Es geht um Macht, Geld und möglicherweise um das Vertuschen von Straftaten: Das US-Justizministerium ermittelt weiträumig in Fällen von sexuellem Missbrauch bei olympischen Teams des US-Sports, schreibt das Wall Street Journal.
"Medaillen waren wichtiger als Moral"
Den Ermittlungen geht ein Bericht des US-Kongresses aus diesem Sommer voraus. Darin kommen Politiker wie Senator Blumenthal von den US-Demokraten zum Ergebnis, dass Organisationen wie das Olympische Komitee der Vereinigten Staaten junge Sportlerinnen nicht ausreichend geschützt haben: "Medaillen und Geld waren wichtiger als Moral", so Blumenthal, "sie haben ihren eigenen Ruhm über das Wohl der Athleten gestellt. Das Ergebnis war zerstörerisches, anhaltendes Unheil, das sie hätten stoppen können."
Blumenthal erklärte im Fernsehsender NBC, Organisationen wie das Olympische Komitee aber auch die Strafverfolgungsbehörde FBI hätten grundlegend versagt.
Ausgangspunkt ist der größte Missbrauchsskandal in der Geschichte des US-Sports. Der Arzt des US-amerikanischen Turnverbandes, Larry Nassar, hatte hunderte Sportlerinnen missbraucht. Er war Anfang 2018 zu einer Haftstrafe bis ans Lebensende verurteilt worden.
Hundertfacher Missbrauch
Während des Prozesses hatten etwa 150 Opfer des Straftäters ausgesagt. Auch die Olympiasiegerin Simone Biles hatte erklärt, sie sei von Nassar misshandelt worden. Aber Rachael Denhollander war es, die mit ihren Berichten die Affäre ein Jahr früher überhaupt erst ans Licht gebracht hatte. Sie machte im Prozess nicht nur Nassar verantwortlich:
"So schaut es aus, wenn Institutionen eine Umgebung schaffen, in der ein Straftäter ohne Sorgen aufblühen kann. Und so schaut es aus, wenn Menschen in Führungspositionen nicht zuhören, Freundschaften über Wahrheit stellen und versäumen, die zur Verantwortung zu ziehen, die Straftaten ermöglichen."
In der Folge einigten sich die Michigan State Universität, an der Nassar angestellt war, und die Verteidiger der Betroffenen auf Entschädigungszahlungen von insgesamt 500 Millionen US-Dollar. Jetzt verhängte das US-Bildungsministerium noch zusätzlich eine Strafzahlung von 4,5 Millionen US-Dollar. Der US-Kongress hat Gesetze zum besseren Schutz von Athleten verabschiedet. Es gibt eine neue Meldepflicht, erklärte Senatorin Feinstein schon im Januar 2018:
"Es wird zur Pflicht für jeden Vertreter einer Bundesbehörde oder einem landesweiten Sportverein für Amateure, sexuellen Missbrauch innerhalb von 24 Stunden bei Strafverfolgungsbehörden oder Sozialeinrichtungen zu melden."
Wurde Missbrauch auch in anderen Olympia-Teams gedeckt?
Aber noch immer sind nicht alle Details, alle Verantwortlichen und der gesamte Umfang des Skandals aufgeklärt. Das zumindest hat der Untersuchungsbericht von Senator Blumenthal und anderen Kongressabgeordneten gezeigt.
Einheiten des Justizministeriums, die zu Geldwäsche und Kindermisshandlung ermitteln, und das Büro der Bundesstaatanwaltschaft in Washington D.C. haben jetzt Vorladungen verschickt, zum Beispiel an das Olympische Komitee und eine neu gegründete Organisation zum Schutz von Athleten vor Übergriffen.
Ermittelt wird, ob Fälle von Missbrauch auch in anderen Olympia-Teams gedeckt worden sind, schreibt das Wall Street Journal. Die Ermittler konzentrieren sich zudem auf frühere Funktionäre des US-Turnverbandes. Haben sie Fälle von Missbrauch und unethischem Verhalten in der Zeit ihrer aktiven Laufbahn absichtlich gedeckt?
Und schließlich soll geklärt werden, wie das FBI mit den Hinweisen auf sexuelle Übergriffe im Fall Nassar in den Jahren 2015 und 2016 umgegangen ist. Seit wann die Ermittlungen laufen und wie lange sie noch dauern, dazu ist nichts bekannt.