Peter Kapern: 14.000 Mitarbeiter hat die insolvente Drogeriemarkt-Kette Schlecker, über deren Schicksal heute entschieden wird. Derzeit noch 10.000 ihrer Mitarbeiter sind bereits Ende März entlassen worden. FDP-Chef Philipp Rösler ermunterte sie ja damals, wir haben das gerade gehört, sich doch bitte schön um eine Anschlussverwendung zu kümmern. Dieses Kümmern gestaltet sich, anders als es sich der Chefliberale wohl vorgestellt hat, äußerst schwierig.
Mitgehört hat Professor Roland Alter, Betriebswirt an der Hochschule in Heilbronn und Autor eines Buchs über das bankrotte Drogeriemarktimperium. Guten Morgen, Herr Alter.
Roland Alter: Guten Morgen, Herr Kapern.
Kapern: Herr Alter, heute treffen sich also die Schlecker-Gläubiger, um darüber zu beraten, ob sie die Angebote möglicher Investoren annehmen, oder Schlecker endgültig Pleite gehen lassen. Worauf wären Sie bereit, eine Wette abzuschließen, auf das Schlecker-Ende oder auf eine Schlecker-Rettung?
Alter: Na ja, das ist etwas schwieriger, darauf direkt eine Wette abzuschließen, aber ich glaube, alle Zeichen deuten doch eher darauf hin, dass es zu einem Ende von Schlecker kommen wird. Es sind nach unserem Wissensstand ja zurzeit nur noch zwei potenzielle Interessenten im Rennen. Das ist zum einen Herr Berggruen, der auch bei Karstadt sich engagiert hat, und zum anderen ist es der Investor Cerberus, Private-Equity-Investor, das was man gelegentlich auch als "Heuschrecke" bezeichnet.
Kapern: Warum trauen Sie denen nicht zu, Schlecker retten zu wollen?
Alter: Das prinzipielle Interesse, Schlecker retten zu wollen, das ist sicherlich vorhanden, aber das sind ganz klar hart verhandelnde Geschäftsleute, die versuchen, Schlecker jetzt zu einem sehr niedrigen Preis zu erwerben, also das, was von Schlecker noch vorhanden ist, und das steht im Grunde im gewissen Widerspruch zu den Interessen der Gläubiger, die versuchen wollen, noch möglichst viel von ihren Forderungen gegenüber Schlecker zu realisieren. Und heute wird es gewissermaßen zum - ja, wie würde man sagen? - Showdown kommen. Beide Seiten müssen letztendlich auf den Tisch legen, was ihre maximalen Möglichkeiten darstellen, die Investoren, was sind sie maximal bereit zu bezahlen, und die Gläubiger, worauf sind sie maximal bereit, bei ihren Forderungen zu verzichten.
Kapern: Welche Interessen, welche konkreten Interessen haben denn wohl Cerberus und Berggruen mit ihrem möglichen angebotenen Engagement bei Schlecker? Was haben die mit dieser Drogeriemarkt-Kette möglicherweise vor?
Alter: Das ist nicht ganz klar im Einzelnen herauszulesen. Aber wenn wir uns anschauen, wie typische Fälle in anderen Situationen dann durchgeführt wurden, dann sieht es so aus, dass versucht wird, bestimmte interessante Teile zu veräußern. Es ist so, dass zum Schlecker-Imperium, wenn ich es mal so nennen darf, auch das Spaniengeschäft gehört. Das sind circa 1200 Filialen. Das soll so weit profitabel sein, nach dem was wir so wissen. Das wäre sicherlich ein Teil, der sich relativ gut veräußern ließe. Sicherlich liegen Herrn Geiwitz, dem Insolvenzverwalter, dafür auch schon Angebote vor. Das sind gewissermaßen so kleinere Perlen, die das Deutschlandgeschäft noch halbwegs möglicherweise interessant machen, weil sich diese Auslandsgeschäfte separieren und verkaufen lassen. Sie sind also werthaltig, das fließt in die Bewertung ein. Das Problem ist in der Tat die Frage, mit welchem Konzept schafft man es dann letztlich, das Deutschlandgeschäft soweit wieder auf solide Beine zu stellen, dass dort keine Verluste mehr entstehen.
Kapern: Wie könnte so ein Konzept aussehen? Schlecker hat gerade seine französische Tochter verkauft, der Investor überlegt, dort so was wie Minisupermärkte zu eröffnen. Wäre das auch eine denkbare Lösung für die deutschen Filialen?
Alter: Ich halte das persönlich für relativ schwierig. Wenn man sich den französischen Fall anschaut, dann ist es so, dass die kaufende Gesellschaft selbst dort schon über Aktivitäten verfügt. Dort wird gewissermaßen das relativ kleine Schlecker-Geschäft angeflanscht und aus einer vorhandenen Logistikkette heraus werden diese Läden dann beliefert.
Kapern: Das ist also ein Lebensmittelhändler?
Alter: Gewissermaßen eine Art Lebensmittelhändler mit Produkten und Waren des täglichen Bedarfs. Und wir haben die Situation, dass Schlecker ja im Kern erst mal ein Drogeriegeschäft ist. Das heißt, sein Warensortiment, seine ganze Ausrichtung gilt dem klassischen Drogeriebereich. Diese kleinen Minisupermärkte haben also eine andere Produktstruktur, sie erfordern eine andere Art der Logistik, und hier ist Schlecker, das, was wir von Schlecker heute kennen, im Grunde ja gar nicht wirklich gut aufgestellt, das müsste also komplett umstrukturiert werden. Das ist ein denkbares Modell, allerdings eines mit sehr hohen Risiken. Dieses Modell wäre sehr viel leichter von einem der großen deutschen Lebensmittelhändler zu realisieren, denken wir zum Beispiel an Firmen wie Rewe oder Edeka. Und es muss einem ja auch zu denken geben, dass von dieser Seite überhaupt keine Vorstöße unternommen wurden.
Kapern: Braucht - das ist ja die Frage, die sich dann anschließt -, Herr Alter, braucht Deutschland eigentlich Schlecker?
Alter: Na ja, machen wir einfach mal folgende kleine Denkübung. Stellen wir uns vor, morgen würden alle Schlecker-Läden auf einen Schlag geschlossen. Hätten wir tatsächlich in den nächsten Tagen, in der nächsten Woche eine echte Verknappung an Drogerieprodukten, von Zahnpasta über Haarshampoo und Hautcremes? Ich glaube, ehrlicherweise muss man sagen: Nein, wir hätten sie nicht. Es gäbe gewisse vielleicht Unannehmlichkeiten, gerade natürlich - der Fairness halber muss man das schon sagen - im ländlichen Bereich, aber das würde sich relativ schnell irgendwo wieder ausbalancieren. Also die Antwort auf Ihre Frage ist nein, streng genommen brauchen wir Schlecker nicht, was jetzt die Versorgung mit Produkten angeht.
Kapern: Professor Roland Alter, Betriebswirt an der Hochschule in Heilbronn, zum Schlecker-Imperium, über dessen Zukunft heute entschieden wird. Herr Alter, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Alter: Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Kapern. Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mitgehört hat Professor Roland Alter, Betriebswirt an der Hochschule in Heilbronn und Autor eines Buchs über das bankrotte Drogeriemarktimperium. Guten Morgen, Herr Alter.
Roland Alter: Guten Morgen, Herr Kapern.
Kapern: Herr Alter, heute treffen sich also die Schlecker-Gläubiger, um darüber zu beraten, ob sie die Angebote möglicher Investoren annehmen, oder Schlecker endgültig Pleite gehen lassen. Worauf wären Sie bereit, eine Wette abzuschließen, auf das Schlecker-Ende oder auf eine Schlecker-Rettung?
Alter: Na ja, das ist etwas schwieriger, darauf direkt eine Wette abzuschließen, aber ich glaube, alle Zeichen deuten doch eher darauf hin, dass es zu einem Ende von Schlecker kommen wird. Es sind nach unserem Wissensstand ja zurzeit nur noch zwei potenzielle Interessenten im Rennen. Das ist zum einen Herr Berggruen, der auch bei Karstadt sich engagiert hat, und zum anderen ist es der Investor Cerberus, Private-Equity-Investor, das was man gelegentlich auch als "Heuschrecke" bezeichnet.
Kapern: Warum trauen Sie denen nicht zu, Schlecker retten zu wollen?
Alter: Das prinzipielle Interesse, Schlecker retten zu wollen, das ist sicherlich vorhanden, aber das sind ganz klar hart verhandelnde Geschäftsleute, die versuchen, Schlecker jetzt zu einem sehr niedrigen Preis zu erwerben, also das, was von Schlecker noch vorhanden ist, und das steht im Grunde im gewissen Widerspruch zu den Interessen der Gläubiger, die versuchen wollen, noch möglichst viel von ihren Forderungen gegenüber Schlecker zu realisieren. Und heute wird es gewissermaßen zum - ja, wie würde man sagen? - Showdown kommen. Beide Seiten müssen letztendlich auf den Tisch legen, was ihre maximalen Möglichkeiten darstellen, die Investoren, was sind sie maximal bereit zu bezahlen, und die Gläubiger, worauf sind sie maximal bereit, bei ihren Forderungen zu verzichten.
Kapern: Welche Interessen, welche konkreten Interessen haben denn wohl Cerberus und Berggruen mit ihrem möglichen angebotenen Engagement bei Schlecker? Was haben die mit dieser Drogeriemarkt-Kette möglicherweise vor?
Alter: Das ist nicht ganz klar im Einzelnen herauszulesen. Aber wenn wir uns anschauen, wie typische Fälle in anderen Situationen dann durchgeführt wurden, dann sieht es so aus, dass versucht wird, bestimmte interessante Teile zu veräußern. Es ist so, dass zum Schlecker-Imperium, wenn ich es mal so nennen darf, auch das Spaniengeschäft gehört. Das sind circa 1200 Filialen. Das soll so weit profitabel sein, nach dem was wir so wissen. Das wäre sicherlich ein Teil, der sich relativ gut veräußern ließe. Sicherlich liegen Herrn Geiwitz, dem Insolvenzverwalter, dafür auch schon Angebote vor. Das sind gewissermaßen so kleinere Perlen, die das Deutschlandgeschäft noch halbwegs möglicherweise interessant machen, weil sich diese Auslandsgeschäfte separieren und verkaufen lassen. Sie sind also werthaltig, das fließt in die Bewertung ein. Das Problem ist in der Tat die Frage, mit welchem Konzept schafft man es dann letztlich, das Deutschlandgeschäft soweit wieder auf solide Beine zu stellen, dass dort keine Verluste mehr entstehen.
Kapern: Wie könnte so ein Konzept aussehen? Schlecker hat gerade seine französische Tochter verkauft, der Investor überlegt, dort so was wie Minisupermärkte zu eröffnen. Wäre das auch eine denkbare Lösung für die deutschen Filialen?
Alter: Ich halte das persönlich für relativ schwierig. Wenn man sich den französischen Fall anschaut, dann ist es so, dass die kaufende Gesellschaft selbst dort schon über Aktivitäten verfügt. Dort wird gewissermaßen das relativ kleine Schlecker-Geschäft angeflanscht und aus einer vorhandenen Logistikkette heraus werden diese Läden dann beliefert.
Kapern: Das ist also ein Lebensmittelhändler?
Alter: Gewissermaßen eine Art Lebensmittelhändler mit Produkten und Waren des täglichen Bedarfs. Und wir haben die Situation, dass Schlecker ja im Kern erst mal ein Drogeriegeschäft ist. Das heißt, sein Warensortiment, seine ganze Ausrichtung gilt dem klassischen Drogeriebereich. Diese kleinen Minisupermärkte haben also eine andere Produktstruktur, sie erfordern eine andere Art der Logistik, und hier ist Schlecker, das, was wir von Schlecker heute kennen, im Grunde ja gar nicht wirklich gut aufgestellt, das müsste also komplett umstrukturiert werden. Das ist ein denkbares Modell, allerdings eines mit sehr hohen Risiken. Dieses Modell wäre sehr viel leichter von einem der großen deutschen Lebensmittelhändler zu realisieren, denken wir zum Beispiel an Firmen wie Rewe oder Edeka. Und es muss einem ja auch zu denken geben, dass von dieser Seite überhaupt keine Vorstöße unternommen wurden.
Kapern: Braucht - das ist ja die Frage, die sich dann anschließt -, Herr Alter, braucht Deutschland eigentlich Schlecker?
Alter: Na ja, machen wir einfach mal folgende kleine Denkübung. Stellen wir uns vor, morgen würden alle Schlecker-Läden auf einen Schlag geschlossen. Hätten wir tatsächlich in den nächsten Tagen, in der nächsten Woche eine echte Verknappung an Drogerieprodukten, von Zahnpasta über Haarshampoo und Hautcremes? Ich glaube, ehrlicherweise muss man sagen: Nein, wir hätten sie nicht. Es gäbe gewisse vielleicht Unannehmlichkeiten, gerade natürlich - der Fairness halber muss man das schon sagen - im ländlichen Bereich, aber das würde sich relativ schnell irgendwo wieder ausbalancieren. Also die Antwort auf Ihre Frage ist nein, streng genommen brauchen wir Schlecker nicht, was jetzt die Versorgung mit Produkten angeht.
Kapern: Professor Roland Alter, Betriebswirt an der Hochschule in Heilbronn, zum Schlecker-Imperium, über dessen Zukunft heute entschieden wird. Herr Alter, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Alter: Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Kapern. Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.