Dicht an dicht stehen die Partygänger auf der Großen Freiheit, auf der nur 200 Meter langen Feiermeile direkt an der Hamburger Reeperbahn. Am Steuer des Einsatzwagens sitzt Andreas Schmidt, neben ihm seine Kollegin Kathrin Heinelt. Vom Beatles-Platz aus kommen sie nur im Schneckentempo voran, am anderen Ende der Großen Freiheit prügelt sich ein Dutzend junger Männer. Trotz Blaulicht, trotz Martinshorn, machen die Feiernden nur zögerlich Platz. Ein paar Jungs zücken ihre Handys, filmen den Einsatz, bevor sie beiseite gehen. Alltag im Polizeikommissariat 15 auf der Reeperbahn.
Der Einsatz liegt einige Jahre zurück. Der Polizist Andreas Schmidt hat sich mittlerweile versetzen lassen, macht Bürodienst, engagiert sich bei der Gewerkschaft der Polizei. Dass seine Kollegen in der Silvesternacht - obwohl sie auch auf der Großen Freiheit patrouilliert haben - von den massiven Übergriffen auf Frauen nichts mitbekommen haben, ist für ihn nicht verwunderlich: "Ich kann für Hamburg in dem Augenblick sagen: Wenn in der Großen Freiheit sich ungefähr 15.000 bis 20.000 Menschen befinden, dann kann ein Polizist, der dort drin steht, ungefähr fünf Meter weit gucken. Was in sechs Metern passiert, kriegt er nicht mit! Das kann er nicht sehen! Man sieht den Asphalt nicht, wenn die Menschen alle auf der Straße sind."
Weniger Kritik am Silvester-Einsatz in Hamburg als in Köln
Und doch war die Hamburger Polizei in Reaktion auf die Silvesternacht am vergangenen Wochenende deutlich präsenter auf dem Kiez, erklärt deren Sprecher Timo Zill: "Wir haben Videotechnik eingesetzt, die Reiterstaffel. Wir haben verdeckte Maßnahmen getroffen. Das werden wir auch solange fortführen wie es erforderlich ist. Das ist also die eine Facette. Das Vergnügungsviertel St. Pauli so wieder herzustellen wie es erforderlich ist für Hamburg. Das ist das eine. Und das zweite ist natürlich - das ist das Tiefgründigere, nämlich die Analyse dieses Phänomens, wie wir es in der Silvesternacht für die Polizei Hamburg in dieser Massivität erstmalig festgestellt haben.
In Hamburg soll nun die 26-köpfige Soko "Silvester" die Taten aufklären, analysieren und am Ende Handlungsempfehlungen für die Polizeiarbeit geben. Massive Kritik am Silvester-Einsatz, vergleichbar mit der in Köln, gibt es hier allerdings nicht: So werde etwa die Herkunft von Straftätern mit Migrationshintergrund in den Pressemeldungen der Hamburger Polizei regelmäßig erwähnt, sagt der Sprecher. "Wir haben im Allgemeinen Nationalitäten genannt. Entweder es war ein Deutscher, ein Syrer, ein Schwede, ein Engländer, egal wie. Die Nationalität ist von uns in der Pressemitteilung immer genannt worden. Wir überlassen es den Medien, damit umzugehen, wie sie es für erforderlich halten."
650 Anzeigen in Köln, 195 in Hamburg
Während in Köln im Zusammenhang mit den Übergriffen vom Jahreswechsel bislang über 650 Strafanzeigen eingegangen sind, sind es in Hamburg derzeit 195 Strafanzeigen. Acht Tatverdächtige wurden inzwischen ermittelt, alle mit Migrationshintergrund, heißt es. Eine Rückkehr zur permanenten, fast flächendeckenden Videoüberwachung der Reeperbahn hält Polizeisprecher Timo Zill für wenig sinnvoll. 2011 wurde dieses Projekt eingestellt, nachdem Anwohner erfolgreich vor Gericht gegen die Verletzung ihrer Privatsphäre geklagt hatten.
Rafael Behr, Professor an der Akademie der Polizei in Hamburg, verweist darauf, dass es zur Arbeit der Einsatzkräfte dazugehört, sich auf immer neue Formen der Kriminalität einzustellen: "Jetzt ist natürlich die Aufmerksamkeit groß. Wenn sich jetzt Kreise bilden oder Ringe von Männern, geht die Polizei sofort da rein. Und deshalb hat sie auch die Reiterstaffel eingesetzt, um von einer erhöhten Position auch sowas überblicken zu können, um möglicherweise intervenieren zu können. Aber man kann eben nicht alles voraussagen. Und jetzt den Vorwurf an die Polizei zu machen: 'Ihr habt das nicht rechtzeitig gesehen!', das finde ich absurd! Das ist eine typisch besserwisserische Art von Leuten, die sich dieser Phänomenologie nie ausgesetzt gesehen haben - im Nachhinein zu sagen: 'Ihr hättet das erkennen müssen!' oder 'Ihr hättet mehr sein müssen!'".
Tatsächlich standen in Hamburg in der Silvesternacht zwei Hundertschaften der Polizei bereit, um auszurücken. Doch ihr Einsatz wurde nicht angefordert. Polizist Andreas Schmidt, der lange Jahre rings um die Reeperbahn auf Streife war, ärgert sich, dass der Polizei das nun zum Vorwurf gemacht wird. Er fragt sich: Warum schlugen all jene Partygänger nicht Alarm, die auf der Großen Freiheit friedlich gefeiert haben? Polizei war ja da! Man hätte sie ja ansprechen können. Aber das ist ja offensichtlich auch nicht geschehen. Man war mit sich selber ja beschäftigt und war selber nicht betroffen.
Bürgerwehren bilden sich - Gefahr der Unterwanderung von rechts
Der Düsseldorfer Tofigh Hamid will hingegen selbst tätig werden. Der arbeitslose Leiharbeiter mit iranischem Migrationshintergrund ist Gründer der Facebook-Gruppe "Düsseldorf passt auf". Innerhalb weniger Tage haben sich der Initiative über 13.000 Menschen angeschlossen - zumindest online. "Motiviert die Menschen, einfach mal mitzumachen. Und Leute, noch was, ne..." Vor das Düsseldorfer Rathaus sind an diesem Abend im Januar etwa 50 Leute gekommen. Sie werden von Hamid in Sechsergruppen aufgeteilt und dann in verschiedene Richtungen auf Streife geschickt. Vorher sollen alle ein so genanntes "Regelwerk" unterschreiben: "Man verpflichtet sich dazu, keine Waffen mitzunehmen, keine Aggressionen auszuüben, keine Drogen zu nehmen, nicht zu trinken, deeskalierend eingreifen, immer die Polizei zu rufen."
Die meisten Teilnehmer machen einen besonnenen, ruhigen Eindruck. Es sind Verkäuferinnen, Pfleger, Angestellte, nicht nur aus Düsseldorf, sondern auch aus Neuss, Krefeld oder Bonn. Die Beweggründe mitzumachen sind bei vielen ähnlich: "Als Unterstützung für die Polizeibeamten und -beamtinnen, die jeden Tag für unsere Sicherheit sorgen, so, ne. Dass man denen zeigt: Hey, es gibt doch noch 'n paar Menschen, die einfach friedlich, aber doch Präsenz zeigen wollen, die nicht in irgendeine Sparte gedrückt werden wollen, von wegen rechts oder links oder irgendwas."
Doch die Gefahr einer Instrumentalisierung und Unterwanderung etwa durch rechtsextreme Gruppierungen ist groß. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft betonte entsprechend am Donnerstag in einer Sondersitzung des Landtags, dass das staatliche Gewaltmonopol allein durch die staatlichen Sicherheitskräfte, und nicht etwa durch Bürgerwehren ausgeübt werden dürfe. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas warnte vor selbsternannten "Hobby-Sheriffs".
Tatsächlich schaffen solche Initiativen mitunter erst Konfliktpotenzial. So sorgt etwa die Düsseldorfer Bürgerwehr am Abend ihres ersten Patrouillengangs selbst für einen Polizeieinsatz: Die Beamten müssen eingreifen, um Auseinandersetzungen mit linken Gruppen zu verhindern, die zum Teil mit Pfefferspray und Holzlatten das Düsseldorfer Treffen beobachtet hatten. Mittlerweile hat die Bürgerwehr reagiert und weitere Rundgänge abgesagt. Man fühle sich in die rechte Ecke gedrängt, heißt es von Seiten des Organisators. Der Düsseldorfer Sozialwissenschaftler und Extremismusforscher Alexander Häusler sagt: "Gerade diese Organisationsform einer so genannten Bürgerwehr ist ein ideales Einfallstor für rechte Akteure, für Leute aus dem rechtsextremen Spektrum, weil es ihnen die Möglichkeit bietet, sich als Ordnungsmacht aufzuspielen und ihre eigenen Gewaltfantasien und Vorurteile gegenüber Minderheiten ausleben zu können, indem man sich als Anwalt des Volkes oder als Ordnungsmacht selber fühlt."
Die Arbeit der Polizei wird durch Bürgerwehren erschwert
Die Teilnehmer der ersten Bürgerwehr-Rundgänge in Düsseldorf hingegen sehen sich als friedliche, rechtschaffene Bürger. Doch gerade große Gruppen mit tausenden Mitgliedern lassen sich von den Initiatoren oft nur schwer kontrollieren. Und mitunter mangelt es auch an einer klaren Distanzierung von rechten Sympathisanten. Tofigh Hamid, Initiator der Düsseldorfer Bürgerwehr: "Es gibt auch teilweise Menschen, die sag ich mal von der Presse in die rechte Szene gedrängt werden. Vielleicht, weil sie auch politisch so eingestellt sind. Aber in diesem Fall sitzen wir alle in einem gleichen Boot. Wir haben mit Politik nix zu tun, die Menschen sollen ihre politische Haltung von uns fernhalten. Allerdings sollen sie uns mit Motivation und Tatkräftigkeit unterstützen." Was zählt, ist also die Tatkraft. Um die zu rechtfertigen, berufen sich viele der Bürgerwehren auf das so genannte "Jedermann-Festnahme-Recht", das in Paragraph 127 der Strafprozessordnung beschrieben wird. Vereinfacht ausgedrückt hat danach jeder das Recht, eine Person festzunehmen, die er auf frischer Tat ertappt - solange bis die Polizei vor Ort ist.
"Aber mehr darf ich im Prinzip nicht. Das heißt, ich darf nicht durch die Städte gehen, mir Personen aussuchen, die ansprechen, die anhalten, oder dann vielleicht sogar attackieren. Dann machen sich diese Personen strafrechtlich schuldhaft", sagt Arnold Plickert von der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Das Gewaltmonopol liege beim Staat und somit bei der Polizei. Damit sei sie allein für die Sicherheit der Bürger zuständig. Doch gerade dafür haben die Beamten in den Städten weniger Kapazität, wenn sie in den Innenstädten zugleich patrouillierende Bürgerwehren im Blick behalten müssen, meint Polizeisprecherin Susanna Heusgen in Düsseldorf: "Für uns beziehungsweise für meine Kollegen in der Altstadt bedeutet das eine zusätzliche Arbeitsbelastung, neben dem, was sonst noch in der Altstadt stattfindet."
Sind Bürgerwehren also kontraproduktiv und sorgen eher noch für mehr Konfliktpotenzial? Mehrere Vorfälle in den vergangenen Tagen lassen darauf schließen. In Köln wurden Pakistaner und Syrer von Unbekannten attackiert, die sich vorab über Facebook verabredet hatten. In Bielefeld trafen sich knapp 100 gewaltbereite Fußballfans, die nach Polizeiangaben "Flagge und Stärke zeigen wollten". Und, wie in Düsseldorf haben sich auch in vielen anderen Städten vor allem über Facebook sogenannte Bürgerwehren gegründet - mit zum Teil mehreren tausend Mitgliedern.
In etlichen Gruppen gibt es mittlerweile heftige Diskussionen - zwischen denen, die mit starken Worten eine Art Selbstjustiz befürworten und jenen, die zur Besonnenheit mahnen und betonen, politisch neutral zu sein. Der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler fordert, klarer zu differenzieren: "Es ist prinzipiell zu unterscheiden zwischen der Forderung einer Bürgerwehr und der Forderung nach Zivilcourage. Während das Zweitere eine Sache ist, wo jeder Bürger, jede Bürgerin gefordert ist. Das heißt, aufmerksam zu sein, nicht wegzugucken, und auch direkt die Polizei zu verständigen, wenn Gewalttaten passieren, ist das bei dem Fall der Bürgerwehr eine Entwicklung hin zu einem Zustand von Selbstjustiz und das ist strikt zu verurteilen." Die Polizei will entsprechend in den nächsten Wochen in etlichen Städten verstärkt Präsenz zeigen. Doch in vielen Bundesländern wurde in den vergangenen Jahren stark Personal abgebaut. Der Einsatzfähigkeit der Beamten sind Grenzen gesetzt.
Die Polizei bereitet sich auf stärkeren Grenzeinsatz vor
An der temporären Grenzstation Salzburg-Piding an der Autobahn A8 liegt das Gewaltmonopol nach wie vor klar auf Seiten des Staates. Seit dem 13. September kontrollieren hier Beamte der Bundespolizei aus ganz Deutschland die im Schritttempo vorbeifahrenden Autos. Wer verdächtig aussieht, wird herausgewunken - Routinearbeit. Die Vorfälle von Köln sind hier weit weg. Die Flüchtlinge auch. Sie werden mit Bussen von Österreich gleich in die Kontrollstellen in Rosenheim oder Freilassing gebracht. Schleuser sind selten geworden. Zwölf Stunden dauern die Schichten der Beamten. Die einen sind aus Cottbus, andere kommen von der Reiterstaffel Berlin. Aus Köln ist derzeit keiner dabei, sagt der Sprecher der Bundespolizei Rosenheim Rainer Scharf. Grundsätzlich seien aber Ereignisse wie in der Silvesternacht rund um Dom und Hauptbahnhof schwer vorhersehbar: "Ja man müsste natürlich Hellseher sein, um zu sagen, wo der nächste große polizeiliche Anlass unangekündigt stattfinden wird. Das weiß man natürlich nicht. Wir wissen hier als Bundespolizei, wo wir ja grenzpolizeilich originär gefordert sind, dass ein großer personeller Bedarf an der deutsch-österreichischen Grenze gerade ist, entsprechend sind die Beamten auch hier eingesetzt."
Das wird sich trotz der Kölner Vorfälle auch nicht ändern. Man hat sich längst auf eine Verlängerung der Grenzkontrollen eingestellt. Die Dienstpläne liegen bereits bis Sommer vor. Unbestätigten Gerüchten zufolge ist die Bundespolizei sogar darauf vorbereitet, dass Deutschland in einem dreistufigen Verfahren die Grenze schließt. Die Polizeieinheiten dürften in einem solchen Fall wohl eher aufgestockt als reduziert werden: "Wir kommen von der Inspektion Frankfurt am Main und wir sind hier von Montag bis Dienstag abgeordnet, das heißt neun Tage. Die Ausschreibung war schon Ende November bekannt. Und dann konnte man sich eintragen, wer runter muss, das muss ja jeder mal, jetzt hat es halt uns vier getroffen." Eine Beamtin sagt: "Ja, ich bin auch aus Frankfurt, am Hauptbahnhof, auch von Montag bis nächste Woche Dienstag, also wir haben heute Morgen angefangen und sind grad Zugstreife gefahren von Kufstein, wo das Camp ist."
Dass jetzt am Bahnhof Frankfurt am Main Beamte fehlen, weil sie in Bayern gebraucht werden, kann und will hier keiner sagen. Man hole sich Verstärkung je nach Situation, sagt der Sprecher der Bundespolizeidirektion München, Matthias Knott. Seit nur noch drei von fünf Grenzübergängen kontrolliert werden, sei der Personalbedarf allerdings eher rückläufig. Sein Kollege von der Bundespolizeistation Rosenheim ergänzt: "Die Inspektion selbst verfügt über 550 Mitarbeiter. Wir werden aktuell unterstützt durch Mitarbeiter in der Größenordnung von 500 bis 600, also es sind nochmal soviele, also wir sind gut aufgestellt, um diese Aufgabe bewältigen zu können."
Seit den Silvestervorgängen wurde das Personal aber weder aufgestockt noch an andere Brennpunkte, wie etwa den Münchner Hauptbahnhof, abgezogen. Der Vizepräsident der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, fordert seit Jahren mehr Personal, um Ereignisse wie in Köln zu verhindern. Bei solchen unvorhergesehenen Entwicklungen werden üblicherweise Bereitschaftspolizisten der Bundespolizei als Verstärkung angefordert. Die sind jetzt allerdings an der Grenze im Einsatz. Es müsse über eine Arbeitsteilung nachgedacht werden, so Radek. Nach Köln ist er überzeugt, "dass man eine Aufgabenkritik durchführt und überlegt, ob die Bundespolizei wirklich alle diese Aufgaben, die ihr übertragen wurden nach dem Gesetz nach, aber auch die wir noch zusätzlich bekommen haben, ob das überhaupt Aufgaben der Bundespolizei sind und ob es auch Aufgaben sind, die Vollzugsbeamte erledigen müssen".
Bayern würde mehr Landespolizisten bereitstellen
Der Personalengpass bei der Bundespolizei wie auch die Vorgänge in Köln haben indessen die Politiker Bayerns auf den Plan gerufen. Ihr Krisenmanagement in Reaktion auf die Terrorwarnung an Silvester wurde überwiegend gelobt. In kürzester Zeit wurden am Silvesterabend Polizeibeamte am Hauptbahnhof zusammengezogen. So etwas wie in Köln wäre in München nicht passiert, ist Innenminister Joachim Herrmann überzeugt. Deshalb bietet der Freistaat jetzt an, seine Grenzen teilweise durch die eigene Landespolizei schützen zu lassen. Kriminelle Migranten wie die Straftäter vom Kölner Hauptbahnhof wären erst gar nicht nach Deutschland gekommen, wenn die Grenzen richtig kontrolliert würden, heißt es aus der Regierungspartei CSU.
Doch Berlin lehnt den Vorstoß ab. Allerdings weisen deutsche Beamte seit einigen Tagen Nordafrikaner an der deutsch-österreichischen Grenze zurück, wohl eine Folge der Kölner Vorkommnisse. Außerdem verstärkt Bayern seine Schleierfahndung, um die Kollegen von der Bundespolizei zu unterstützen, erklärt Oliver Platzer, Sprecher des bayerischen Innenministers: "Wir versuchen, das aufzufangen durch die Schleierfahndung. Aber die ist natürlich viel aufwändiger, als wenn wir direkt an der Grenze Polizisten stationieren könnten. Deswegen bieten wir dem Bund unsere Hilfe an und sagen: Wir wollen den Bund unterstützen mit der bayerischen Landespolizei an den Grenzübergängen, wo die Bundespolizei eben niemanden stationiert hat. Dann hätten wir eine effektivere Sicherung der Außengrenze und wir hätten mehr Sicherheit im Land."
Doch die grenzpolizeiliche Zuständigkeit ist im August 2008 vom Land Bayern auf den Bund übergegangen. Die bayerische Landespolizei sei jedoch jederzeit bereit, sich wieder stärker zu engagieren, betont Innenministeriumssprecher Oliver Platzer. Dann stünden wieder mehr Bundespolizisten für Köln, Hamburg oder Berlin zur Verfügung, so Platzer.
Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht
Zurück in Hamburg, auf der Großen Freiheit. Vor dem "Safari-Biergarten" steht Kathrin Lüth, unterhält sich mit Kollegen, ihren kleinen Hund, eine französische Bulldogge, an der Leine. Kathrin Lüth arbeitet in "Angies Nightclub" als Kellnerin. Für sie hat sich durch die massenhaften Übergriffe in der Silvesternacht nichts verändert: "Ich wohne hier, ich arbeite hier, ich lebe hier. Und ich fühle mich überhaupt nicht verunsichert oder eingeschüchtert oder habe jetzt irgendwie Angst, von der Arbeit nach Hause zu gehen. Auf dem Kiez ist es ist einfach so: Du darfst keine Angst zeigen. Und Du darfst auch nicht verunsichert sein und dann ist alles gut."
Ihre Kollegin Annika Schröder aus der Bar Roque - direkt auf der Großen Freiheit - sieht das ganz anders. "Beängstigend ist ja, dass man sich nicht wehren kann, wenn so zehn, zwanzig Leute um einen rumstehen. Da kannst Du machen, was Du willst. Das ist das Problem! Letztendlich kannst Du nur hoffen, dass es Dich nicht erwischt! Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass die Polizeiverstärkung hier irgendwas retten kann. Definitiv nicht." Denn schließlich, so Tresenfrau Annika Schröder, gebe es auf St. Pauli viel zu viele dunkle Ecken, die gar nicht alle überwacht werden können.
Der Polizist Andreas Schmidt, der hier jahrelang Streife ging, teilt diese Einschätzung nur eingeschränkt. "Grundsätzlich kann man mit mehr Polizei immer mehr in den Griff kriegen bzw. solche Übergriffe auch verhindern. Denn dort, wo ein Schutzmann steht oder ein Polizist zugegen ist, ist die Hemmschwelle für einen Täter immer größer, was zu tun. Illusionen dürfe man sich aber nicht machen, so Andreas Schmidt. Hundertprozentige Sicherheit gebe es nun mal nicht. Nicht vor und nicht nach der Silvesternacht.