Es gibt eine Umfrage aus Hongkong, die beeindruckt: Nur ein Drittel der im bis vor kurzem autonomen Stadtstaat lebenden Menschen begrüßt das seit Juli gültige Nationale Sicherheitsgesetz. Die Befragung, die Mitte Juni von der Nachrichtenagentur Reuters in Auftrag gegeben wurde, zeigt auch: 57 Prozent sind dagegen. Eine ähnliche Umfrage unter Journalisten ergab sogar, dass 87 Prozent befürchten, liberale Grundrechte wie die Presse- und Meinungsfreiheit werden künftig "stark beschnitten" sein.
Mehrheit gegen das Gesetz
Die Werte entsprechen in etwa den Bildern, die man in den letzten Wochen, Monaten und sogar Jahren aus Hongkong gesehen hat. Spätestens seit die chinesische Regierung aus Peking im Herbst 2014 versuchte, Hongkong stärker unter die Kontrolle von China zu bringen, gingen Hunderttausende auf die Straße. Die Initiative ging von den Universitäten aus. Zuletzt sollen sie sogar Millionen mobilisiert haben.
Die Sache ist klar: In Hongkong will man das Gesetz, das Dissens kriminalisiert und freie Meinungsäußerung verbietet, mehrheitlich nicht.
Demokratievereinigung kämpft weiter
Doch jetzt, wo dieses Gesetz dennoch Realität geworden ist: Wer spricht solche Meinungen noch aus? Es sind vor allem Studieredende, die weiterhin die Stimme erheben:
"Auch wenn das Nationale Sicherheitsgesetz verabschiedet wurde, waren Hunderttausende auf der Straße. Und auch, wenn unsere Vereinigung Demosisto jetzt nicht mehr existiert, wird die Pro-Demokratiebewegung nicht sterben. Wir werden flexibel ohne Anführer weitermachen. Aber wir werden neue Wege des Widerstands finden müssen."
"Auch wenn das Nationale Sicherheitsgesetz verabschiedet wurde, waren Hunderttausende auf der Straße. Und auch, wenn unsere Vereinigung Demosisto jetzt nicht mehr existiert, wird die Pro-Demokratiebewegung nicht sterben. Wir werden flexibel ohne Anführer weitermachen. Aber wir werden neue Wege des Widerstands finden müssen."
Sagte im Juli Isaac Cheng, Soziologiestudent und Vizevorsitzender der nun aufgelösten Demokratievereinigung Demosisto. Cheng will sich nicht unterkriegen lassen.
Ehemals kritische Uni-Lehrende verstummen
Allerdings ist nicht nur unklar, welche Wege des Widerstands gefunden werden. Noch weniger gewiss ist, wie wirksam sie noch sein können. Denn viele derjenigen, die bisher Kritik äußerten, wollen dies nun nicht mehr tun. Und es sind vor allem die Lehrer dieser mutigen jungen Menschen, die jetzt verstummen.
Zwei Tage, nachdem das Nationale Sicherheitsgesetz in Kraft getreten war, antwortete ein Geschichtsprofessor auf eine Interviewanfrage: "Leider muss ich diesmal ablehnen. Ich bin ohnehin nicht die passendste Person, um dieses Thema zu besprechen. Ehrlich gesagt tappen wir alle gerade im Dunkeln, was unsere akademische Freiheit angeht und tatsächlich auch, wie sich diese auf unsere Karrieren auswirken wird."
Die Begründung – das Gesetz betreffe nicht seine akademische Expertise – ist wenig überzeugend. Denn er ist direkt davon betroffen. Und sollte er nicht gerade deshalb über dieses Thema sprechen, weil jetzt wenig Gewissheit über die verbleibenden Freiheiten besteht?
Zwei Tage, nachdem das Nationale Sicherheitsgesetz in Kraft getreten war, antwortete ein Geschichtsprofessor auf eine Interviewanfrage: "Leider muss ich diesmal ablehnen. Ich bin ohnehin nicht die passendste Person, um dieses Thema zu besprechen. Ehrlich gesagt tappen wir alle gerade im Dunkeln, was unsere akademische Freiheit angeht und tatsächlich auch, wie sich diese auf unsere Karrieren auswirken wird."
Die Begründung – das Gesetz betreffe nicht seine akademische Expertise – ist wenig überzeugend. Denn er ist direkt davon betroffen. Und sollte er nicht gerade deshalb über dieses Thema sprechen, weil jetzt wenig Gewissheit über die verbleibenden Freiheiten besteht?
Ein weiterer Professor aus Hongkong, Experte für Kommunikationswissenschaften, behauptet nicht, er kenne sich nicht aus. Er sagt ohne weitere Begründung: "Danke für die Konktaktaufnahme, aber ich muss diesmal verzichten."
Eine andere Akademikerin, die aus dem Ausland stammt, kritisierte in früheren Jahren recht locker die Hongkonger Politik. Man hatte nicht das Gefühl, sie würde sich vor den Einschüchterungen aus China fürchten. Aber jetzt sagt sie: "Tut mir leid. Das ist ein Thema, zu dem ich nichts sagen möchte. Aber ich orientiere mich mittlerweile beruflich weg von Hongkong."
Eine andere Akademikerin, die aus dem Ausland stammt, kritisierte in früheren Jahren recht locker die Hongkonger Politik. Man hatte nicht das Gefühl, sie würde sich vor den Einschüchterungen aus China fürchten. Aber jetzt sagt sie: "Tut mir leid. Das ist ein Thema, zu dem ich nichts sagen möchte. Aber ich orientiere mich mittlerweile beruflich weg von Hongkong."
"Das Nationale Sicherheitsgesetz erhöht die Kosten freier Meinungsäußerung"
Ganz anders die jungen Leute. Nicht nur der Student Isaac Cheng steht mit seinem Namen für seine Meinung und plant auch nicht aus Hongkong wegzuziehen. Genauso geht es der 20-jährigen Edy Jeh, Studierendenvertreterin an der Hong Kong University. Über die allmählich verstummenden Lehrenden sagt sie:
"Das ist wahrscheinlich normal. Das Nationale Sicherheitsgesetz erhöht die Kosten freier Meinungsäußerung. Dass wir jungen Menschen trotzdem weitermachen, liegt wohl auch daran, dass wir weniger Lasten tragen müssen. Wir haben noch keine eigenen Familien, die wir ernähren müssen. Und wir wurden so großgezogen, dass wir immer sagen, was wir denken. Meine Generation hat auch in den letzten Jahren auch schon viele Bewegungen miterlebt. Deswegen sind viele von uns mutige und begeisterte Verteidiger der Demokratie."
"Das ist wahrscheinlich normal. Das Nationale Sicherheitsgesetz erhöht die Kosten freier Meinungsäußerung. Dass wir jungen Menschen trotzdem weitermachen, liegt wohl auch daran, dass wir weniger Lasten tragen müssen. Wir haben noch keine eigenen Familien, die wir ernähren müssen. Und wir wurden so großgezogen, dass wir immer sagen, was wir denken. Meine Generation hat auch in den letzten Jahren auch schon viele Bewegungen miterlebt. Deswegen sind viele von uns mutige und begeisterte Verteidiger der Demokratie."
Angst der Älteren – Mut der Jüngeren
Edy Jeh sagt dies auch in Abgrenzung zur älteren Generation, von der ihre Altersgenossen erzogen worden sind. Große Stücke setzt sie auf diese Älteren jetzt nicht mehr. Ende Juli wurde der Juraprofessor Benny Tai, der über die letzten Jahre die Proteste auf den Straßen mitangeführt hat, für dieses Engagement seines Unipostens enthoben.
Auf die verbleibenden, eigentlich kritischen Professoren von Hongkong dürfte die Entlassung Tais Signalwirkung haben. Nicht aber auf die Studenten, sagt Edy Jeh: "Selbst wenn es für uns riskant ist, offen unsere Meinung zu sagen, werden wir das weiterhin tun. Wir müssen es tun."