Jochen Steiner: Heute beginnt im südafrikanischen Durban die UN-Klimakonferenz. Delegierte aus 190 Staaten beraten bis zum 9. Dezember vor allem über eine Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll, das im nächsten Jahr ausläuft. Die Erwartungen an einen Durchbruch bei dieser Konferenz sind gering. Kurz vor der Sendung konnte ich mit Professor Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sprechen und ich habe ihn zunächst nach seinen Erwartungen gefragt.
Wolfgang Lucht: Ich erwarte vor allem, dass man endlich erkennt, dass sich das Klimaproblem nicht vertagen lässt - dass man mit jedem Jahr, das man wartet, von der Lösung des Klimaproblems weiter entfernt ist.
Steiner: Am Freitag haben wir hier in "Forschung aktuell" darüber berichtet, dass sich die Jahresmitteltemperatur "nur" um 2,3 Grad erhöhen könnte, wenn sich der Ausstoß an Kohlendioxid verdoppelt. Andere Studien gehen von einer Erwärmung der Erdatmosphäre von bis zu sechs Grad aus bis 2100. Was ist denn Ihre Zahl?
Lucht: Es gibt eine Unsicherheit bei der Klimasensitivität. Wir wissen also nicht ganz genau, was die Erwärmung sein wird bei einer Verdopplung des CO2 oder bei einer Verdreifachung, die auch denkbar ist bis zum Ende des Jahrhunderts. Sicher ist aber, dass es zu einer Erwärmung kommen wird. Und die könnte im günstigsten Fall bei etwa drei Grad liegen, wenn wir so weitermachen wie bisher - könnte aber auch eher in Richtung fünf bis sechs Grad gehen. Es gibt im Moment keinen Grund anzunehmen, dass der günstigere Fall eintreten wird.
Steiner: Wie würde sich denn die Erwärmung der Erdatmosphäre konkret dann auf die Menschen bemerkbar machen. Wer wäre am stärksten betroffen?
Lucht: Wenn es eine Temperaturerhöhung gäbe, die zwei Grad nicht übersteigt, so würde man dennoch global überall Veränderungen sehen, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Sie wären aber noch in einer Größenordnung, dass sie vermutlich mit Anstrengungen zu verkraften wären. Und wenn die Erwärmung stärker würde - also drei Grad, vier Grad oder fünf Grad betrüge - würde man in Bereiche kommen, wo die Gefahr unbeherrschbarer Veränderungen größer würde. Und die Anpassungsleistungen, die erforderlich werden, würden auch sehr teuer werden. Insbesondere muss man damit rechnen, dass die Ökosysteme der Welt sich fast überall verändern. Vegetation ist Klimaabhängig und reagiert auf ein anderes Klima. Wir hätten also mit einem Umbau der bestehenden Umwelt zu tun. Die landwirtschaftliche Produktion wird weltweit abnehmen bei Temperaturen oberhalb von drei Grad. Der Meeresspiegel wird bis zum Ende des Jahrhunderts zwischen einem halben und eineinhalb Metern steigen - durch die fortschreitende Schmelze der Gletscher. Und es gib große Phänomene im Erdsystem, sogenannte Kippelemente, wo wir uns nicht sicher sind, dass nicht große Änderungen im Erdsystem bevorstehen könnten. Zum Beispiel: Der indische Monsun könnte in der Nähe einer Instabilität operieren - das wissen wir aus der Erdgeschichte. Und wenn der indische Monsun nicht mehr verlässlich wäre, hätte das riesige Auswirkungen auf den Subkontinent mit einer Milliarde Menschen. Das Risiko für diese Phänomene steigt deutlich oberhalb von drei Grad an. Mit derzeitigen Reduktionsverpflichtungen sind wir auf einem Kurs, wo wir oberhalb von drei Grad landen Ende des Jahrhunderts. Das heißt weit oberhalb der Sicherheitsmarke zwei Grad.
Steiner: Das heißt, häufigere Überschwemmungen wie jetzt etwa in Thailand, häufigere Dürreperioden wie in Ostafrika?
Lucht: Das ist regional sehr verschieden. In einem wärmeren System ist mehr Energie in der Atmosphäre und daher ist das Wetter extremer, die Wettererscheinungen sind heftiger. Von daher kann man mit einer Zunahme der Extremwetterereignisse rechnen. Gleichzeitig besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass sich Klimazonen verschieben und Wettermuster verschieben. Dazu gehören auch Niederschlagsmuster. In einigen Bereichen wird es also mehr regnen, in anderen Bereichen weniger. Die Anpassungsmaßnahmen sind nicht umsonst. Insofern geht es nicht nur darum: Was kostet die Vermeidung des Klimawandels? Es geht darum, dass die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ähnliche Größenordnungen bei den Finanzen erreicht, wenn nicht sogar teurer ist.
Steiner: Dann nennen Sie doch einmal einige effektive Maßnahmen, die den Klimawandel wirklich verlangsamen könnten!
Lucht: Also es geht natürlich darum, die Treibhausemissionen massiv zu reduzieren. Bis zum Jahr 2050 müssen Sie global halbiert werden. Und das heißt, dass wir in den reicheren Ländern, die vorangehen sollten, zum eigenen Vorteil im Wesentlichen CO2-frei werden sollten. Das allererste, was man da schon mal sagen kann, ist, dass wir noch längst nicht alle Möglichkeiten in der Energieeffizienz ausgereizt haben. Hier kann noch sehr viel getan werden. Das kann bis zu einem Drittel einsparen. Das zweite ist, dass eine große Konzentration auf zukunftsfähige Technologien gesetzt werden muss. Derzeit ist das immer noch ein bisschen ein Randgeschehen. Auch wenn es sich schon sehr viel stärker entwickelt hat als vor einigen Jahren. Dennoch braucht es eigentlich eine Gesamtkonzentration darauf, die Nachhaltigkeit unserer Wirtschaftsweisen auf Dauer sicherzustellen. Und das bedeutet, dass man mutig nach vorne geht. Und diese Politikwende wird ja zurzeit diskutiert. Das hängt mit der Frage zusammen, ob Europa freiwillig noch höhere Klimaschutzverpflichtungen eingehen sollte. Weil sich letztlich die Überzeugung durchsetzt, dass damit Europa nachhaltiger, auch wirtschaftlich stabiler gestaltet werden kann, als wenn man an alten Technologien festhält. Die fossile Energietechnologie ist auf Dauer in jedem Fall kein Zukunftsmodell.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Wolfgang Lucht: Ich erwarte vor allem, dass man endlich erkennt, dass sich das Klimaproblem nicht vertagen lässt - dass man mit jedem Jahr, das man wartet, von der Lösung des Klimaproblems weiter entfernt ist.
Steiner: Am Freitag haben wir hier in "Forschung aktuell" darüber berichtet, dass sich die Jahresmitteltemperatur "nur" um 2,3 Grad erhöhen könnte, wenn sich der Ausstoß an Kohlendioxid verdoppelt. Andere Studien gehen von einer Erwärmung der Erdatmosphäre von bis zu sechs Grad aus bis 2100. Was ist denn Ihre Zahl?
Lucht: Es gibt eine Unsicherheit bei der Klimasensitivität. Wir wissen also nicht ganz genau, was die Erwärmung sein wird bei einer Verdopplung des CO2 oder bei einer Verdreifachung, die auch denkbar ist bis zum Ende des Jahrhunderts. Sicher ist aber, dass es zu einer Erwärmung kommen wird. Und die könnte im günstigsten Fall bei etwa drei Grad liegen, wenn wir so weitermachen wie bisher - könnte aber auch eher in Richtung fünf bis sechs Grad gehen. Es gibt im Moment keinen Grund anzunehmen, dass der günstigere Fall eintreten wird.
Steiner: Wie würde sich denn die Erwärmung der Erdatmosphäre konkret dann auf die Menschen bemerkbar machen. Wer wäre am stärksten betroffen?
Lucht: Wenn es eine Temperaturerhöhung gäbe, die zwei Grad nicht übersteigt, so würde man dennoch global überall Veränderungen sehen, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Sie wären aber noch in einer Größenordnung, dass sie vermutlich mit Anstrengungen zu verkraften wären. Und wenn die Erwärmung stärker würde - also drei Grad, vier Grad oder fünf Grad betrüge - würde man in Bereiche kommen, wo die Gefahr unbeherrschbarer Veränderungen größer würde. Und die Anpassungsleistungen, die erforderlich werden, würden auch sehr teuer werden. Insbesondere muss man damit rechnen, dass die Ökosysteme der Welt sich fast überall verändern. Vegetation ist Klimaabhängig und reagiert auf ein anderes Klima. Wir hätten also mit einem Umbau der bestehenden Umwelt zu tun. Die landwirtschaftliche Produktion wird weltweit abnehmen bei Temperaturen oberhalb von drei Grad. Der Meeresspiegel wird bis zum Ende des Jahrhunderts zwischen einem halben und eineinhalb Metern steigen - durch die fortschreitende Schmelze der Gletscher. Und es gib große Phänomene im Erdsystem, sogenannte Kippelemente, wo wir uns nicht sicher sind, dass nicht große Änderungen im Erdsystem bevorstehen könnten. Zum Beispiel: Der indische Monsun könnte in der Nähe einer Instabilität operieren - das wissen wir aus der Erdgeschichte. Und wenn der indische Monsun nicht mehr verlässlich wäre, hätte das riesige Auswirkungen auf den Subkontinent mit einer Milliarde Menschen. Das Risiko für diese Phänomene steigt deutlich oberhalb von drei Grad an. Mit derzeitigen Reduktionsverpflichtungen sind wir auf einem Kurs, wo wir oberhalb von drei Grad landen Ende des Jahrhunderts. Das heißt weit oberhalb der Sicherheitsmarke zwei Grad.
Steiner: Das heißt, häufigere Überschwemmungen wie jetzt etwa in Thailand, häufigere Dürreperioden wie in Ostafrika?
Lucht: Das ist regional sehr verschieden. In einem wärmeren System ist mehr Energie in der Atmosphäre und daher ist das Wetter extremer, die Wettererscheinungen sind heftiger. Von daher kann man mit einer Zunahme der Extremwetterereignisse rechnen. Gleichzeitig besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass sich Klimazonen verschieben und Wettermuster verschieben. Dazu gehören auch Niederschlagsmuster. In einigen Bereichen wird es also mehr regnen, in anderen Bereichen weniger. Die Anpassungsmaßnahmen sind nicht umsonst. Insofern geht es nicht nur darum: Was kostet die Vermeidung des Klimawandels? Es geht darum, dass die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ähnliche Größenordnungen bei den Finanzen erreicht, wenn nicht sogar teurer ist.
Steiner: Dann nennen Sie doch einmal einige effektive Maßnahmen, die den Klimawandel wirklich verlangsamen könnten!
Lucht: Also es geht natürlich darum, die Treibhausemissionen massiv zu reduzieren. Bis zum Jahr 2050 müssen Sie global halbiert werden. Und das heißt, dass wir in den reicheren Ländern, die vorangehen sollten, zum eigenen Vorteil im Wesentlichen CO2-frei werden sollten. Das allererste, was man da schon mal sagen kann, ist, dass wir noch längst nicht alle Möglichkeiten in der Energieeffizienz ausgereizt haben. Hier kann noch sehr viel getan werden. Das kann bis zu einem Drittel einsparen. Das zweite ist, dass eine große Konzentration auf zukunftsfähige Technologien gesetzt werden muss. Derzeit ist das immer noch ein bisschen ein Randgeschehen. Auch wenn es sich schon sehr viel stärker entwickelt hat als vor einigen Jahren. Dennoch braucht es eigentlich eine Gesamtkonzentration darauf, die Nachhaltigkeit unserer Wirtschaftsweisen auf Dauer sicherzustellen. Und das bedeutet, dass man mutig nach vorne geht. Und diese Politikwende wird ja zurzeit diskutiert. Das hängt mit der Frage zusammen, ob Europa freiwillig noch höhere Klimaschutzverpflichtungen eingehen sollte. Weil sich letztlich die Überzeugung durchsetzt, dass damit Europa nachhaltiger, auch wirtschaftlich stabiler gestaltet werden kann, als wenn man an alten Technologien festhält. Die fossile Energietechnologie ist auf Dauer in jedem Fall kein Zukunftsmodell.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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