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Shanghai
Als Dorfbewohner in der Mega-City

Shanghai ist eine der teuersten Städte der Welt. Täglich wächst die Zahl der Chinesen aus dem Landesinneren, die hierher ziehen wollen. Doch obwohl Geringqualifizierte hier genauso gebraucht werden wie Uni-Absolventen, haben sie nicht die gleichen Rechte wie echte Shanghaier. In der Mega-City Peking ist das nicht anders.

Von Steffen Wurzel |
    Alltag in Peking: ein kleines Restaurant in Peking, das genauso wie Shanghai zu den Mega-Cities gehört.
    Ein kleines Restaurant in Peking, eine der chinesischen, weiter wachsenden Mega-Cities. (picture alliance / dpa / PAP / Adam Warzawa)
    Seine endgültige Größe habe Shanghai noch lange nicht erreicht, sagt Lu Ming provokativ. Er forscht und lehrt an der Shanghaier Jiaotong-Universität zu den Themen Städte- und Arbeitsmanagement. Zur Zeit leben in der größten Stadt Chinas zwischen 23 und 25 Millionen Menschen, so ganz genau weiß das niemand.
    Arbeit und Einkommen, es seien ganz einfache wirtschaftliche Gründe, warum die größten Städte Chinas weiter wachsen, sagt Lu.
    Es ist nur ein kleiner Spaziergang vom Büro des Uni-Professors zum Imbiss-Stand von Huang Youliang. Zusammen mit seiner Frau, zwei Kindern und fünf weiteren Verwandten ist er vor einigen Jahren aus einem kleinen Dorf in der Provinz Shangdong nach Shanghai gezogen – zum Geld verdienen. Von Montag bis Samstag verkauft er täglich rund 10 Stunden am Tag gefüllte Pfannkuchen, genannt Jianbing.
    "Wir haben uns an das Leben in der Stadt gewöhnt," sagt der 35-Jährige, auch wenn es hart sei. "Wir können auch nicht wirklich zurück, was sollen wir dort. Das Wichtigste für uns ist das Geld. Denn wir wollen unseren Kindern ein Leben mit guter Ausbildung ermöglichen. Unser Dorf und unser Leben dort waren sehr ärmlich.”
    Shanghai, einer der teuersten Städte der Welt
    Am Monatsende steht für Pfannkuchen-Verkäufer Huang Youliang und seine Familie ein Plus von umgerechnet rund 1.400 Euro. Große Sprünge lassen sich damit in Shanghai, einer der teuersten Städte der Welt, zwar nicht machen. Aber es ist immer noch deutlich mehr, als man in ländlichen Gebieten Chinas verdienen kann. Deswegen wächst die Zahl der Chinesen aus dem Landesinneren, die in die Städte ziehen wollen, immer weiter.
    "Die Tatsache, dass Top-Städte wie Peking und Shanghai immer reicher werden, bedeutet nicht, dass dort keine Geringqualifizierten mehr gebraucht werden. Im Gegenteil! Wir brauchen mehr davon, als Ergänzung zu den Hochqualifizierten."
    Auch wenn es in chinesischen Städten so gut wie keine Slums und kein offen sichtbares Elend gibt, das Gefälle zwischen Reich und Arm ist trotzdem enorm. Geringqualifizierte aus ländlicheren Gebieten Chinas werden zwar gebraucht und als günstige Arbeitskräfte geschätzt, sie haben aber viel weniger Rechte als echte Shanghaier oder Pekinger. So haben Zugezogene kein Anrecht auf günstige medizinische Versorgung, außerdem dürfen sie nicht einfach Wohnungen kaufen. Urbanisierungsforscher Lu Ming sagt: Diese strikten Regeln müsse die chinesische Regierung reformieren, statt wie bisher zu versuchen, das Wachstum auf unattraktivere Städte umzuleiten.
    "Sie glauben, dass Shanghai erstens zu groß ist und zweitens nur Uni-Absolventen braucht. Beides falsch. Um die städtischen Probleme zu lösen, darf man das Wachstum nicht begrenzen, man muss es fördern. So lange, bis die natürlichen Grenzen der Stadtausdehnung erreicht sind, wie im Falle von Hongkong oder Tokio."
    Der größte Traum: Eine eigene Wohnung
    Das große Ziel von Pfannkuchenverkäufer Huang Youliangs ist es, irgendwann ein vollerwertiger Shanghaier zu werden. Ausgestattet mit allen Rechten eines echten Stadtbewohners.
    "Natürlich möchte ich irgendwann mal eine Wohnung kaufen. Das ist mein größter Traum. Darum geht es. Dafür kämpfen meine Frau und ich jeden Tag.”