Es gibt kaum einen See oder ein Schloss, eine historische Ruine oder ein Dorfanger in Brandenburg, die im Sommer nicht für Kulturfestivals genutzt werden. Das Publikum im dünn besiedelten Brandenburg kommt dabei zu großen Teilen aus Berlin. Beim Theaterprogramm setzt man meist auf leichte Unterhaltung, - das Repertoire bewegt sich zwischen "commedia dell´arte" und "Weißem Rössl".
Nicht so beim Theatersommer des siebzig Kilometer von Berlin entfernten 200-Seelen-Dorfes Netzeband. Hier präsentiert man seit 16 Jahren ein ehrgeiziges Programm mit klassischen Stücken. Erfolgreich hat man sich an Lorca, Hofmannsthal und Grabbe, an Goethes Faust und an die Nibelungen gewagt. In diesem Jahr ist es Shakespeares "Der Sturm" in einer Inszenierung von Frank Matthus und Hermann Höcker, die atmosphärisch von Musik mancher Stile und Zeiten bestimmt wird:
Während das Publikum mit dem Rücken zur klassizistischen Temnitzkirche sitzt, schiebt sich hinten im Park auf weitem Rasen vor mächtiger Baumkulisse ein papiernes Schiff, das seine Reisenden im Sturm verliert. Derweil steht der den Sturm herbeizaubernde Prospero auf einem Podest direkt vor dem Publikum, eine eiserne Maske auf dem Kopf, während seine Tochter Miranda, über deren Kleinmädchenmaske er ein schwarzes Tuch gezogen hat, ihn befragt:
"Begannt Ihr mir zu sagen, wer Ihr seid.
Doch bracht' Ihr ab und ließet mich vergebnem Forschen
Und schlosset: Wart! Noch nicht!
PROSPERO: Die Stund kommt näher. Hab Geduld! - Leih mir die Hand
Und nimm den Zaubermantel von mir.
Da lieg nun, meine Kunst."
Wenn dann aus der Tiefe das Raumes weißes Elfengewimmel hervorkommt, wenn Ariel, ebenfalls ganz in Weiß mit weitgespreizten Froschfingern und von einer Frau gespielt, sich zum Dienst bei seinem Meister einfindet, dann beginnt ein Theaterspiel von ganz eigener Faszination.
Vorn gibt es ein, zwei von weißen Stöcken umrahmte Spielräume, dahinter den Park, der als schier magischer Spielraum genutzt wird. Alle Figuren außer Ariel und Caliban tragen vergrößernde und vergröbernde, aber auch individuell charakterisierende Masken von Jana Fahrbach und stecken in den phantastischen und phantasievollen Kostümen von Mareike Porschka. So ausgestattet, unterstreichen sie ihre Texte mit überdeutlicher Gestikulation.
Weil sie ihre Texte nicht selber sprechen, sondern sie nur verkörpern. Theaterschauspieler haben die Texte eingesprochen, die für die unter den Masken steckenden Pantomimespieler eingespielt werden.
Synchrontheater nennt Festivalleiter Frank Matthus diese auch aus der Not geborene Form, die mittlerweile eine ganz eigene Poesie gewonnen hat. Entstanden ist ein Raum-Bilder-Theater, ein pantomimisch-fantastisches Maskentheater, das zugleich mit der Klangkraft von Shakespeare einen faszinierenden Sprachraum schafft.
In ihm wird deklamiert, ohne mit Untertönen zu interpretieren. Wir erleben ein klares Spiel mit eindeutigen Figuren. So werden die gestrandeten Höflinge sowohl durch ihr Äußeres als auch durch ihre Sprache in ihrer kleinkarierten Boshaftigkeit deutlich, und Prospero erscheint nicht als der gute Weise, sondern als ein zauberisch gewalttätiger und egoistischer Machtmensch.
Die komischen Rüpelszenen mit Caliban und den Matrosen werden nicht komödiantisch äußerlich aufgeplustert, sondern nur mit ein paar Wortwitzen zu Steuer und Transparenz aktualisiert.
So könnte man diese Inszenierung vorbehaltlos preisen. Wenn, ja wenn sie nicht den Schluss völlig neu erfunden hätte, bei dem Miranda sich für Caliban entscheidet:.
"Caliban - nimm m i c h.
Lieb mich, wenn du magst - oder
Töte mich, wenn's deine Wut begehrt. Ich bin
Nicht für mich selbst gemacht."
Nicht ihr Vater, sondern Caliban hat ihr die Welt erklärt, sagt Miranda und bleibt mit ihm auf der Insel. In einem langatmigen neuen Schluss, in dem das Hochzeitsspiel der herbeigezauberten Göttinnen zu einer Gerichtsverhandlung umfunktioniert wird. In der streiten sich Prospero und sein mörderischer Bruder um die richtige Politik, um Freiheit und Volkswillen. So wird Shakespeares philosophisch-poetisches Theaterzauberspiel zum realpolitischen Erklärstück verformt. Schade.
Nicht so beim Theatersommer des siebzig Kilometer von Berlin entfernten 200-Seelen-Dorfes Netzeband. Hier präsentiert man seit 16 Jahren ein ehrgeiziges Programm mit klassischen Stücken. Erfolgreich hat man sich an Lorca, Hofmannsthal und Grabbe, an Goethes Faust und an die Nibelungen gewagt. In diesem Jahr ist es Shakespeares "Der Sturm" in einer Inszenierung von Frank Matthus und Hermann Höcker, die atmosphärisch von Musik mancher Stile und Zeiten bestimmt wird:
Während das Publikum mit dem Rücken zur klassizistischen Temnitzkirche sitzt, schiebt sich hinten im Park auf weitem Rasen vor mächtiger Baumkulisse ein papiernes Schiff, das seine Reisenden im Sturm verliert. Derweil steht der den Sturm herbeizaubernde Prospero auf einem Podest direkt vor dem Publikum, eine eiserne Maske auf dem Kopf, während seine Tochter Miranda, über deren Kleinmädchenmaske er ein schwarzes Tuch gezogen hat, ihn befragt:
"Begannt Ihr mir zu sagen, wer Ihr seid.
Doch bracht' Ihr ab und ließet mich vergebnem Forschen
Und schlosset: Wart! Noch nicht!
PROSPERO: Die Stund kommt näher. Hab Geduld! - Leih mir die Hand
Und nimm den Zaubermantel von mir.
Da lieg nun, meine Kunst."
Wenn dann aus der Tiefe das Raumes weißes Elfengewimmel hervorkommt, wenn Ariel, ebenfalls ganz in Weiß mit weitgespreizten Froschfingern und von einer Frau gespielt, sich zum Dienst bei seinem Meister einfindet, dann beginnt ein Theaterspiel von ganz eigener Faszination.
Vorn gibt es ein, zwei von weißen Stöcken umrahmte Spielräume, dahinter den Park, der als schier magischer Spielraum genutzt wird. Alle Figuren außer Ariel und Caliban tragen vergrößernde und vergröbernde, aber auch individuell charakterisierende Masken von Jana Fahrbach und stecken in den phantastischen und phantasievollen Kostümen von Mareike Porschka. So ausgestattet, unterstreichen sie ihre Texte mit überdeutlicher Gestikulation.
Weil sie ihre Texte nicht selber sprechen, sondern sie nur verkörpern. Theaterschauspieler haben die Texte eingesprochen, die für die unter den Masken steckenden Pantomimespieler eingespielt werden.
Synchrontheater nennt Festivalleiter Frank Matthus diese auch aus der Not geborene Form, die mittlerweile eine ganz eigene Poesie gewonnen hat. Entstanden ist ein Raum-Bilder-Theater, ein pantomimisch-fantastisches Maskentheater, das zugleich mit der Klangkraft von Shakespeare einen faszinierenden Sprachraum schafft.
In ihm wird deklamiert, ohne mit Untertönen zu interpretieren. Wir erleben ein klares Spiel mit eindeutigen Figuren. So werden die gestrandeten Höflinge sowohl durch ihr Äußeres als auch durch ihre Sprache in ihrer kleinkarierten Boshaftigkeit deutlich, und Prospero erscheint nicht als der gute Weise, sondern als ein zauberisch gewalttätiger und egoistischer Machtmensch.
Die komischen Rüpelszenen mit Caliban und den Matrosen werden nicht komödiantisch äußerlich aufgeplustert, sondern nur mit ein paar Wortwitzen zu Steuer und Transparenz aktualisiert.
So könnte man diese Inszenierung vorbehaltlos preisen. Wenn, ja wenn sie nicht den Schluss völlig neu erfunden hätte, bei dem Miranda sich für Caliban entscheidet:.
"Caliban - nimm m i c h.
Lieb mich, wenn du magst - oder
Töte mich, wenn's deine Wut begehrt. Ich bin
Nicht für mich selbst gemacht."
Nicht ihr Vater, sondern Caliban hat ihr die Welt erklärt, sagt Miranda und bleibt mit ihm auf der Insel. In einem langatmigen neuen Schluss, in dem das Hochzeitsspiel der herbeigezauberten Göttinnen zu einer Gerichtsverhandlung umfunktioniert wird. In der streiten sich Prospero und sein mörderischer Bruder um die richtige Politik, um Freiheit und Volkswillen. So wird Shakespeares philosophisch-poetisches Theaterzauberspiel zum realpolitischen Erklärstück verformt. Schade.