Einen Teil seiner Wurzeln habe der aktuelle Terror im Norden der Sinai-Halbinsel, erklärte Kühntopp: "Da beschweren sich Menschen schon seit Jahrzehnten darüber, dass die Regierung sie vernachlässige. Und mittlerweise, Stichwort IS, ist es Dschihadisten gelungen, da anzuflanschen." Militär und Polizei führten dort unter großen eigenen Opfern eine harte Kampagne.
Die Regierung antworte auf jeden Anschlag "mit immer mehr von derselben Medizin". Zugleich stelle sie "ein ganz repressives politisches Klima" her, indem sie jede Möglichkeit der Kritik unterdrücke. "Das führt offenbar dazu, dass Menschen marginalisiert werden, dass sie sich radikalisieren", berichtete Kühntopp. "Also, wir erleben eine Maschine, die den Terror bekämpfen will, die aber letztlich immer mehr politisch motiverte Gewalt zu produzieren scheint."
Statt Opposition wie die Muslimbruderschaft zu verbieten und damit in den Untergrund zu treiben, müsste der Staat nach Kühntopps Einschätzung darüber nachdenken, "ob es nicht an der Zeit wäre, auf Anhänger der Muslimbrüder zuzugehen, ob es nicht Zeit wäre, in so etwas wie einen nationalen Dialog mit diesen Leuten einzutreten".
Manche Delikt-Arten seltener als im Westen
Straßenkriminalität ist trotz der in Großstädten üblichen Taschendiebstähle nach der Einschätzung des Korrespondenten in Ägypten weniger ein Problem als im Westen: "Wohnungseinbrüche sind hier offenbar sehr selten. Ich muss nicht auf der Straße, auch in der Nacht nicht, damit rechnen überfallen zu werden."
Er erkläre sich das mit einer Kultur, in der ein Straftäter durch eine Tat die Ehre seiner gesamten Familie aufs Spiel setze, und mit einer starken sozialen Kontrolle: "Es ist doch auffällig, dass in einem Land, wo jeder im Wohnviertel hier genau weiß, wer die anderen sind, wer wo wohnt, wer im Apartmentgebeäude hier ein- und ausgeht, dass da bestimmte kriminelle Delikte offenbar keine große Rolle spielen."
Sexuelle Belästigung ist ein großes Problem
Anders sieht es bei Delikten wie sexueller Belästigung aus. Laut Zahlen der Vereinten Nationen aus diesem Jahr wurde fast jede Ägypterin (99,3 Prozent der Befragten) in ihrem Leben schon einmal verbal sexuell belästigt oder gegen ihren Willen angefasst.