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Ship Recycling Summit
Mehr Umweltschutz für Abwrackwerften

Kreuzfahrtschiffe, Tanker und Fähren fahren oft viele Jahrzehnte über die Weltmeere, aber irgendwann werden fast alle verschrottet. Fast 70 Prozent aller schrottreifen Schiffe werden unter katastrophalen Bedingungen recyclet. Auf einer Konferenz in Singapur werden Konzepte diskutiert, um die Branche sauberer zu machen.

Von Monika Seynsche |
    Bangladesch ist ein armes Land mit laxen Umweltschutzgesetzen, kaum vorhandenem Arbeitsschutz und langen, sandigen Stränden. Alles zusammen lockt Schiffsrecycler an. Sie lassen schrottreife Schiffe mit voller Fahrt auf den Strand laufen, um sie dort auszuschlachten. Mohammad Sujauddin untersucht an der North South University in Bangladesch die Stoffkreisläufe dieses boomenden Industriezweiges.
    "Aus der Analyse von Satellitenaufnahmen wissen wir, dass die Abwrackwerften im Jahr 1989 gerade einmal 2 Kilometer Küstenlinie einnahmen. Im Jahr 2012 waren es schon 12 Kilometer. Einem Bericht der Weltbank zufolge hat die Abwrackindustrie zwischen 8000 und 22.000 direkte Arbeitsplätze und bis zu 200.000 indirekte Arbeitsplätze geschaffen. Es ist also eine sehr große Industrie."
    Für die Wirtschaft Bangladeschs spiele sie eine wichtige Rolle, sagt der Forscher. Aus ihr werde ein Großteil des heimischen Stahlbedarfs gedeckt. Und auch Kupfer, Aluminium, Zink und Messing werden wiederverwendet. Außerdem werden Motoren, Pumpen, Generatoren und andere Maschinenteile, sowie noch an Bord befindliche Nahrungsmittel und sogar Medikamente weiterverkauft.
    "In den Schiffen befinden sich allerdings auch sehr viele gefährliche Substanzen, die beim Zerlegen frei werden. Asbest zum Beispiel ist häufig in Isoliermaterialien enthalten. In vielen Kabeln stecken giftige und krebserregende polychlorierte Biphenyle. In den alten Kühlschränken sind oft noch FCKWs enthalten. Darüber hinaus ist es allein bis 2005 in den Abwrackwerften Bangladeschs zu 400 Todesfällen und über 6000 Verletzungen gekommen, in der Regel verursacht durch Explosionen oder herabfallende Stahlteile."
    Henning Gramann will die Arbeit in den Abwrackwerften sicherer und umweltfreundlicher machen. Nach Ansicht des technischen Beraters des Bundesverkehrsministeriums und Geschäftsführers der "Green Ship Recycling Services GmbH" sind dafür vor allem zwei Dinge notwendig: ein Gefahrstoffkataster an Bord der Schiffe und eine bessere Ausbildung der Arbeiter.
    "Meine Firma kümmert sich um die Gefahrstofferfassung an Bord von Schiffen, damit diese Informationen bei dem Recycling von Schiffen auch entsprechend verwendet werden können. Und wir bereiten Schiffsrecycling Facilities, also die Abwrackwerften auf den neuen internationalen Standard vor."
    Dieser wurde im Jahr 2009 von den Mitgliedsstaaten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO in der sogenannten Hongkong-Konvention festgeschrieben - einer Vereinbarung, die das sichere und umweltfreundliche Recycling von Schiffen gewährleisten soll. Allerdings ist die Konvention bis heute nur von Norwegen, Frankreich und der Republik Kongo ratifiziert worden. Es wird also noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis sie in Kraft tritt. Auf EU-Ebene immerhin werden die neuen Standards und die Gefahrstoffkataster im Rahmen einer EU-Verordnung ab spätestens 2020 Pflicht sein - für alle 30.000 Schiffe, die entweder in Europa registriert sind oder die dortigen Häfen anlaufen.
    "Das heißt, Schiffe werden dann mit einem Gefahrstoffkataster zu den Recyclingbetrieben geliefert und diese Recyclingbetriebe haben dann die Möglichkeit anhand dieser Information ein sicheres und umweltgerechtes Recycling sicherzustellen."
    Das könne allerdings nur funktionieren, wenn die Arbeiter in den Recyclingbetrieben entsprechend geschult werden. Das wiederum kostet Geld und mindert den Preis, den die Abwrackwerften den Reedern für ihre Schiffe bezahlen können. Und bislang verkaufen die allermeisten Reedereien ihre alten Schiffe einfach an denjenigen, der ihnen das meiste Geld bietet - ganz egal, wie er die Schiffe dann abwrackt. Ob und wann die Hongkong-Konvention hier für ein Umdenken sorgt, bleibt abzuwarten.