Die Welt bleibt draußen. Denn Bühnenbildner Karoly Risz hat einen holzvertäfelten Innenraum in Form eines sich nach hinten verjüngenden Holztrichters geschaffen. Bevor dessen winziges Zugangsloch ein Knäuel von drängelnden Menschen in den leeren Raum ausspeit, haben sich diese schon mit Klopfen und Trommeln von draußen mächtig bemerkbar gemacht.
Dann kämpfen die nur mit Unterhosen Bekleideten als fünfköpfiges Monstrum um die Kostümteile, mit denen sie herein und bis an die Rampe rutschen. Da wird getobt, gerobbt, gerollt und rumort, ohne dass es eine wenn auch wilde Struktur eines bewussten Körpertheaters bekäme.
Dabei streiten sich die fünf nicht nur um die Kleiderfetzen, sondern toben im steten Wechsel auch durch alle Rollen außer denen von Macbeth und seiner Lady. Mal geben sie reale Figuren, mal verkörpern sie wilde Hirngespinste. Was funktioniert, wenn sie auch die Hexen spielen. Meist aber toben sie zu viel herum, sind keine Raubtiere, sondern nur leerer Effekt, der mehr nervt als unterhält.
Felix Goeser immerhin darf nicht nur ein Banquo im kriegerischen Outfit sein, sondern auch sonst Macbeth mit allen schlechten Nachrichten entgegentreten, ob er vom Tod der Lady Kunde tut oder den heranmarschierenden Wald von Birnham meldet. Und die Mörder sind modisch vermummt wie IS-Krieger, stoßen ihre kleinen Dolche auf den Boden und morden, indem sie ihren Opfern den Mund zu halten. Kronen entstehen, indem bewegte Hände um den Kopf des Gekrönten flattern. So gibt es gelegentlich ganz schöne körpersprachliche Visualisierungen wie zum Beispiel ein böses Körpergebirge, doch irgendwie wirkt das alles viel zu neutral und leise geschäftsmäßig.
Die Inszenierung bringt ihre Figuren in wenig emotionalen Aufruhr, sondern lässt sie diesen nur erzählend andeuten. Dagegen kann auch Ulrich Matthes in der Titelrolle nicht an:
- Macbeth: "Ich öffnete ihm mein Haus und müsste die Türen jedem Mörder schließen, nicht selbst das Messer führen. Dann hat auch dieser Duncan seine Würde so mild getragen, blieb im großen Amt so rein, dass seine Tugenden wie Engel posaunenzüngig würden Rache schrein dem tiefen Groll seines Mords. Und Mitleid wie ein nacktes neu geborenes Kind auf Sturmwind reitend, oder Himmelsrächer auf unsichtbaren Rössern blasen die Schreckenstat in jedes Aug, dass Tränenfluten den Wind ertränken."
Matthes monologisiert als ein Macbeth in adretter Kleidung, die ihn wie einen GI aussehen lässt, an der Rampe ins Publikum hinein. Was er sich so denkt, seine mörderischen Absichten und seine Zweifel und Gewissensbisse, all das teilt er dem Publikum direkt mit. Meist mit halb offenem Mund, wohl zugleich nachdenklich wie betroffen, und stets im aufrechten Stand.
Das wirkt, als befände er sich am Rezitationspult. Mit seinen die Fäuste ballenden, stereotypen Handbewegungen erscheint dieser blasse, wenn auch wunderbar aufs Wort setzende Macbeth mehr als Nachdenker denn als Macher. Nicht wirklich gewalttätig, nicht sonderlich blutrünstig, so scheint es. Nur etwas ehrgeizig, aber zugleich auch wieder zaudernd.
Wobei, obwohl sich unentwegt die Körper ballen, uns auch hier die Körpersprache nichts rechtes erzählt. Und Maren Eggert, von Kostümbildnerin Susanne Uhl mit einem engen, bodenlangen, dunkelblauen Kleid recht unschön ausstaffiert, muss steif durchs Geschehen staksen und sich in der Wahnsinnsszene allen Ernstes das Gesicht mit der Taschenlampe beleuchten:
Lady Macbeth: "Aber wer hätte gedacht, dass der alte Mann noch so viel Blut in sich hat. Habt ihr was gehört? Hör auf mein Lieber, hör auf. Du verdirbst alles mit diesen Fratzen. Hier ruft es immer noch nach Blut. Ah, Ah, Ah."
Mit- und aneinander haben Macbeth und Lady Macbeth nichts. Wenn sie sich mal anfassen, wirkt das eher wie ein peinliches Versehen. So wie der Tod von Macbeth: Dem Vielredner wird einfach der Mund zugehalten. Und dann ist auch schon irgendwie alles vorbei. Auf- oder angeregt haben uns die langen zweieinviertel Stunden nicht, eher rutschten sie in lähmender Langsamkeit so an uns vorbei.