Die Druckwelle der Sprengung ist deutlich zu spüren, auf der Erde wirbeln kleine Steinchen auf. Die Journalisten knien in einem Schutztunnel auf dem Boden. Beim Aufstehen müssen sie darauf achten, nicht das Gleichgewicht zu verlieren - denn sie tragen eine zehn Kilo schwere Schutzweste und einen Helm auf dem Kopf.
War das ein Maschinengewehr? Aus welcher Richtung kommen die Schüsse? Wo wurde getroffen? Waffen und ihre Wirkung kennenzulernen, darum geht es am Anfang des Seminars.
Aber es stehen auch Aufgaben auf dem Programm, die für Journalisten alltäglich sind: Findet den Bürgermeister und führt ein Interview mit ihm. Für Björn Dake vom Bayerischen Rundfunk wird es dabei brenzlig. Er findet zwar das Haus des Bürgermeisters, aber als er als Letzter des Reporter-Teams reingehen will, wird er abgedrängt und überfallen:
"Ich wurde ausgeraubt. Die haben meine Weste und Rucksack und sind nach da abgehauen."
Realistisches Training mit Übungsmunition
Die vermeintlichen Räuber sind Rollenspieler: Soldaten der Bundeswehr und andere Darsteller, die für dieses Training engagiert wurden. Auch geschossen wird in den Szenarien nur mit Übungsmunition. Trotzdem sind die Übungen erstaunlich realistisch, findet Björn Dake.
"Das war schon ein sehr praktisches Beispiel, und das war auch sehr gut gespielt von den Darstellern, das war sehr realistisch. Und ich glaube, dass wir das alltäglich brauchen: Wie gehst du mit Leuten um, wie schätzt du sie ein, sind sie vertrauenswürdig oder sollte ich mich eher in Acht nehmen? Ich glaube schon, dass das wichtig wird."
Der Journalist hat schon als Hörfunkkorrespondent in den USA und Skandinavien gearbeitet. Um künftig auch in anderen Gebieten einsetzbar zu sein, nimmt er an dem Training teil.
Eine Woche lang dauert das Training für Journalisten und Medienschaffende im UN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr im fränkischen Hammelburg. 16 Teilnehmer sind beim Lehrgang. Eine von ihnen ist Kristina Kayatz vom ZDF-"heute-journal":
"Das Training in Hammelburg ist ja lange bekannt. Und man weiß, dass jeder Korrespondent, der in Kriseneinsätze geht, Hammelburg machen muss. Das ist ganz klar. Und es ist auch immer so ein bisschen so ne Aura, so was Geheimnisvolles darum, weil man ja auch nicht wirklich Auskunft darüber geben darf, was hier passiert. Und alle fragen sich natürlich: Steh ich Hammelburg auch durch oder nicht? Es ist auch so ein bisschen eine Selbsterfahrung, denke ich."
Journalisten denken nur selten über Sicherheitsaspekte nach
Normalerweise sind Reporter hier nur als Teilnehmer und nicht als Berichterstatter. Deshalb begleite ich auch nur zwei Tage am Anfang des Trainings.
Die Grundlagen werden dabei schnell klar: Wichtig sei, dass die Journalisten ihre Umgebung im Blick behalten, erklärt einer der Bundeswehr-Ausbilder, der selbst schon in Afghanistan und im Kosovo im Einsatz war. Seinen Namen darf ich aus Sicherheitsgründen nicht nennen.
"Für den Journalisten grundsätzlich geht es ja darum, das Interview durchzuführen. Und die machen sich halt nicht so viele Gedanken darüber, dass auch der Sicherheitsaspekt sehr wichtig ist. Und dafür machen wir ja diese Trainings, um die daran zu gewöhnen, dass es nicht nur einzig und allein um diesen Auftrag, also um das Interview geht. Sondern dass man nebenbei halt auch eigenverantwortlich sich um die Sicherheit kümmern muss, um dann eventuell reagieren zu können. Weil so sind die Szenarien ja auch aufgebaut: Eine zunächst mal absolut ruhige und freundliche Situation kann binnen weniger Sekunden, Minuten sofort umswitchen."
Auch bei der Sanitäterübung geht es zunächst ganz unaufgeregt zu. In einer alten Halle auf dem Truppenübungsplatz ist der Boden mit Sand aufgeschüttet. Die Szene sieht aus wie ein Marktplatz in Afghanistan. Marktstände, alte Fahrräder, sogar zwei Autos.
Plötzlich: eine Explosion! Baby-Geschrei. Rauch. Die Situation wird unübersichtlich - die Journalisten müssen ihre verletzten Kollegen retten. Dafür als erstes alle kritischen Blutungen versorgen - zum Beispiel, indem sie Arme oder Beine abbinden.
"Ich hoffe nicht, dass ich jemals drauf zurückgreifen muss"
Teilnehmer Björn Dake: "Hoffentlich brauch ich das nicht, es geht ja auch gerade darum, auch schwere Verletzungen zu versorgen. Und ich hoffe nicht, dass ich da jemals drauf zurückgreifen muss."
Eine der Kolleginnen, die bei der gespielten Explosion vermeintlich verletzt wurde, ist Sibylle Licht:
"Wir konnten durch die Rollenspiele vieles durchprobieren. Und das hat mir einfach ein paar Ideen gegeben für Handlungsszenarien, also wie ich mich selber verhalte. Ich habe jede Menge über mich selbst gelernt. Und natürlich muss ich auch immer im Team operieren. Auch dafür habe ich was mitgenommen."
Für die MDR-Fernsehreporterin sind die Inhalte des Trainings besonders relevant. Sie wird im kommenden Jahr die Leitung des ARD-Studios in Neu-Delhi übernehmen. Dann wird Afghanistan für sie nicht mehr Übung, sondern Alltag sein.