Sicherheit in Bundesliga-Arenen
Pyrotechnik bleibt im Stadion ein Verbrechen

Auf einem "Sicherheitsgipfel" in München haben die Innenminister der Länder gemeinsam mit DFB und DFL darüber diskutiert, wie sie die Sicherheit in Stadien gewährleisten können. Fanvertreter sind von den Ergebnissen nicht begeistert.

Michael Watzke |
Ein Polizist steht mit dem Rücken zur Kamera am rechten Bildrand. Im Hintergrund sind Fans des Karlsruher SC auf einer Tribüne zu sehen.
Wie geht Sicherheit im Stadion? Darüber haben Politik, DFB und DFL diskutiert. (IMAGO / Beautiful Sports / IMAGO / BEAUTIFUL SPORTS / Buriakov)
Für den „Balkonultra“ kurz vor dem Bundesliga-Spieltag ist die Sache klar: „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“, singt er und geht damit auf TikTok viral.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bleibt hingegen auch nach der Bundesliga-Sicherheits-Konferenz der Meinung, “dass Pyrotechnik in unseren Stadien nichts verloren hat. Und da gibt’s insofern auch keinen Anlass für Änderungen.“

Zentrale "Stadion-Verbots-Kommission"

Änderungen soll es dagegen bei der Bestrafung von Fans geben, die Feuerwerkskörper in Stadien entzünden – wie gestern beim Spiel Borussia Dortmund gegen den FC St. Pauli. Oder wie Anfang Oktober im Stadion des FC Augsburg, als zwei Menschen durch bengalische Feuer verletzt wurden.
Für solche und ähnliche Gewaltfälle kündigt Hamburgs Innensenator Andy Grote ein mehrköpfiges Strafgremium an: „Eine zentrale Stadionverbotskommission für ganz Deutschland. Extern, außerhalb der Vereins- und Verbandsstrukturen. Unabhängig. Die wird deutschlandweit nach einem einheitlichen Standard die Stadionverbotsverfahren bearbeiten.“
Wer in dieser Kommission sitzen wird – etwa Experten, Juristen, Fanvertreter – ist noch unklar. Sicher ist nur, dass in Zukunft nicht mehr – wie bisher – die Vereine selbst entscheiden, welche Fans ein Stadionverbot bekommen und wie lang. Für SPD-Innensenator Grote ein Meilenstein. „Der Schritt, den wir heute gehen, der ist größer als alles, was wir in den vergangenen Jahren miteinander erreicht haben.“

Rund 1000 Verletzte durch Fangewalt in Deutschland

Weniger begeistert klangen die beiden Männer, die neben Grote am Pressekonferenzpult standen: Hans-Joachim Watzke, der Aufsichtsrats-Vorsitzende der Deutschen Fußball-Liga (DFL), und Bernd Neuendorf, der DFB-Präsident: „Wir sind der Auffassung, dass das Stadionerlebnis sicher ist. Dass es um eine kleine Gruppe von Menschen geht, die für Unruhe sorgen, die für Gewalt sorgen in und um die Stadien.“
Die Zahl der Gewalttaten lässt sich recht genau beziffern: In der Saison 2022/23 gab es bei Spielen der 1. und 2. Bundesliga sowie in der 3. Liga, DFB-Pokal und in UEFA-Clubwettbewerben 1.176 Verletzte durch Fan-Gewalt, 220 davon waren Polizistinnen und Polizisten. Eine Steigerung von rund 4 Prozent im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit.
„Jeder Fall ist einer zu viel, und dem wollen wir jetzt begegnen, mit bestimmten Maßnahmen, entweder schon ganz konkret oder weiter im Diskussionsprozess in dieser Kommission“, sagt Neuendorf.

Mehr Überwachung, schärfere Kontrollen

Zu den konkreten Maßnahmen gehören ein verstärktes Sicherheitskonzept mit mehr Überwachungskameras, Crowd Management mithilfe künstlicher Intelligenz, mehr Informations-Austausch zwischen Polizei, Justiz und Sicherheitskräften, genauere Eingangs-Kontrollen.
Und null Toleranz bei Pyrotechnik, so Borussia-Dortmund-Chef Hans Joachim Watzke. Die sei im Stadion nun mal gesetzlich verboten: „Es ist einfach gefährlich. Wir sind der Veranstalter, und demzufolge können wir das auch nicht erlauben. Insofern ist das völlig klar. Und das hat mit dem eigentlichen Fußballspiel sehr wenig zu tun.“
Fans des FC Sankt Pauli brennen auf einer voll besetzten Tribüne rot rauchende Bengalos ab.
Über Pyrotechnik auf Tribünen gibt es seit Langem Streit. (IMAGO / Revierfoto / IMAGO / Revierfoto)
Fan-Vertreter sehen das anders, und sind enttäuscht von den Ergebnissen des Gipfels, zu dem sie nicht eingeladen waren. Linda Röttig, Vorstand im Dachverband der Fanhilfen, bezeichnet die angekündigte Bildung einer Stadionverbotskommission als „deutliche Verschärfung und mehr Repression gegen Fußballfans“. Jost Peter von der Fan-Vereinigung „Unsere Kurve“ ist „erschüttert, mit wie wenig Sachkenntnis da diskutiert wird. Beispielsweise hat Bayerns Innenminister Herrmann gesagt, er würde ja schon die ganze Zeit mit Fanvertretern reden – und die wären ja auch in den Stadion-Allianzen. Das stimmt einfach gar nicht.“

Fanvertreter gegen generelles Pyro-Verbot

Die Stadion-Allianzen sind Zusammenschlüsse von Rettungskräften, Fußball-Vereinen und der Polizei in verschiedenen Bundesländern. Sie sollen Zusammenarbeit stärken und Fangewalt verhindern.
Die Fanvertreter hatten diese Allianzen anfangs kritisch gesehen. Auch Jost Peter von „Unsere Kurve“: „Wir müssen aber sagen, da fließt schon sehr viel Wissen zusammen. Und das hat positive Auswirkungen, wenn man sich gemeinsam vorbereitet, gemeinsam mit Risiken umgeht und gemeinsam versucht, diese zu vermeiden.“
Jost Peter hofft, dass die Deutsche Fußball-Liga (DFL), bei der die geplante Stadionverbotskommission angedockt sein soll, auch Fanvertreter zur Mitarbeit einlädt. Ein generelles Pyrotechnik -Verbot im Stadion lehnt er ab. Man könne Leuchtfeuer als Teil einer Stadion-Choreographie gefahrlos abbrennen, wenn man sie nur als Stimmungselement verwende: „Wenn es darum geht, dass Pyrotechnik als Waffe nicht duldbar ist, dann – denke ich – hat man 99 Prozent aller Fans hinter sich. Auch die, die Pyrotechnik eigentlich gut finden.“