Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien hat sich zufrieden über die Ergebnisse der Kultusministerkonferenz vom 8.4.2021 geäußert. Die CDU-Politikerin sagte im Deutschlandfunk, man habe noch einmal bekräftigt, wie groß die Bedeutung der Aufrechterhaltung des Schulbetriebs trotz der Corona-Pandemie sei. Zudem habe man sich bei den flächendeckenden Tests verständigt und sich beim Abitur klar positioniert.
Die Kultusministerkonferenz hatte am Donnerstag unter anderem beschlossen, dass die Abitur-Prüfungen trotz der Pandemie stattfinden sollen. Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte sollen zwei Mal in der Woche die Möglichkeit für einen Corona-Selbsttest erhalten.
Prien verteidigte den unterschiedlichen Umgang der Bundesländer mit der Frage des Präsenzunterrichts. "Wir können nicht die gleichen Regeln anwenden wie die Bayern oder Sachsen," sagte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin im Dlf.
"Man müsste allerdings Gas geben und die Lehrkräfte schneller impfen. Die örtlichen Verhältnisse spielen dabei eine große Rolle", sagt Karin Prien (CDU). Es gebe außerdem keine Evidenz, dass zentralistisch regierte Länder besser durch die Pandemie kommen.
Das Interview in voller Länge:
Jasper Barenberg: Frau Prien, Sind Sie zufrieden mit den Ergebnissen der Beratungen?
karin Prien: Wichtig war, dass wir noch einmal bekräftigt haben, von wie großer Bedeutung die Aufrechterhaltung der Schulbetriebe für Kinder und Jugendliche ist, weil die Pandemie einfach für Kinder und Jugendliche eine so dramatische Belastung ist, dass wir hier uns auch vor allem als Anwälte der Kinder und Jugendlichen sehen.
Wir haben uns verständigt mit Blick auf die Durchführung der flächendeckenden Tests als Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs, wir haben uns klar positioniert zum Abitur, aber auch übrigens zu den anderen Abschlussprüfungen, die ja auch eine sehr hohe Bedeutung haben. Insofern bin ich zufrieden mit den Ergebnissen, ja.
Barenberg: Also das Abitur soll stattfinden, ansonsten aber wird es wieder einen oder weiter einen Flickenteppich geben, je nachdem, wo die Menschen leben. Reicht das an Gemeinsamkeit, ist das überzeugend in einer Situation, wo wir mitten in der dritten Welle stecken?
Prien: Wir müssen ja als Kultusminister und übrigens aus meiner Sicht als Politik insgesamt jeden Tag rechtfertigen, in denen Schule nicht stattfindet, und natürlich muss man das abhängig machen vom Infektionsgeschehen im jeweiligen Bundesland oder sogar wie bei uns in Schleswig-Holstein durchaus auch vom Infektionsgeschehen in jedem Kreis.
Es ist ja nicht so, als ob wir willkürlich darüber entscheiden könnten, einfach die Schulen zu schließen, das Recht auf Bildung der Kinder und Jugendlichen muss immer abgewogen werden mit den Notwendigkeiten des Gesundheitsschutzes.
"Wir in Schleswig-Holstein können nicht die gleichen Regeln anwenden"
Barenberg: Aber würde das nicht Hand in Hand gehen können mit der Verständigung auf bundesweite, einheitliche und klare Regeln, oder wie anders ist es zu erklären, dass Verbände wie Bildung und Erziehung, dass die Vertreter von anderen Lehrerverbänden oder der Schülerinnen so unzufrieden sind mit dem Ergebnis jetzt, weil sie eben auf Einheitlichkeit und Verbindlichkeit gesetzt haben.
Prien: Ich verstehe das Bedürfnis nach mehr Einheitlichkeit, das ist ja ein bisschen so wie das Bedürfnis nach einfachen Lösungen, aber die Wahrheit ist, dass man nur Gleiches gleich behandeln kann und Ungleiches eben ungleich behandeln muss, auch aus verfassungsrechtlichen Gründen.
Insofern ist es richtig, auf die Verhältnisse in den einzelnen Bundesländern abzustellen. Wir in Schleswig-Holstein mit einer Inzidenz zwischen 60 und 65 seit vielen Monaten können natürlich nicht die gleichen Regeln anwenden wie die Sachsen oder die Bayern.
Barenberg: Aber die gleichen Grundsätze.
Prien: Ja, die gleichen Grundsätze. Wir haben in Schleswig-Holstein ja im Übrigen auch einen inzidenzgestützten Stufenplan, den wir auch anwenden, den wir auch streng anwenden, aber trotzdem wird das weiter zu Ungleichheit führen, weil die Verhältnisse nun mal unterschiedlich sind im Land.
Barenberg: Aber warum ist denn ein solcher Stufenplan, wie Sie ihn für Schleswig-Holstein dann ja offenbar haben, warum ist der nicht im ganzen Land möglich, wenn wir hören, dass in Sachsen beispielsweise Schulen öffnen, unabhängig von den Inzidenzzahlen, und dass es darüber natürlich Aufregung und Klagen gibt von Verbänden, von Lehrern, von Eltern?
Prien: Es geht doch bei der Pandemiebekämpfung immer darum, die Infektionszahlen möglichst durch wirksame Maßnahmen nach unten zu bekommen, die Infektionszahlen zu dämpfen. Es ist Entscheidung etwa der Sachsen, zu sagen, wir treffen Maßnahmen, insbesondere in Bereichen außerhalb von Schule, weil der Bereich Schule für uns so eine herausragende Bedeutung hat.
Insofern ist das eine Abwägungsentscheidung, die man in Sachsen so getroffen hat. Gleichzeitig gibt es in Sachsen ja bereits eine Testpflicht, und das auch schon seit mehreren Wochen, insofern werden da auch Vorkehrungen getroffen, die wir auch in Schleswig-Holstein übrigens zusätzlich einführen. Auch wir werden eine Testpflicht haben nach den Osterferien.
"Es muss einen flächendeckenden Test geben"
Barenberg: Jetzt haben wir aber gerade zum Beispiel aus Brandenburg gehört, dass es dort keine Testpflicht gibt, jedenfalls nicht in der Schule, auch da gibt es ja eine Vielzahl von verschiedenen Regeln. Sie sagen uns aber heute Morgen, es gibt die Einigung auf eine einheitliche Teststrategie, das heißt, ohne Tests darf das Schulgelände nicht mehr betreten werden.
Prien: Das ist ein Weg, den die meisten Länder im Übrigen jetzt gehen mit der Testpflicht, und es gibt einige wenige, die sagen, wir wollen einfach noch mal ein paar Wochen schauen, ob wir mit einem freiwilligen Testangebot eine ähnlich flächendeckende Wirkung entfalten, um das dann gegebenenfalls noch mal auf den Prüfstand zu stellen.
Ich finde, das ist legitim, dass man zunächst mal es freiwillig versucht, und wenn es dann nicht gelingt, dann eben auf eine Pflicht dann umschaltet. Dass es einen flächendeckenden Test geben muss, und zwar sowohl für Schülerinnen und Schüler zweimal die Woche als auch für Lehrkräfte und das sonstige Personal, darüber besteht Einigkeit und darüber haben wir uns im Übrigen gestern ja auch mit Wissenschaftlern noch mal ausgetauscht, die das ausdrücklich auch so bestätigen.
Barenberg: Sie haben ja mit guten Gründen darauf hingewiesen, wie wichtig der Schulbetrieb ist und dass im Grundsatz ja auch alle einer Meinung sind, dass die Schulen als Letztes geschlossen werden sollten und als Erstes wieder aufmachen sollten. Wie zufrieden können Sie da sein bei der Impfstrategie, was die Lehrkräfte angeht, ist das auf gutem Wege aus Ihrer Sicht?
Prien: Wir haben ja die Lehrkräfte in die Kategorie 2 über die Impfverordnung aufnehmen können mit Blick auf die Grundschulen und die Förderschulen und Förderzentren, und wir impfen die Lehrkräfte darüber hinaus auch priorisiert in der Kategorie 3. Wenn es nach mir ginge, müsste man auch insbesondere dann, wenn Lehrkräfte in Gebieten mit höheren Inzidenzen unterrichten, auch da noch mehr Gas geben und auch da noch die Lehrkräfte schneller impfen.
Das wird ja auch teilweise bereits gemacht, also wiederum Sachsen, Sachsen-Anhalt, die sehr hohe Inzidenzen haben und wo auch Unterricht stattfindet, dort werden auch die Lehrer*innen in den weiterführenden Schulen schon geimpft. Insofern gilt auch da, die örtlichen und regionalen Verhältnisse spielen da eine große Rolle.
"Wir müssen diese Differenz noch eine Weile aushalten"
Barenberg: Wir müssen uns also noch eine Weile einfach an den Gedanken gewöhnen, dass die Verhältnisse ganz unterschiedlich sind, auch wenn es immer stärker den Wunsch gibt, die Forderung, dass es möglichst nach einheitlichen Kriterien vollzogen wird.
Prien: Noch mal: Ich verstehe den Wunsch, aber wenn wir uns einmal umschauen in Europa, es gibt, glaube ich, eine Evidenz dafür, das zentralistisch regierte Länder besser durch die Pandemie kämen als wir mit unserer föderalistischen Struktur. Und noch mal: Wir müssen Gleiches gleich behandeln, aber Ungleiches eben nicht, und es ist richtig, auf die Verhältnisse in den Bundesländern auf das Infektionsgeschehen jeweils Rücksicht zu nehmen.
Wir können in einem Landkreis wie bei uns in Nordfriesland oder in Plön mit Inzidenzen unter 30 doch nicht die gleichen Regeln anwenden, wie wir sie in Hochinzidenzkreisen mit über 300 in Thüringen oder Sachsen anwenden. Das wäre auch aus meiner Sicht nicht verhältnismäßig. Insofern, ja, damit müssen wir leben. Wir müssen diese Differenz noch eine Weile aushalten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.