Sie hat in vielen Teilen der Welt Fußball gespielt. Nicht nur in Vancouver, der Stadt, in der sie geboren ist. Ihre sportlichen Abstecher führten sie in die USA, nach Dänemark und Norwegen sowie nach Australien. Dazu kamen Länderspiele, die sie im Trikot von Irland bestritten hat – der Heimat ihrer Eltern.
Ciara McCormack hat dabei jede Gelegenheit genutzt, sich ein profundes wissenschaftliches Rüstzeug zuzulegen. Sie dürfte deshalb zu den wenigen Fußballerinnen auf der Welt mit insgesamt drei Masters-Abschlüssen gehören.
Ihr Name fällt allerdings in diesen Tagen vor allem in einem ganz bestimmten Zusammenhang: Wenn es um einen Missbrauchs-Skandal im kanadischen Fußball geht, der hohe Wellen schlägt. Er ist ein neuerlicher Beleg dafür, dass verantwortliche Funktionäre regelmäßig versagen, wenn es darauf ankommt, Betroffene zu schützen. Und Übeltäter aus dem Verkehr zu ziehen.
Missbrauch begann vor zehn Jahren
Der erste Teil dieser Geschichte liegt schon mehr als zehn Jahre zurück, sagt die 39-jährige, die schon damals als Fürsprecherin der betroffenen Frauen auftrat, die sich im Teenager-Alter befanden und weder die Courage noch die Möglichkeiten besaßen, sich gegen ihren Trainer zu wehren.
"Eine Spielerin wurde in einem Hotelzimmer hinter verschlossener Tür gefragt, was sie tun würde, um in die Startaufstellung zu kommen. Ein anderes Team-Mitglied erhielt SMS-Nachrichten vom Trainer mit unpassenden sexuellen Anspielungen. Und schließlich sah jemand, wie er eine Spielerin am Oberschenkel berührte, was man nur als sexuelle Annäherung deuten konnte."
Expliziter Blogartikel
Die vielen Details des Falls sind in einem langen Blog-Text auf ihrer Webseite nachzulesen, der so explizit und gut geschrieben ist, dass er den Ball ins Rollen brachte. McCormack selbst gehörte zwar nicht zu jenen, auf die es der Trainer mit seinen manipulativen Machtspielchen abgesehen hatte. Aber als sie sich damals intern für die Betroffenen einsetzte, galt sie von da an als Persona non grata. Den erhofften Platz in der kanadischen Nationalmannschaft konnte sie sich abschminken. Nur deshalb landete sie im irischen Team.
Der fragliche Trainer hingegen behielt noch ein Jahrzehnt unbehelligt seine einflussreiche Position in der Frauen-Fußballabteilung der Vancouver WhiteCaps, die als Schaltstelle für die Förderung im Nationalkader von Bedeutung war. Inzwischen wurde er suspendiert. McCormack:
"Was positiv ist: Das Thema wird öffentlich breit diskutiert. Auch unter Leuten, die nichts mit Frauenfußball zu tun haben. So wie die Fans der Männermannschaft der Vancouver WhiteCaps. Ausländische Medien berichten. Und die örtlichen Medien ebenfalls."
Zu Ende scheint die Sache damit nicht. Im Gegenteil: Zuschauer der WhiteCaps verließen am Freitag bereits zum zweiten Mal in einem Heimspiel im Rahmen einer Protestaktion demonstrativ während eines Teils der Spiele die Arena.
Neue Studie zeigt weiteren Handlungsbedarf
In diese Situation platzte vor ein paar Tagen das Ergebnis einer Studie der Organisation kanadischer Spitzensportler – AthletesCAN –, die besagt, dass der sexuelle Missbrauch von Athleten in Kanada nicht das einzige Problem ist. Obwohl die Zahl von mehr als 200 Trainern, die in den letzten 20 Jahren wegen solcher Übergriffe an über 600 minderjährigen Sportlern strafrechtlich belangt wurden, bereits Handlungsbedarf andeutet.
Die Liste an Beschwerden ist sehr viel länger: Trainer setzen sich offensichtlich oft über alle möglichen Grenzen hinweg. Zum Beispiel, wenn sie mit psychologischem Druck arbeiten, körperliche Herausforderungen unnötig steigern und Sportler und Sportlerinnen schikanieren und tyrannisieren, ihnen Trinken, Essen und sichere Trainingsbedingungen verweigern.
Brisantes Material für ein Treffen von Spitzenfunktionären in der kommenden Woche in der Hauptstadt Ottawa. Ansprüche an die Funktionäre zu formulieren, ist nicht schwierig. Die skizzierte Sportministerin Kirsty Duncan in einem Interview mit dem kanadischen Fernsehen erst vor ein paar Tagen wieder:
"Sportler verdienen Respekt und Würde. Sie sind als erstes Menschen. Ich will das dieses seit langem existierende Problem, dieses dreckige Geheimnis angepackt wird. Dass der Missbrauch aufhört. Und dass unsere Sportler geschützt werden."
Schwieriger ist die Umsetzung. Die Geschäftsführerin des kanadischen Trainerverbandes Lorraine Lafrenière weiß, worin der Kern des Problems besteht:
"In der Beziehung zwischen Coach und Sportler gibt es ein Ungleichgewicht an Macht. Und das müssen wir wirklich in Angriff nehmen."