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Sicherheit auf Zeit

Sylt schrumpft - die der Nordsee zugewandte Westküste verliert jedes Jahr Millionen Kubikmeter Sand. Prognosen und Flutszenarien simulieren den Untergang der Insel. Meteorologen und Geologen sehen jedoch nicht im Anstieg des Meeresspiegels die wirkliche Gefahr, sondern in Orkanen.

Von Dietrich Mohaupt |
    Die Nordsee an der 34 Kilometer langen Westküste von Sylt bei Kampen. Hier bietet sich vom höchsten Berg der Insel, der sogenannten Uwe-Düne, ein fantastischer Rundblick. Gut 52 Meter hoch ist dieser in Jahrhunderten gewachsene Sandhaufen - der kräftige Wind weht, neben jeder Menge Sand, auch leise Brandungsgeräusche vom Strand herauf. Nur wenige Hundert Meter weiter westlich endet Sylt - das war nicht immer so.

    "Man hätte, wenn man jetzt nur 1000 Jahre zurückdenkt, einen Fußmarsch von etwa ein bis zwei Kilometer vor sich gehabt von der heutigen Wasserkante aus."

    In den vergangenen Jahrhunderten hat die Nordsee sich schon einiges von der Insel geholt, erläutert der Sylter Geologe Ekkehard Klatt:

    "Die uns bekannten Abbrüche sind 1,20 Meter bis 1,40 Meter in den letzten einhundert Jahren, also könnten wir gut davon ausgehen, dass mindestens vor 1000 Jahren die Küstenlinie eineinhalb Kilometer weiter westlich verlief."

    Seit Jahren befasst Ekkehard Klatt sich intensiv mit der Geschichte der Landentwicklung an der nordfriesischen Küste. Die ist seit jeher geprägt vom Auf und Ab des Meeresspiegels. Die Statistik zeigt: Etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts steigt er mal wieder an - langsam, aber unaufhaltsam. Und in den letzten Jahrzehnten hat sich dieser Anstieg sogar von zwei auf drei Millimeter pro Jahr beschleunigt. Die langfristigen Folgen dieser Entwicklung sind etwa zehn Kilometer weiter nördlich im Erlebniszentrum Naturgewalten in List an der Sylter Nordspitze gut zu sehen. Die gesamte Insel und das sie umgebende Wattenmeer ist hier reduziert auf die Größe eines übersichtlichen Schaukastens - auf Bildschirmen werden Bilder von Sturmfluten gezeigt, aus einem Lautsprecher ertönt Wellenrauschen. Der Klimawandel und der damit verbundene langfristige Anstieg des Meeresspiegels - das Modell soll für die Besucher sichtbar machen, was bisher nur als Prognose auf dem Papier steht, erläutert der Geschäftsführer der Ausstellung, Matthias Strasser:

    "Sylt hat ja sehr unterschiedliche Bereiche: Sehr flache Bereiche, höher gelegene Bereiche, Geestkerne, Dünen, und wir haben hier bei dem Modell drei verschiedene Stufen des Meeresspiegelanstiegs simuliert: Ein Meter - und das ist ja das Szenario, was tatsächlich realistisch ist bis zum Ende des Jahrhunderts - aber auch drei Meter und fünf Meter, um dann mal am ganz konkreten Beispiel Sylt zu zeigen, wie viel und welche Bereiche von der Insel würden in dem Fall dann tatsächlich permanent unter Wasser liegen."

    Mit einem Knopfdruck setzt er das Szenario in Gang - und lässt zunächst den Meeresspiegel um einen Meter ansteigen. Die Folgen werden schnell sichtbar.

    Simulation: Von Sylt nichts mehr übrig
    "Wir schauen einfach mal in den Bereich Rantum-Becken und Morsum, da sind die niedrig gelegenen Marschen, die jetzt langsam schon unter Wasser geraten - ich drücke auch noch mal auf den Drei-Meter-Knopf, auch der Lister Bereich mit dem Ellenbogen ist längst unter Wasser. Dort würden auch die ersten Bereiche entstehen, wo die Dünenkette durchbrochen werden könnte. Und wir sehen jetzt bei der Entwicklung von drei Metern, dass der ganze Bereich Rantum/Morsum in den Marschen komplett unter Wasser ist."

    Kurz darauf ist von Sylt in seiner heutigen Form fast nichts mehr übrig - simulierter Meeresspiegelanstieg um fünf Meter, nur noch einzelne kleine Inseln ragen jetzt aus den Fluten der Nordsee heraus.

    "Dann sind es tatsächlich noch die hoch gelegenen Geestbereiche, Kampen, und wir sehen auch sehr schön das Morsum-Kliff, was dort als Solitärbereich übrig bleibt, und die großen Dünenbereiche in List können wir auch erkennen, und die entsprechenden Dünenketten bis nach Hörnum runter bleiben als schmaler Streifen erhalten."

    Auch wenn das Ganze eine Simulation ist, ein nicht ganz maßstabsgetreues Modell, das zum Beispiel auch Deiche als Küstenschutz völlig vernachlässigt - Eindruck hinterlässt die Simulation schon, interessiert hat ein älteres Ehepaar aus Hannover den Anstieg des Meeresspiegels beobachtet:

    "Ach - man denkt schon darüber nach, welche Auswirkungen das haben kann. Wir gehen ja im Moment davon aus - was die Wissenschaftler sagen - dass der Meeresspiegel erst einmal nur um einen Meter steigt, und das würde ja eigentlich schon reichen, dass Sylt und die Küstengebiete des Festlandes doch ziemliche Probleme bekommen hinsichtlich des Küstenschutzes. Wir werden das sicherlich auch nicht mehr erleben - aber das ist ja kein Grund, jetzt nicht daran zu denken, das wäre ja total verkehrt."

    Neben dem Anstieg des Meeresspiegels bringt der Klimawandel noch eine weitere drastische Veränderung für Sylt und das umliegende Wattenmeer mit sich: Das Wasser in der Nordsee wird immer wärmer. Seit 1962 ist die Temperatur des Nordseewassers nahe der Oberfläche um rund 1,7 Grad gestiegen. Experten der Biologischen Anstalt auf Helgoland beobachten diesen Temperaturanstieg mit Sorge, denn er hat schon jetzt zu zahlreichen ökologischen Veränderungen geführt. So sind Kälte liebende Fischarten, wie der Dorsch zum Beispiel, in weiter nördlich gelegene Bereiche des Atlantiks abgewandert - gleichzeitig sind Organismen aus südlichen Regionen auf dem Vormarsch. Bestes Beispiel dafür ist die Pazifische Auster, die sich schon vor Jahren auch im Umfeld von Sylt etabliert hat. Durch die Temperaturänderungen findet sie immer bessere Lebensbedingungen vor, inzwischen verdrängt sie in einigen Regionen des Wattenmeers sogar zunehmend die heimische Miesmuschel.

    Zurück am Strand bei Kampen - Ekkehard Klatt kennt das Modell mit den Folgen des Meeresspiegelanstiegs, und er kennt auch die in den Medien immer wieder beschworenen Untergangsszenarien für Sylt. Ja, betont er, die Nordsee wird die Insel zerstören - aber nicht in nächster Zukunft. Als Geologe denkt er in ganz anderen zeitlichen Dimensionen - schon vor einigen Jahren hat er vorsichtig hochgerechnet und so etwas wie eine Prognose gewagt.

    "Ich habe von 2000 bis 3000 Jahren gesprochen, wo noch etwas oberhalb des Meeresspiegels auf einer Landkarte mit dem Wort Sylt letztendlich eingezeichnet werden könnte. Das bedeutet: Der Meeresspiegelanstieg von 50 Zentimetern bis zum Jahr 2100, sage ich jetzt mal ganz platt, das ist es nicht, was Sylt bedroht - auf gar keinen Fall."

    "Orkane sind das Salz in der Suppe"
    Es sind ganz andere Kräfte am Werk, erklärt der Geologe - Kräfte, die schon in absehbarer Zeit erheblichen Einfluss auf die Zukunft der Nordseeinsel haben werden:

    "Nicht der Meeresspiegelanstieg, sondern die Extremereignisse, wo die Millionen und Milliarden Kubikmeter an Sand bewegt werden. Stürme und Orkane sind das Salz in der Suppe - macht den Reiz Sylts auf jeden Fall aus, durch seine exponierte Lage."

    Stürme und Orkane - sie sind, neben dem Anstieg des Meeresspiegels, auch für den Klimaforscher Mojib Latif vom Kieler Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung die entscheidenden Faktoren des Klimawandels. Zu Häufigkeit und Intensität gebe es aber bisher keine verlässliche Prognose für die nächsten Jahrzehnte, betont er:

    "Das, was für Sylt, für die Nordseeküste insbesondere wichtig ist, sind diese großen Stürme, die Orkantiefs, die von Westen heranziehen. Wenn wir uns diese ansehen, dann hat es immer starke Schwankungen gegeben von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, aber keinen Trend, und auch die Modelle sagen zumindest bis 2050 keinen nennenswerten Trend vorher. Jenseits von 2050 könnten tatsächlich die Stürme, diese Orkantiefs, auch zunehmen."

    Kein klarer Trend - Mojib Latif hält sich mit konkreten Aussagen vorsichtig zurück. Kein Wunder - hat doch zum Beispiel auch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie für die letzten 30 Jahre sogar einen leichten Rückgang bei Zahl und Intensität von Sturmfluten ermittelt. Aber - so der Klimaforscher weiter - ab Mitte des Jahrhunderts wird sich für Sylt wohl einiges ändern:

    "Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird Sylt einigermaßen sicher sein - jenseits von 2050 kann es bei Extremszenarien tatsächlich dann schon langsam kritisch werden. Wenn tatsächlich wir so etwas wie einen Meter Meeresspiegelanstieg bekommen, dann wird es schwierig für Sylt, denn man darf ja nicht vergessen: Die Sturmfluten werden dann eben auflaufen auf einem Meeresspiegel, der ohnehin schon deutlich höher ist, sodass die Schäden dann eben überproportional groß sein werden."

    Für Arfst Hinrichsen vom Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein, kurz LKN, sind diese Szenarien nicht neu. Immer wieder muss er sich mit angepassten Modellen zum Anstieg des Meeresspiegels und der Zunahme von Zahl und Intensität der Sturmfluten auseinandersetzen - das ist für ihn aber der Blick in die Zukunft. Derzeit gilt seine volle Aufmerksamkeit der Gegenwart - die ist sowieso schon eine große Herausforderung für den Küstenschutz auf Sylt, auch ohne schwere Stürme oder Orkane.

    "Das Hauptproblem für Sylt ist eigentlich eher das stetige Anbranden der Wellen. Wir haben auf Sylt einen sogenannten Küstenlängstransport - das bedeutet, dass der Sand parallel zur Küste verfrachtet wird, und dieser Längstransport sorgt dafür, dass die Insel ungefähr pro Jahr eine Million Kubikmeter verliert. Das ist der stetige Tropfen, die singulären Ereignisse wie Sturmfluten, die machen das Problem sichtbar, aber der Verlust, der langfristige Verlust, ist eigentlich durch das tägliche Geschehen festzustellen."

    Futter für die Nordsee
    Seit 1972 stemmen sich die Küstenschützer recht erfolgreich mit Sandaufspülungen gegen dieses "tägliche Geschehen", gegen das permanente Anbranden der Nordseewellen und den daraus resultierenden Sandverlust. Aufwendig wurde damals der Strand vor Westerland wieder hergestellt, seit 1984 wird regelmäßig entlang der gesamten Westküste der Insel in einzelnen Abschnitten Sand aufgespült - bisher knapp 43 Millionen Kubikmeter. Damit konnte wenigstens ein Teil des Sandverlusts an den Stränden ausgeglichen werden. Man konnte so die Wellen mit ihrer zerstörerischen Kraft von den Dünen und der Geestkante fernhalten. Noch funktioniert das - aber wohl nicht mehr ewig, das ist auch Arfst Hinrichsen klar. Und das Problem ist dabei nicht fehlender Sand - der Vorrat in der Nordsee vor Sylt würde noch rund 1000 bis 1500 Jahre reichen.

    "Grundsätzlich kann man sagen, ist der Kampf verloren - wenn man das geologisch betrachtet. Wenn der Mensch eingreift, dann ist immer die Frage: Für welche Jahrzehnte, Jahrhunderte können wir dort aktiv etwas bewirken? Und in dem Falle Sylt ist es eben so, die Insel hat das Bestreben, weiter nach Norden und nach Süden zu wachsen. Das Material wird an der Westseite, der Seeseite, erodiert, wird zu Dünen aufgeweht oder eben nach Norden und nach Süden verfrachtet. Das ist ein Vorgang, den können wir grundsätzlich nicht aufhalten, und man kann sagen, mit Sandaufspülungen simulieren wir eine Eiszeit."

    Man liefert der Nordsee also ganz einfach Futter - Sand, den sie dann an der Nord- und Südspitze der Insel Sylt und im ganzen Wattenmeer großflächig verteilen kann. Nur dass in diesem Fall eben nicht eine Eiszeit - wie vor gut 10.000 Jahren - sondern der Mensch für den notwendigen Nachschub sorgt. Die Sandaufspülungen vor Sylt haben sich inzwischen auch als wichtiger Beitrag zum Erhalt des Ökosystems Wattenmeer erwiesen. Die großen, bei Ebbe trocken fallenden Wattflächen und Salzwiesen waren bisher in der Lage, den relativ langsamen Anstieg des Meeresspiegels auf natürliche Art und Weise auszugleichen. Bei jeder Überflutung lagerte sich dort feiner Meeresschlick ab, die Flächen wuchsen so langsam in die Höhe. Dem beschleunigten Meeresspiegelanstieg, etwa drei statt bisher zwei Millimeter pro Jahr, können sie nicht mehr folgen - große Wattflächen drohen regelrecht zu "ertrinken".

    Die Sandaufspülungen vor Sylt sorgen seit Jahrzehnten für einen zusätzlichen Sedimenttransport, sie unterstützen also maßgeblich die natürliche Fähigkeit des Wattenmeers, mit der Nordsee zu wachsen. Der dafür notwendige technische Aufwand ist enorm. Aus einem dicken Stahlrohr ergießt sich mit lautem Getöse ein Schwall von grau-braunem Sand-Wassergemisch auf den Strand bei List an der Sylter Nordspitze. Etwa ein Kilometer vor dem Strand liegt gerade das Spülschiff, der sogenannte Hopperbagger. Wolfgang Siegfried vom Landesbetrieb Küstenschutz überwacht die Arbeiten:

    "Ja, das funktioniert so, dass dieses Spülschiff in ein Sandentnahmegebiet fährt, das liegt acht Kilometer vor Sylt. Dort baggert es Sand - also es hat ein Stahlrohr, das es in den Meeresboden stechen kann und dann mit seinen Maschinen das sich in den Laderaum pumpt, das Sand-Wasser-Gemisch. Wenn das Schiff voll ist, fährt es zum Koppelpunkt dieser Dükerleitung - so heißt die - die im Meeresboden liegt, dockt an und pumpt dann über die Leitung den Sand, oder das Sand-Wasser-Gemisch muss man ja sagen, an den Strand. Das Wasser läuft wieder weg - Sand bleibt liegen."

    Im Mischungsverhältnis 30 zu 70 erreicht das Sand-Wasser-Gemisch den Strand. Dort kommt schweres Gerät zum Einsatz. Große Planierraupen schieben den frisch aufgespülten Sand hin und her - bis ein völlig neuer Strandabschnitt entstanden ist, der wieder deutlich höher liegt als zuvor und den Fuß der Dünen vor dem Wellengang schützt. Die Sandaufspülungen an der Sylter Westküste laufen schon seit einigen Wochen auf Hochtouren - Küstenschutz im Akkord quasi.

    "Wir haben also dieses Jahr zehn Vorspülstrecken an den ganzen Küsten lang - nachdem wir das alles abgeschlossen haben, das wird im Herbst sein, dann wird vermessen, an Land und auch auf See, damit man genau sehen kann, wie jetzt die Lage ist. Im Frühjahr wird vermessen, und dann wird im Herbst noch mal vermessen und dann kann man das vergleichen die ganzen Daten, und dann kann man auch sehen: Wo ist Sandbedarf, und dann wird der Plan für nächstes Jahr wieder aufgestellt."

    Rund 23 Millionen Euro hat das Land Schleswig-Holstein für Sandaufspülungen in den nächsten vier Jahren fest im Haushalt eingeplant - der Bund und die Europäische Union beteiligen sich an diesen Kosten. Eine Menge Geld - aber eine absolut sinnvolle Investition, betont Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck von den Grünen. Sylt habe nämlich auch eine wichtige Funktion als Wellenbrecher für die nordfriesische Festlandsküste - die auch vom Klimawandel mit steigendem Meeresspiegel und Sturmfluten bedroht ist. Natürlich stelle sich immer wieder die Frage: Rechnet sich der immense jährliche Aufwand für die Sandvorspülungen wirklich?

    "Die klare und harte Antwort, wenn man alle emotionalen Zugänge zu der Insel Sylt mal beiseitelässt - Heimat und Schutz der Menschen und des Hinterlandes und so weiter - sondern nur auf Euros guckt, dann muss man gerade bei Sylt sagen: Das ist eine äußerst ertragreiche Insel. Und die zu schützen und am Leben zu erhalten bedeutet eben auch, hohe steuerliche Erträge zu generieren - also die Rechnung Küstenschutz und Steuergeld, die geht in diesem Fall allemal auf, für Schleswig-Holstein, aber auch für Deutschland."

    Keine Bebauung an der Westküste
    Immerhin besuchen pro Jahr mehr als 800.000 Gäste Sylt - allein 2011 lag die Wertschöpfung der Tourismusbranche auf der Insel bei rund 600 Millionen Euro. Eines, so Robert Habeck weiter, müsse aber auch klar sein: Die Anstrengungen zum Schutz der Insel vor allem vor den längerfristigen Folgen des Klimawandels werden auch an Grenzen stoßen. Wer also glaubt, künftig auf Sylt in bester Lage direkt am Strand mit Blick auf die Nordsee sein Feriendomizil errichten zu können - der hat sich wohl getäuscht.

    "Ja, das wäre ziemlich dumm, wenn man sein Haus an die Kliffkante stellt - auch naturschutzrechtlich schwierig, das sind ja häufig geschützte Gebiete da oben. Ein Prinzip beim Küstenschutz ist, dass wir keinen Objektschutz betreiben. Und da lege ich auch Wert darauf, dass das durchgehalten wird, weil sonst genau das passiert: Wenn man auf einmal Hotels oder exklusive Wohnungen direkt ans Meer baut und dann sagt: aber jetzt Staat, komm und schütz mich, dann wird das nichts werden. Wir schützen die Küsten, und wir schützen das Land, die Menschen, das Eigentum, den Lebensraum dahinter - wir schützen nicht Einzelobjekte."

    Rückendeckung dafür gibt es vom Sylter Geologen Ekkehard Klatt. Siedlungsraum war auf Sylt eigentlich immer die östliche, dem schleswig-holsteinischen Festland zugewandte Inselseite, berichtet er. Dort lagen die Häfen, dort entstanden die Ortschaften. Vom Gipfel der Uwe-Düne bei Kampen ist das Dilemma der heutigen Besiedlung Sylts gut zu erkennen - Ekkehard Klatt zeigt nach Osten zum alten Kampener Ortskern. Von dort ziehen sich - immer weiter Richtung Westen - die Neubaugebiete mit Hotels, Ferienhäusern und Kureinrichtungen bis dicht an die Nordsee.

    "Die sichere Lage war natürlich auch den Menschen klar, dass man im Osten der Geest von Kampen längerfristig nachhaltiger leben kann als auf der Westseite. Praktisch bis zum Beginn des Tourismus - Mitte des 19. Jahrhunderts hat es ja weiter südlich mit Westerland und Wenningstedt angefangen, Ende des 19. Jahrhunderts Kampen - hat es nie die Bestrebungen gegeben, eine Besiedlung im westlichen Teil der Kampener Geest überhaupt hin zu bekommen."

    Das klare Votum des Geologen: Finger weg von Neubauten an der Westküste von Sylt - die Risiken sind viel zu groß, alle Küstenschutzmaßnahmen bieten der Insel, ihren Bewohnern und Gästen nur Sicherheit auf Zeit. Eine Erkenntnis, der sich auch die Behörden und Kommunalpolitiker auf der Insel nicht länger verschließen können. Als Bürgermeisterin der Gemeinde Sylt ist Petra Reiber auch Leiterin der Katastrophenabwehr. Es sei schlicht fahrlässig, direkt an der Küstenlinie im Westen der Insel noch zu bauen, betont sie:

    "Es hat noch letzte Ausnahmen gegeben mit Strandversorgungsbetrieben, die dann auf dem Strand entstanden sind - auf Stelzen, wohlgemerkt. Das wird aber aus Gründen des Katastrophenschutzes und Küstenschutzes als sehr kritisch angesehen, denn das kann durchaus passieren, dass bei einer stärkeren Sturmflut es hier zu Schäden kommt. Und das muss der Eigentümer wissen, und da kann er keinen Ersatz fordern, das ist das Risiko des Eigentümers. Aber ich denke mal, in Zukunft wird es solche Betriebe auf dem Strand auch nicht mehr geben."

    Alle gegen den Klimawandel
    Es ist ein langsamer Prozess - aber die Einwohner von Sylt beginnen, sich mit den absehbaren Folgen des Klimawandels zu arrangieren. Die Einsicht, dass Neubauten direkt an der Westküste der Insel nicht wirklich vernünftig sind, ist ein Zeichen dafür. Darüber hinaus, so die Sylter Bürgermeisterin weiter, sind sich auch die Kommunalpolitiker weitgehend einig: Im Kampf gegen den Klimawandel müssen alle mitziehen:

    "Wir haben zum Beispiel mit breiter Mehrheit jetzt ein Klimaschutzgutachten aufgelegt, es gibt auch eine Mehrheit dafür, jetzt einen Klimaschutzmanager einzustellen, die Einführung der E-Mobilität hier auf der Insel, Nutzung von grünem Strom beispielsweise dafür dann, Nutzung von Solartechnik - also, es gibt verschiedene Ansätze, einen Beitrag für den Klimaschutz zu leisten. Weil wir auch als Erste vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein werden, halte ich es für ganz wichtig, hier eine Vorbildfunktion auszuüben."