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Shearwater
Protestalbum mit filmischer Tiefe

Das neue Album der Indie-Rock-Band Shearwater fängt die aktuelle Stimmung in den USA vor den Präsidentschaftswahlen ein. Es ist ein akustisches Zeitzeugnis voller scharfsinniger Kritik und filmischer Momente.

Von Marlene Küster |
    "Als ich eines Tages vom Flugzeug aus die Seitenarme des Mississippi betrachtete, kam gerade eine andere Maschine entgegen. Dabei entstand ein geometrischer Ausschnitt zwischen dem Flugzeug und dem Seitenarm: Technische Konstruktion traf auf natürliche Dimension."
    So erklärt Gitarrist und Sänger Jonathan Meiburg der Band Shearwater den Titel seiner aktuellen Veröffentlichung: "Jet Plane and Oxbow". Die elf Songs erzählen kleine Geschichten, zusammengehalten durch verschiedene Bilder und Perspektiven - vergleichbar mit einem Film.
    "Der erste Song 'Prime' startet mit der Nahaufnahme einer Person, die im Park liegt und zum Himmel hochblickt. Mit jedem Song ändert sich der Bildausschnitt, vergrößert sich, gleitet über die Erde und endet schließlich am wolkenverhangenen Himmel mit 'Stray Light At Clouds Hill'."
    Es sei ein Protestalbum, konkretisiert Jonathan Meiburg. Es fange die Stimmung in den USA jetzt vor den Präsidentschaftswahlen ein:
    "In dieser hitzigen Atmosphäre gibt es das radikale Amerika der blanken Wut. Die Anhänger wettern gegen Immigranten und verbreiten Fremdenhass. Das macht schon irgendwie Angst. Und das andere, moderate Amerika vertritt glücklicherweise Ideale und progressive Ideen."
    "Wir müssen immer irgendwo Krieg führen"
    Der Song "Wildlife in America" wendet sich gegen die Dominanz militärischen Denkens. "Wir wissen nicht, wer wir sind, wir müssen immer irgendwo Krieg führen", sagt Jonathan Meiburg, "so können sich meine Landsleute identifizieren". Und "Quiet Americans" nimmt die Amerikaner noch einmal kritisch unter die Lupe. Da heißt es: Sie schweigen dann, wenn ihre Hilfe gebraucht wird.
    Der dichte, laute Sound drückt gelungen die gereizte, knisternde Spannung in den USA aus - musikalisches Neuland für Jonathan Meiburg. Sein Klanguniversum war bisher ruhiger und mehr von Folk-Einflüssen geprägt:
    "Ich ließ mich von David Bowies 'Scary Monsters', von 'Remain in Light' der Talking Heads und Peter Gabriels 'Three' inspirieren. Irgendwie befinden wir uns gerade in einer ähnlichen Zeit wie in den frühen Achtzigern: einer Umbruchphase, als digitale Technik gerade begann, die Welt der Musikaufnahme zu transformieren."
    Spezielle Sound-Effekte
    Hier leben der Geist der 80er-Jahre und der David-Bowie-Einfluss wieder auf. Doch Shearwater machen daraus etwas Eigenes. Obwohl das Schlagzeug lediglich akustisch gespielt wird, klingt es im Song "Quiet Americans" digital.
    Diese speziellen Sound-Effekte hat Filmkomponist und Perkussionist Brian Reitzell - verantwortlich für die Soundtracks "The Virgin Suicides" und "Lost in Translation" - entscheidend kreiert. Er verlieh "Jet Plane and Oxbow" eine filmische Tiefe.
    "Der Spaß beim Hören des Albums steht für mich an erster Stelle. Zunächst achtete ich auf Harmonie und Melodie. Danach wendete ich mich den Details zu, arbeitete minutiös an Text und Aufnahme. So kann der Hörer hoffentlich immer wieder etwas Neues entdecken."
    "Jet Plane and Oxbow" - ein akustisches Zeitzeugnis, überzeugend, voller scharfsinniger Kritik und filmischer Momente.