Im Vatikan sprechen sie von der wichtigsten Woche seines Pontifikats. Papst Franziskus selbst hat sich angesichts der in wenigen Tagen beginnenden Anti-Missbrauchskonferenz gestern mit einem eindringlichen Appell an die Gläubigen auf dem Petersplatz gewandt:
"Ich bitte für dieses Treffen zu beten, das ich gewollt habe, als Akt großer pastoraler Verantwortung angesichts einer dringenden Herausforderung unserer Zeit."
Aber auch ein Papst verlässt sich nicht allein auf Gebete. Deswegen hat Franziskus im besonders prominenten Fall McCarrick am Wochenende gehandelt und damit das Zeichen gesetzt: Beim Thema Missbrauch gebe er keine Kompromisse mehr. Eine bemerkenswerte Entscheidung, findet auch der deutsche Pater und Anti-Missbrauchsexperte Hans Zollner.
Ex-Kardinal McCarrick aus Priesterstand entlassen
McCarrick werden diverse Sexualdelikte, auch zulasten Minderjähriger, vorgeworfen. Mit der Entfernung des US-Kardinals aus dem Priesterstand habe Franziskus vor der Konferenz im Vatikan deutlich gemacht, dass das Kirchenrecht für alle gleich sei, so Zollner im Interview mit dem ARD-Studio Rom:
"Auch wenn es sich um einen Kardinal handelt, der hier ein und aus ging, der wahnsinnig viel Geld auch gesammelt hat und der in den USA die Leuchtfigur des Katholizismus für einige Jahrzehnte war."
Gerade McCarrick galt lange als Symbol für den zu laschen Umgang des Vatikans und auch des Papstes persönlich mit dem Missbrauchsthema. Obwohl zahlreiche Vorwürfe gegen den Kardinal seit Jahren publik waren, hatte ihn Franziskus noch für diplomatische Sondermissionen eingesetzt. Jetzt der beispiellose Absturz vom Kardinal zum einfachen katholischen Laien – drastischer ist in der Neuzeit noch nie ein katholischer Kirchenführer degradiert worden. Ein unmissverständliches Signal, sagt Zollner.
"Es macht sehr deutlich, dass die Stichworte, die wir haben, also Verantwortung und Rechenschaftspflicht, für alle gelten. Ich meine, klarer als so ein Urteil kann man da nicht sprechen."
Zukunftsweisendes Treffen
Zollner ist Mitorganisator des Anti-Missbrauchstreffens, das der Vatikan offiziell Konferenz zum Schutz von Minderjährigen nennt. Seit Jahren arbeitet der deutsche Pater als Mitglied der Päpstlichen Kinderschutzkommission zu diesem Thema, als eine der treibenden Kräfte in der katholischen Kirche.
Moderiert wird die Zusammenkunft der Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen vom ehemaligen Sprecher Papst Benedikts, Federico Lombardi. Auch er lässt keine Zweifel daran, welche Bedeutung dieses Treffen für die Zukunft der katholischen Kirche hat:
"Als Person der Kirche, als Priester und als Gläubiger, bin ich zutiefst davon überzeugt, dass unsere Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht."
Viele Länder leugnen das Problem weiter
Wie aber das von Franziskus und seinen Anhängern erhoffte starke Signal am Ende der Konferenz konkret aussehen könnte, ist unklar. Viele Instrumente, mit denen Missbrauch in der katholischen Kirche verhindert und bestraft werden kann, sagen auch Franziskus-Gefolgsleute, gebe es formal bereits. Wichtig sei nun, diese Instrumente konsequent anzuwenden, auch in Ländern, die das Problem nach wie vor leugneten. In Afrika beispielsweise, heißt es im Vatikan, hielten viele Kirchenführer Missbrauch für einen Ausdruck vor allem der Dekadenz Europas und Nordamerikas.
Konferenz-Mitorganisator Zollner sagt, er könne sich vorstellen, dass sich die Teilnehmer verständigen beispielsweise auf die Bildung von Taskforces, die in die einzelnen Länder gehen, um für die Umsetzung der Regeln in Sachen Kinderschutz zu sorgen. Treffen mit Missbrauchsopfern während der Konferenz sollen bei allen Kirchenführern Sensibilität für das Thema schaffen.
Im heute beginnenden Kardinalsrat dürfte Franziskus mit seinen wichtigsten Beratern, darunter dem deutsche Bischofskonferenzvorsitzenden Marx, seine Linie für die Konferenz abstimmen.