Der Fußball ist aus dem Winterschlaf erwacht. Der Ball rollt wieder. Ereignisse in der Fußball-freien Zeit haben gezeigt: die Polizei ist überfordert. Stichwort: Sexuelle Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht. Und überhaupt: Terrorabwehr, Islamismus, Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, steigende Zahl von Demonstrationen - die Polizei muss immer mehr Einsätze stemmen, mit immer weniger Personal. Und jetzt kommt auch noch der Fußball wieder hinzu. Da muss einiges andere auf der Strecke bleiben. In Köln zum Beispiel wurde eine Karnevalsveranstaltung abgesagt, wegen des Drittligaspiels zwischen Fortuna Köln und Hansa Rostock.
Leere Biertischgarnituren
Rostocker Fans kommen am Kölner Südstadion an. Der Heimat des SC Fortuna. Der Weg zu ihrem Block führt an einem großen Festzelt vorbei. Es ist hell erleuchtet. Wer durch die Fenster nach drinnen späht stellt aber fest: Kein Mensch zu sehen. Die Biertischgarnituren sind leer. Dabei müssten sich hier schon Funkenmariechen, Piraten oder Cowboys warmschunkeln. Doch die für diesen Abend geplante Karnevals-Party fällt aus.
"Diese Veranstaltung mussten wir leider aus massiven Sicherheitsbedenken, die die Kölner Polizei geäußert hat, absagen. Das hat einfach mit dem Fußballspiel Fortuna Köln gegen Hansa Rostock zu tun", sagt Manfred Damaschke, Sprecher des Veranstalters und zuckt resigniert mit den Schultern. Es sollte der Sessions-Auftakt einer ganzen Reihe von Karnevals-Partys in diesem Festzelt werden. Ein Karnevalsfest für Jugendliche. Wie sich dann aber im Vorfeld herausstellte: Nicht zu vereinbaren mit einem Fußballspiel, das zeitgleich im Stadion nebenan stattfindet, und das von der Polizei als Hochsicherheitsspiel eingestuft wird:
Damschke sagt: "Es gibt im Vorfeld unserer Großveranstaltungen immer Sicherheitsbesprechungen. Da ist auch die Kölner Polizei dabei und da hat man von leitender Seite darauf hingewiesen, dass diese Veranstaltung für die Kölner Polizei nicht zu schützen wäre und man uns auch empfohlen hat, diese Sache abzusagen."
Gewaltbereite Hooligans
Kein Alaaf und Tschingderassabum! Auf Empfehlung der Kölner Polizei. Weil sich zu dem Drittliga-Spiel zahlreiche gewaltbereite Rostocker Hooligans angekündigt haben. Hooligans, die in jüngster Zeit äußerst radikal in Erscheinung getreten sein sollen. Angereisten Rostocker Fans tut es fast schon Leid, dass die Jecken in die Röhre gucken müssen:
"Schon ein bisschen, weil ich auch gerne Karneval feiere."
"Um ehrlich zu sein schon, weil, wir Rostocker sind ganz okay. Wir sind nicht wirklich böse."
"Da hab ich manchmal das Gefühl, dass wir in ne Ecke gedrängt werden, wo wir eigentlich nicht hin gehören."
Nein – sie wollen nicht auf sich sitzen lassen, dass ihretwegen eine Karnevalsveranstaltung abgesagt werden musste. Der Verein Hansa Rostock veröffentlichte sogar eine Richtigstellung, schrieb auf seiner Internetseite, dass vielmehr logistische Probleme des Veranstalters Schuld seien.
Manfred Damaschke schüttelt energisch den Kopf: "Diese Absage ist einzig und alleine aus Sicherheitsgründen passiert, weil wir sagen, wir haben jugendliche Gäste, die sind zu schützen und wir können uns nicht erlauben, die zu gefährden und aus diesem Grund ist das gemacht worden."
Kante gegen Hooligans
Von der Rostocker Sprecherin gibt es an diesem Abend keinen Kommentar zu dem Thema. Dafür rückt die Kölner Polizei mit zwei Hundertschaften, inklusive Pferdestaffel am Kölner Südstadion an. Um für die Ordnung rund um das Spiel zu sorgen. Für die Sicherheit der jugendlichen Karnevals-Jecken hätte sie nicht garantieren können.
Das hatte Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter vor wenigen Tagen im Deutschlandfunk schon angekündigt: "Wir können uns natürlich nicht leisten, dass unbescholtene Bürger, insbesondere Jugendliche durch diese Hooligans verletzt werden, weil dort Ausschreitungen zu erwarten sind. Es sind Ab- und Anreisewege in den Fokus zu nehmen. Die Veranstaltung wurde meines Wissens dann ja um eine Woche verschoben. Aber das wird die Zukunft sein. Die Polizei kann nicht mehr überall sein und wird nicht mehr überall sein. Gerade wo Hooligans sind, werden wir viel Personal aufbringen, weil man diesen Personen nicht den öffentlichen Raum überlassen darf, da muss der Rechtsstaat Kante zeigen. Aber bei anderen Veranstaltungen müssen wir schauen, anders disponieren und den Rotstift ansetzen."
Kurzer Schreckmoment
Im Gäste-Block des Kölner Südstadions ist die Polizei an diesem Abend sehr präsent. Auf dem Rasen läuft es für Hansa Rostock nicht gut. Schon nach 20 Minuten liegt die Mannschaft mit 0:3 hinten. Auf den Rängen nur ab und zu ein paar Gesänge. Ansonsten resigniertes Schweigen. Dann wird es plötzlich hektisch.
Weitere Polizeibeamte drängen in den Block, orientieren sich in die Richtung in der die Ultras stehen, beobachtet von normalen Hansa-Fans:
"Ja die Polizei kam angerückt, auf der großen Tafel sitzen zwei Hansa-Fans, die wollten sie wohl da runter holen. Haben sie aber nicht geschafft."
"Bei so viel Polizei hab ich keine Angst."
Die zusätzlichen Beamten ordnen die Situation relativ schnell als harmlos ein und verlassen den Block wieder. Die Chaoten, die auf die Anzeigetafeln geklettert sind, kommen von selbst wieder herunter, als der Regen einsetzt und es wie aus Kübeln schüttet. Das Spiel endet 5:1 für Fortuna Köln. Es bleibt alles ruhig. Auch bei der Abreise der Rostocker Anhängerschaft. Und die Karnevals-Party in dem Festzelt gleich neben dem Kölner Südstadion steigt dann nächste Woche.