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Shale-Gas sorgt kurzfristig für Entspannung

In den USA wird sogenanntes unkonventionelles Gas gefördert. Das aus Schiefergestein gewonnene Gas ist nach Ansicht des Energieexperten Werner Zittel für Europa keine Alternative. Grund: Die Gewinnung verletzt europäische Umweltstandards.

Werner Zittel im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Energy Watch Group nennt sich ein internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Parlamentariern, der sich mit der Verfügbarkeit und der Endlichkeit von Energiequellen befasst. Mit dabei sind unter anderem der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell und der US-Wissenschaftler Christopher Flavin. Getragen wird die Energy Watch Group von der deutschen Ludwig Bölkow Stiftung. Im Auftrag der Gruppe hat sich jetzt der Physiker und Energieexperte Werner Zittel die weltweiten Gasreserven angesehen. Herr Zittel, können sich jetzt alle, die die Abhängigkeit von russischem Erdgas fürchten, beruhigt zurücklehnen, weil die Welt mit dem Gas aus Schiefergestein in den USA eine neue Quelle erschlossen hat?

    Werner Zittel: Kurzfristig gibt das eine Entspannung, langfristig ist das überhaupt keine Änderung der Fundamentaldaten. Und was passiert ist: In Europa ist die Förderung weiterhin zurückgegangen, auch in Russland ist sie zurückgegangen, und kurzfristig werden wir eben jetzt mit neuem Gas aus den USA konfrontiert. Aber das wird vermutlich ein sehr kurzfristiger Effekt bleiben.

    Reimer: Sie halten ja die Förderungsmethoden in den USA für sehr problematisch. Warum?

    Zittel: Ja, das ist das sogenannte Gas aus Schiefergesteinen, und dazu muss das Gestein aufgebrochen werden. Also das Gas ist in den Poren eingeschlossen und kann nur sehr schwer rauskommen, und man muss die Strukturen aufbrechen, und dazu wird viel Wasser in den Untergrund gepresst, vermischt mit Chemikalien. Und diese Chemikalien sind toxisch, kanzerogen und biozid. Und sie verunreinigen das Grundwasser, dann die Emissionen gehen teilweise in die Luft, und das hat schon zu Riesenproblemen in den USA geführt.

    Reimer: Wenn die Energie knapp wird, kann man sagen, in der Not frisst der Teufel Fliegen – wäre diese Schiefergesteinsgasförderung in Europa denkbar?

    Zittel: Es ist sehr unwahrscheinlich. Es handelt sich ja nicht um neue Technologien, wie gerne gesagt wird, sondern Halliburton hat 1949 das erste Patent auf diese Technologie bekommen, sondern es handelt sich um eine Aufweichung der Umweltgesetze im Jahr 2005 unter der Bush-Administration. Und es ist unwahrscheinlich, dass in Europa die Umweltgesetze so weit aufgeweicht werden. Das wird vermutlich nicht passieren.

    Reimer: Klimaschützen werben sehr stark für Gas als Quelle für die Erzeugung von Wärme und Strom gleichzeitig und auch als vergleichsweise CO2-armer fossiler Brennstoff. Ist Gas als Brückentechnologie ins Zeitalter erneuerbarer Energien, also für den Einsatz in großem Stil, geeignet Ihrer Ansicht nach?

    Zittel: Es ist so: Wir haben jetzt eine starke Gasabhängigkeit, und alles, was hilft, diese Abhängigkeit zu reduzieren, ist gut. Und dazu gehört im Einzelfall natürlich auch schon, dass wir Erdgas effizienter nutzen. Also anstatt irgendwo nur Strom zu erzeugen mit schlechtem Wirkungsgrad und irgendwo nur Wärme, kombiniert Strom und Wärme zu erzeugen, das macht schon einen Sinn, wenn dadurch die Gesamtabhängigkeit reduziert wird.

    Reimer: Wann, so schätzen Sie, haben die Rohstoffe Öl und Gas ihr Fördermaximum, also den sogenannten Peak Oil oder Peak Gas überschritten?

    Zittel: Bei Erdöl ist es sehr wahrscheinlich, dass es passiert ist. Wir hatten ein Plateau etwa von 2005 bis 2008/2009, und vermutlich werden wir in diesem Winter sehen, ob die Förderung zurückgeht und die Preise steigen oder ob es noch mal bei hohen Preisen gehalten werden kann. Vermutlich wird sie zurückgehen und haben wir das Fördermaximum überschritten. Bei Erdgas, denke ich, wird es 10, 15 Jahre länger dauern, wobei wie gesagt, Europa hat das Fördermaximum in Erdgas auch überschritten.

    Reimer: Gas fördern aus Schiefergestein ist nicht nachhaltig. Das sagt Werner Zittel von der Energy Watch Group. Danke nach Berlin!