Es ist der 17. Dezember 2019. Fallon Sherrock löst mit ihrem ersten Sieg auf der WM-Bühne ein Beben in der Darts-Welt aus. Bei der anschließenden Pressekonferenz ist so viel los, wie sonst nur beim Finale. Vier Tage später legt Sherrock einen weiteren Erfolg nach und der ganze Alexandra Palace ist völlig aus dem Häuschen.
Wayne Mardle ist ehemaliger Profi und heute TV-Experte in England. Er war auch bei der WM vor drei Jahren mit dabei. Er sagt: „Es gab immer die Frage, ob Frauen auch gegen Männer gewinnen können. Fallon hat das bewiesen. Für den Dartssport und sein Wachstum war das eine große Sache. Die Öffentlichkeit, die dadurch entstanden ist, war unglaublich. Leute wie Tennisstar Billy Jean King twitterten plötzlich über Darts."
In der dritten Runde ist zwar für die damals 25-Jährige Schluss, aber ihre Karriere nimmt damit erst richtig Fahrt auf. Sie ist bei vielen Turnieren und Show-Wettkämpfen unter dem Spitznamen „Queen of The Palace“ mit dabei. Im vergangenen Jahr erreicht sie ein Viertelfinale bei einem großen Turnier und bezwingt erneut mehrere Männer. Für Wayne Mardle bringt Sherrock dadurch auch den Frauen-Dartssport nach vorne:
„Es gibt inzwischen zum ersten Mal eine eigene Frauen-Turnierserie bei der PDC. Fallon‘s Leistungen haben dazu beigetragen. Ich bin froh, dass die Frauen jetzt auch Geld in dieser Organisation verdienen können.“
Sherrock hat die WM zunächst verpasst
Auch in diesem Jahr reist Sherrock mit anderen Stars der Professional Darts Corporation um die Welt. Spielt Turniere in New York, Australien, oder Neuseeland. Dabei gelingen ihr aber kaum gute Leistungen und es gibt erste Kritik im Netz. Auf der Frauen-Tour wird sie Dritte in der Rangliste und verpasst damit zunächst auch die Weltmeisterschaft.
Die Professional Darts Corporation lässt aber einen der 96 Startplätze bis Mitte November offen. Dann gibt sie bekannt: Sherrock ist doch mit dabei. Offiziell als Siegerin des Women’s World Matchplay. Ein Turnier, das bereits im Juli stattfand. Sherrock selbst erfährt es von einem der Verantwortlichen am Telefon, berichtet sie auf dem Portal „Online Darts“:
„Es war eine große Erleichterung und ich war sehr glücklich. Ich kann nicht in Worte fassen, wie ich mich gefühlt habe. Als ich erst nicht dabei war schien das ganze Jahr umsonst gewesen zu sein, aber dann war es wie ein Sieg für mich.“
TV-Experte Wayne Mardle: "Viel zu spät entschieden"
In den sozialen Netzwerken hagelt es allerdings Kritik an ihr und dem Veranstalter. Unverständnis gibt es auch bei ein paar anderen WM-Teilnehmern. TV-Experte Wayne Mardle sieht ebenfalls einen faden Beigeschmack:
„Vielleicht hat die PDC gesagt: ‚Wir geben dir diesen Platz, weil du in den vergangenen Jahren so viel für den Sport getan hast.' Damit habe ich kein Problem. Mein Problem ist, dass das Women’s World Matchplay nie ein Qualifikationskriterium war. Das wurde viel zu spät entschieden.“
Sherrock: "Wer würde ‚nein‘ dazu sagen?"
Für Fallon Sherrock kam es nie in Frage, den WM-Platz abzulehnen. Sie kann die ständige Kritik an ihrer Person nicht nachvollziehen: „Wenn dir jemand sagt, dass du um die Welt reisen kannst, um auf verschiedenen Bühnen Dart zu spielen. Wer würde ‚nein‘ dazu sagen? Ich denke niemand. Es ist nicht meine Schuld, dass mir diese Möglichkeit gegeben wurde. Es könnte sein, dass eine andere Frau in der Zukunft so etwas machen darf und dann würde sie das auch nicht ablehnen. Ich kann jetzt etwas dazu beitragen, dass auch andere Spielerinnen irgendwann diese Chance bekommen.“
Die Professional Darts Corporation ist kein Sportverband, sondern ein gewinnorientiertes Unternehmen. Sie macht ihre eigenen Regeln. Bei der Weltmeisterschaft spielen regelmäßig internationale Qualifikanten aus Ländern mit, in denen der Markt für den Sport besonders attraktiv scheint. Unter anderem das Darts-Entwicklungsland China. Die Kritik daran ist eher klein.
"Freue mich auf die Stimmung"
Der geschenkte WM-Startplatz dürfte es für Sherrock nun nicht leichter machen, glaubt Wayne Mardle: „Fallon Sherrock spielt nicht so gut wie vor zwei oder drei Jahren, das ist die Schwierigkeit. Der Druck wird also steigen, wir reden hier über Leistungsdruck. Sie hat einen Startplatz bei der Weltmeisterschaft bekommen, muss jetzt aber auch da rausgehen, gut spielen und diese Einladung rechtfertigen. Zuvor musste sie das noch nie.“
Wenn Fallon Sherrock Druck spürt, lässt sie sich das nicht anmerken. Nach außen fiebert sie jetzt ihrer dritten Weltmeisterschaft entgegen: „Ich freue mich auf die Stimmung, die Atmosphäre und wieder die ‚Queen of the Palace‘ zu sein.“