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Sexueller Missbrauch im Sport
"Ich will nicht, dass andere Kinder das erleben müssen"

Karen Leach träumte als Kind davon, für Irland bei den Olympischen Spielen zu schwimmen. Doch sie erlebte im irischen Schwimmverband einen Alptraum - über Jahre wurde sie von ihrem Trainer sexuell missbraucht. Nun macht sie als Botschafterin für Projekte gegen sexualisierte Gewalt im Sport anderen Opfern Mut.

Von Andrea Schültke |
    Karen Leach spricht über den sexuellen Missbrauch, den sie erlebt hat.
    Karen Leach spricht über den sexuellen Missbrauch, den sie erlebt hat. (Clare Keogh)
    "Ich bin Botschafterin des Voice-Projektes. Es bedeutet mir sehr viel, dass ich andere Überlebende motivieren kann, sich zu melden, ihre Geschichte zu erzählen und so Freiheit und Frieden zu finden", sagt Karen Leach. Der irische Schwimmverband IASA löste sich am 24. Januar 1999 auf, als Folge jahrzehntelanger Missbrauchsskandale. Die Täter: fünf der prominentesten Figuren im irischen Schwimmsport. Einer davon war der Trainer von Karen Leach. Das Buch "Deep deception" - erschienen im Jahr 2009 - arbeitet das Ganze auf. In diesem Buch hat Karen Leach zum ersten Mal öffentlich ihre Geschichte erzählt. Um anderen Betroffenen Mut zu machen spricht sie immer wieder über das, was ihr widerfahren ist.
    "Mein Traum war, für Irland an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Mein Trainer war damals der Olympiatrainer", sagt Leach. "Ich denke, das Schlimmste damals waren seine Kontrolle und die Angst. Wie er sprach, wie er nicht sprach, wie er sich verhielt, wie er mich ansah oder auch nicht ansah, die Lautstärke seiner Stimme, seine Körpersprache. Und das schon, bevor er mich überhaupt anfasste. Da dachte ich schon daran, wie er mich fangen und mich vergewaltigen wird, sich meinen Körper nehmen wird. Und so ging das über viele, viele Jahre."
    Zwölf Jahre Haft für den Trainer
    Karen Leachs Trainer wurde verurteilt für 55 Fälle von sexuellem Missbrauch an 18 jungen Mädchen. Sein jüngstes Opfer war erst zehn Jahre alt. Er musste zwölf Jahre ins Gefängnis. Erst da hat Karen Leach ihren Eltern erzählt, was in all den Jahren passiert war. "Als ich es meiner Mutter und meinem Vater erzählt habe, brach es ihnen das Herz. Sie waren immer bei mir, wenn ich schwamm. Wenn ich beim Training war, schlief mein Vater im Auto auf der anderen Seite der Umkleide, in der vieles von dem passiert ist", erzählt Leach.
    "Meine Eltern waren immer nah bei mir. Meine Mutter sagte, sie liebt mich. Ihr Traum sei, dass ich glücklich wäre und dass es ihr unglaublich leid tut, dass sie mich nicht beschützen konnte. Vier Tage später wurde sie aus dem Kanal gezogen, sie hatte sich das Leben genommen. Mein Vater ist nie darüber hinweg gekommen. Fünf Jahre später lag er im Krankenhaus und ich wusste, dass er im Sterben lag. Ich sagte ihm, wie sehr ich ihn liebe und dass er der allerbeste Vater ist. Er weinte, sah mich an und sagte: 'Karen, ich habe es nicht geahnt'. Ich wusste genau, was er meinte und sagte ihm: 'Es ist nicht Euer Fehler. Ihr wusstet es nicht, denn wenn ihr es gewusst hättet, hättet ihr mich gerettet.'"
    "Die meiste Zeit meines Lebens wollte ich sterben"
    Karen Leach strahlt Stärke aus und vermittelt die Überzeugung, dass sie anderen Betroffenen von sexuellem Missbrauch im Sport helfen kann, wenn sie ihre Geschichte erzählt. "Ja, darum lebe ich überhaupt noch. Das ist der Grund, warum all meine Selbstmordversuche misslungen sind sage ich heute. Ich war zehn Jahre lang in einem psychiatrischen Krankenhaus, zwei Jahre davon in der geschlossenen Abteilung, weil ich nicht mehr leben wollte. Ich habe viele Selbstmordversuche gemacht. Die meiste Zeit meines Lebens wollte ich sterben."
    "Es war einfach zu hart nach allem, was ich durchgemacht habe. Ich weiß, was die tiefsten Schmerzen sind, denn ich habe sie erlebt. 37 Jahre lang habe ich in einem Gefängnis gelebt. Ich weiß, wie das ist. Aber ich weiß auch, wenn Dich die richtigen Menschen unterstützen, kannst du aus diesem Gefängnis herauskommen. Das habe ich geschafft. Ich bin stark und gesund. Ich will nicht, dass andere Kinder das erleben müssen, was mir passiert ist. Und deshalb spreche ich darüber. Meine Stimme ist stark. Niemand wird mich mehr zum Schweigen bringen."
    Heute ist Karen Leach weltweit als Botschafterin für Projekte unterwegs, die sexuellen Missbrauch im Sport verhindern wollen. Beruflich arbeitet sie als Psychotherapeutin mit Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben. Der Mann, der ihr so viel Leid zugefügt hat, wurde nach neun Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Wo er sich aufhält, ist unbekannt.