitegeschoben werden kann." Bereits damals konnte dieses Nein nicht als inhaltliches Nein verstanden werden, also nicht im Sinne von "Wir haben keine Schuld auf uns geladen", sondern als Abwehr und als Aussage, dass diese Frage unstatthaft ist. Nun schreibt Marx von persönlicher Mitschuld und Verantwortung. Er spricht von möglichen Fehlern, die er gemacht, wird dabei aber nicht konkret.
Aus der Pressekonferenz 2018
Das Rücktrittsangebot des Kardinals ist ein Signal an Rainer Maria Woelki, der als Erzbischof in Köln den Zeitpunkt für einen souveränen Rücktritt verpasst hat. Das Erzbistum Köln ist durch den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kritik. Zwei Bischöfe, die der Papst entsandt hat, sollen das Bistum nun überprüfen.
Marx' Rücktrittsangebot ist nicht nur ein Signal an den Kardinalskollegen, sondern an alle Amtsbrüder - auch an die sogenannten Liberalen, die seit Jahrzehnten nur scheibchenweise das zugeben, was Medien ihnen nachweisen. Marx tritt nicht stellvertretend für alle Kardinale zurück und könnte damit eine ganze Rücktrittsserie auslösen. "Um Verantwortung zu übernehmen, reicht es aus meiner Sicht nicht aus, erst und nur dann zu reagieren, wenn einzelnen Verantwortlichen aus den Akten Fehler und Versäumnisse nachgewiesen werden, sondern deutlich zu machen, dass wir als Bischöfe auch für die Institution Kirche als Ganze stehen", schreibt Marx an den Papst.
Bislang hat Kardinal Marx dem Papst ein Angebot zum Rücktritt gemacht. Es bleibt somit abzuwarten, wie Papst Franziskus darauf reagiert. Trotzdem ist der Fall eine Sensation und könnte ein Beben auslösen, dessen Wirkung jetzt noch nicht absehbar ist – für die Kirche in Deutschland und vielleicht auch für die Kirche weltweit. Denn so ein Kardinal ist keine Kleinigkeit.