Als wäre man in einem dieser Einkaufstempel gelandet, so fühlt man sich zu Beginn der Ausstellung tatsächlich: "World of Malls" steht in knallig, gelb-roten Neonlettern an der Wand, rechts und links reihen sich die Schaufenster, die Luft riecht leicht parfümiert – da fehlt nur die berühmt-berüchtigte Kaufhausmusik.
Auf den ersten Blick (und Atemzug) könnte man meinen, die Pinakothek der Moderne feiere diese "Architekturen des Konsums". Etwas komplizierter ist es aber schon. Das stimmt so aber nicht, man spielt mit den Symbolen von Kommerz und Kaufrausch, schließlich fügt sich die Fülle an Informationen zu einem differenzierten Bild zusammen.
Querschnitt durch die Einkaufswelt
23 ausgewählte Shopping Malls aus der ganzen Welt sind Thema der Ausstellung. Anhand von großformatigen Fotos, Bauplänen, Skizzen und Modellen wird jedes Einkaufszentrum mit seinen architektonischen und lebensweltlichen Besonderheiten einzeln vorgestellt – von München bis Caracas, von den 50er-Jahren bis heute. Dazu, Interviews mit Architekten, Investoren und Aktivisten sowie eine Reihe von Zahlen aus der Rubrik unnützes Wissen.
Insgesamt: ein sehr materialreicher und durchaus repräsentativer Querschnitt durch die Einkaufswelt.
Große Architektennamen wie Norman Foster, David Adjaye oder Frank Gehry sind vertreten, aber doch eher die Ausnahme. Das ist wenig überraschend. Fürs Prestige gibt es (nach wie vor) bessere Aufträge als ein Einkaufszentrum, erklärt Kuratorin Simone Bader:
"Bei vielen Architekten ist es tatsächlich so, dass sie sich nicht mit dem Projekt Shopping Mall in der Öffentlichkeit vorstellen wollen. Einer der wichtigsten Gründe ist, dass sie das Shoppingcenter meist nicht komplett konzipieren können. Sie unterliegen starken Reglementierungen und Vorgaben, die von den Betreibern gemacht werden. Auf die Innengestaltung haben sie zum Beispiel oft keinerlei Einfluss."
Mehr als ein Ort zum Einkaufen
Gestalt und Funktion der Shopping Malls haben sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte durchaus verändert: Die Einkaufstempel sind vermehrt von den Suburbs, vom Stadtrand ins Zentrum gerückt, sie sind nicht mehr nur Einkaufs--, sondern Erlebnis-- und Freizeitorte, bieten Wohnraum, Unterhaltung und (manchmal sogar) Kultur. Damit verbunden spielt auch die Architektur jenseits von Standard--Design und normierten Bauelementen eine immer wichtigere Rolle. All das sieht man in der Münchner Ausstellung.
Ein deutsches Vorzeigeprojekt sind die Höfe am Brühl in Leipzig samt Parkhaus und Atrium--Wohnungen, die sich verspielt und kleinteilig in die Innenstadt einfügen und die umliegenden Geschäfte ergänzen statt auszugrenzen. Am Beispiel von """Las Arenas""" in Barcelona lässt sich nachvollziehen, wie überholte Orte, in diesem Fall eine Stierkampfarena, durch gut geplanten Umbau wieder attraktiv gemacht werden können.
Aber es gibt auch Negativbeispiele, wie das Münchner Mammutprojekt "Schwabylon" aus den 70er--Jahren, das nur kurze Zeit nach seiner Eröffnung wegen Fehlplanungen und finanziellen Schwierigkeiten wieder abgerissen wurde. Auch optisch ein Gewinn (der Abriss!). Und die Folgen der Eröffnung des Centro in Oberhausen (1996) sind hinlänglich bekannt: Die Bürger verloren ihre alte Innenstadt, Geschäfte mussten schließen, Arbeitsplätze gingen verloren, der öffentliche Raum ist heute quasi tot.
Denn auch das wird klar: Eine Mall mit ihren impliziten Regeln und Verboten ist immer nur für ein gewisses Publikum gedacht und auf einen Hauptzweck ausgerichtet: Konsum. Insofern ist es nur ehrlich, wenn ein Bau wie Horton Plaza in San Diego das Grelle, Bunte und Künstliche allzu deutlich zur Schau stellt, ja inszeniert. Immerhin: die Canyon--artige Konstruktion beeindruckt. Oder wenn der wahnsinnige Gigantismus einer Skihalle in Dubai inmitten der Einkaufsmeile "The Mall of the Emirates" verwirklicht wird. Winter Wonder Einkaufsland – Walt Disney lässt grüßen!
Der Export dieses westlichen Konzepts in die restliche Welt hat dann auch sein Für und Wider:
"In den arabischen Ländern, aber auch in Südamerika und Afrika, spielt die Mall ja noch mal eine andere Rolle: Da sind das wichtige Begegnungsorte, wo die Menschen sich frei fühlen, aber auf der anderen Seite sind diese Orte auch Ziele von Terrorangriffen, weil es ein westliches Produkt ist, das aus Amerika kommt."
Kein erhobener Zeigefinger
Die Ausstellung spart sich den erhobenen Zeigefinger oder plakative Botschaften. Stattdessen bietet sie viel Text, viel Anschauungsmaterial und viel Information. Pro und Contra. Nüchterner Ton. Die Beurteilung überlässt man dem Besucher. Das wird bei solch einem kontroversen Thema gerade diejenigen ärgern, die meinen, der unaufgeklärte Verbraucher müsse doch zum Besseren erzogen werden. Der Aufklärung allerdings ist es zuträglich, dass genau darauf verzichtet wird.