Airbnb und Co
Wie Städtetrips die Wohnungskrise beeinflussen

Einst wurden Airbnb und Co als Vorreiter der sogenannten Sharing-Economy gefeiert. Heute gelten die Konzerne als Treiber für die Wohnungskrise. Wie beeinflussen solche Onlineplattformen die Verfügbarkeit von Wohnraum und die Mietpreise?

Von Carolin Born und Julia Macher |
    An einer Hauswand hängen neben einen Briefkasten mehrere Schlüsselkästen für Wohnungen, die über Internetplattformen wie Airbnb vermietet werden. Die
    Gutes Geschäft mit Folgen für die Nachbarschaft: Wie hier in Rom werden in europäischen Metropolen viele Wohnungen an Touristen vermietet. (picture alliance / dpa / Christoph Sator)
    Sich auf Reisen fast wie Einheimische zu fühlen, mit diesem Versprechen lockt das Unternehmen Airbnb. Ein möbliertes Zimmer oder gleich eine ganze Wohnung in einem beliebten Stadtviertel kurzzeitig zu mieten, das spricht viele Menschen an: Fast ein Viertel der Beherbergungen machen Kurzzeitvermietungen über Onlineplattformen in der EU aus, so die Schätzung von Eurostat für das Jahr 2022.

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    Für die Einheimischen selbst fühlt sich das oft weniger gut an. In großen europäischen Städten wie Lissabon, Amsterdam oder Mailand demonstrieren Menschen für ein bezahlbares Zuhause. Sie befürchten, dass die Plattformen die Mietpreise weiter in die Höhe treiben, und fordern deswegen, die touristische Nutzung von privatem Wohnraum stärker zu regulieren.

    Was ist die Sharing-Economy?

    Sharing-Economy oder Wirtschaft des Teilens meint die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern und Dienstleistungen. Ressourcen sollen so effizienter genutzt werden. Anfangs galt Airbnb als Aushängeschild dieses neuen wirtschaftlichen Ansatzes.
    Das Unternehmen hat das durch seinen Gründungsmythos befeuert. Ein freies Zimmer sollte auf der Onlineplattform zum Schlafen angeboten, also geteilt werden.
    Obwohl sich das Unternehmen immer noch so darstellt, bezweifeln Experten, dass Airbnb mittlerweile noch viel mit der Idee der Sharing-Economy zu tun hat. Denn es sind längst nicht mehr alle Anbieter auf Wohnraumplattformen Privatpersonen, die ein Zimmer oder die eigene Wohnung anbieten.
    In touristisch beliebten Städten wurden teils ganze Häuserblocks angemietet oder gekauft, um sie an Urlauber zu vermieten. Laut dem Watchdog-Portal Inside Airbnb, das mit den öffentlich zugänglichen, allerdings nicht immer ganz präzisen Daten von Airbnb arbeitet, werden in touristisch beliebten Städten oft mehr als die Hälfte aller Ferienwohnungen von Personen oder Firmen angeboten, die mehrere Appartements inserieren.
    Das gilt als Indiz für kommerzielle Anbieter. Auch in Paris, Madrid und Toronto überwiegen solche Anbieter.

    Was machen Airbnb und Co mit dem Wohnungsmarkt?

    Ob die Vermietung von Privatwohnungen an Touristen die Mieten in Höhe treibt, ist in der Forschung umstritten. Eine von Airbnb in Auftrag gegebene Studie des Fraunhofer-Instituts sieht zumindest für Deutschland keinen Einfluss auf die Mietpreise. Dafür sei der Anteil der Airbnb-Unterkünfte am gesamten Wohnungsbestand zu niedrig.
    In den sieben größten deutschen Städten ist der Anteil an Inseraten zwar höher. Doch auch hier stellt die Studie fest, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen Mietpreissteigerungen und Inseraten auf Airbnb gibt. Allerdings analysiert die Studie nicht den Druck auf einzelne, bei Einheimischen und Gästen besonders beliebte Viertel in großen Städten.
    Eine andere Studie kommt für Berlin zu dem Ergebnis, dass eine Wohnung auf Airbnb die Miete um sechs Cent pro Quadratmeter erhöht. Das ist also ein eher kleiner Anteil an der Wohnungskrise.
    Für das Urlaubsland Spanien sehen mehrere Studien einen Zusammenhang zwischen steigenden Mieten und Ferienwohnungen. In Barcelona hat das Institut d’Economia de Barcelona 2019 die Preisentwicklung in einzelnen Vierteln untersucht. Demnach stiegen in Innenstadtbezirken mit einer besonders hohen Konzentration von Airbnb-Unterkünften die Mieten um sieben Prozent und die Immobilienpreise um 19 Prozent.

    Welche Auswirkungen haben Kurzzeitvermietungen?

    In europäischen Großstädten rufen Bürgerinitiativen immer wieder zu Demonstrationen auf. Die “Tourist go home”-Plakate in Barcelona oder Parolen wie “Wenn ihr uns aus unserem Viertel vertreibt, legen wir die Stadt lahm” in Málaga zeigen, dass Einheimische einen Zusammenhang zwischen Tourismusboom, wachsender Zahl von Ferienappartements und steigenden Mieten sehen.
    In Spanien fühlen sich viele Menschen dabei von der Politik allein gelassen. Sowohl Regierung wie Opposition haben Maßnahmen gegen die Wohnungskrise angekündigt. Doch ein parteiübergreifender Pakt kam in dem politisch stark polarisierten Land nicht zustande.
    Auch in Deutschland beschäftigen Wohnraummangel und Gentrifizierung in großen Städten die Politik. Laut Experten hat die Verdrängung aus Innenstädten Folgen für das Sozialgefüge.
    Wenn Einheimische ihr Wohnviertel verlassen müssen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können, kommen Menschen mit unterschiedlichen Einkünften und Hintergründen weniger miteinander in Kontakt. Die Gesellschaft droht auseinanderzufallen.

    Wie regeln Europas Städte Vermietung an Touristen?

    Fast alle Großstädte regulieren inzwischen die Vermietung von privatem Wohnraum an Urlauber, allerdings sehr unterschiedlich. Um ihre Wohnung zu vermieten, brauchen Gastgeber meist eine städtische Genehmigung.
    Außerdem müssen Vermieter oft ortsspezifische Auflagen erfüllen. In Málaga werden Ferienwohnungen nur genehmigt, wenn sie über einen separaten Hauseingang verfügen, in anderen Städten muss die Hausgemeinschaft der Vermietung an Touristen zustimmen. In Wien darf in manchen Zonen gar nicht vermietet werden. Andere Kommunen haben eine Quotenregelung mit einer Obergrenze für bestimmte Viertel eingeführt.
    Viele Städte beschränken die Vermietung auch zeitlich. In Amsterdam dürfen Wohnungen nicht mehr als 30 Tage im Jahr vermietet werden, in Paris sind maximal 90 Tage erlaubt. Sozialwohnungen dürfen in den meisten Städten gar nicht über kurzzeitig vermietet werden.
    Was ändert die Transparenz-Verordnung der EU?
    Die EU kann das Geschäftsmodell der Kurzzeitmiete nicht verbieten. Das ist Sache der Mitgliedstaaten. Damit die Vorschriften kontrolliert und besser umgesetzt werden können, hat sich die EU 2024 auf eine Verordnung für Kurzzeitmieten geeinigt, die ab Mai 2026 gilt.
    Dann müssen Anbieter wie Airbnb, Booking, Expedia Group oder TripAdvisor mehr Daten mit den lokalen Behörden teilen. Um die Einhaltung der örtlichen Bestimmungen überprüfen zu können, brauchen Kommunen Daten über Gastgeber, Buchungszahlen und den genauen Standort der Ferienwohnungen.
    In der Vergangenheit haben Städte immer wieder darüber geklagt, dass die Plattformen die Weitergabe dieser Daten verweigern. Das soll sich durch die neue Verordnung ändern.

    Mehr Überblick für Behörden

    Gastgeber müssen ihre Wohnung in einem zentralen Register ihres jeweiligen Landes registrieren. Über diese Registriernummer sollen sie sowohl für die Plattformen wie auch für die lokalen Behörden identifizierbar sein.
    Außerdem müssen die Plattformen die von ihnen erhobenen Angaben zu Gastgebern, Unterkunft sowie Zahl der Übernachtungen und den Gästen einmal im Monat den zuständigen lokalen Behörden elektronisch übermitteln.
    Airbnb begrüßt die neuen Regeln. Das Unternehmen hat mitgeteilt, dass die Verordnung den Plattformen und Behörden klare Leitlinien bietet, um Daten gemeinsam zu nutzen, und dass auf dieser Grundlage verhältnismäßige Regeln ausgearbeitet werden können.

    Was sind Folgen eines Verbots von Kurzzeitvermietung?

    In der Stadt New York sind Kurzzeitmieten von weniger als 30 Tagen seit September 2023 weitgehend verboten. Die Zahl der Inserate auf Airbnb ging innerhalb weniger Monate um 83 Prozent zurück. Der erhoffte Effekt für den Wohnungsmarkt stellte sich nicht ein. Die Mieten steigen weiter und die Übernachtungspreise der Hotels verteuerten sich.
    Auch Barcelona will ab November 2028 keine privat betriebenen Ferienappartements mehr dulden. Die etwa 10.000 bestehenden Lizenzen laufen aus. Die bisherigen Ferienappartements sollen auf dem regulären Wohnungsmarkt angeboten werden. Allerdings hat die Stadt keine Handhabe, um das tatsächlich durchzusetzen. Wirtschaftswissenschaftler warnen, dass viele Eigentümer die Wohnungen auch einfach leer stehen lassen könnten.
    Für den Tourismussektor wird die Maßnahme zur Herausforderung. Derzeit machen Ferienwohnungen mit etwa 50.000 Betten mehr als ein Drittel der Übernachtungskapazität der Stadt aus. In nur drei Jahren so viele Hotels zu bauen, wie zum Ausgleich nötig wären, sei so gut wie unmöglich, heißt es aus der Branche. Ökonomen gehen davon aus, dass in Folge des Verbots sowohl die Hotelpreise als auch die Zahl illegal vermieteter Appartements steigen.

    Gibt es Alternativen zu den großen Plattformen?

    Plattformen zum Wohnungstausch wie Home Exchange oder HomeLink werden immer beliebter. Dabei stellen die Nutzer untereinander ihre Privatwohnungen für einen zeitlich befristeten Tausch zur Verfügung.
    Geld ist nicht im Spiel. Der Wert einer Wohnung wird nach Lage und Ausstattung in Punkten bemessen, die Anrecht auf die Nutzung einer anderen Wohnung geben.
    Außerdem sind in den vergangenen Jahren in Anlehnung an die klassische Onlinevermietung Initiativen entstanden, die sich zu besonders hohen ethischen Standards verpflichten. Beispielsweise fließen bei den über die Plattform Fairbnb.coop angebotenen Unterkünften ein Teil des Erlöses an Gemeinschaftsprojekte vor Ort. Das Angebot konzentriert sich bisher auf kleinere Städte und ländliche Unterkünfte.