Ein Hotel, mitten in München, wird zur weltpolitischen politischen Bühne. Einmal im Jahr. Abgeriegelt von Polizei und Sicherheitskräften gerät der Bayrische Hof in München alljährlich zum Schauplatz für, ja für was eigentlich? Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt es so:
"Sie müssen bei dieser Konferenz wissen, dass da immer zwei Dinge stattfinden. Auf der einen Seite bietet sie viel Raum für politische Entscheidungsträger, sich abseits der Öffentlichkeit in irgendwelchen Nebenräumen zu treffen und Probleme zu lösen, das ist gut und das ist wichtig und das muss stattfinden, auf der anderen Seite ist sie ein Forum für öffentliche Botschaften, Botschaften, die auch immer zurückgespielt werden an das eigene heimische Publikum."
Kleine Runden in den oberen Geschossen - ohne Journalisten
Es ist dieses Jahr die 51. Sicherheitskonferenz, anfangs traf man sich an gleicher Stelle zur sogenannten Wehrkundetagung, aus heutiger Sicht ein muffig klingender Begriff. Joschka Fischer, der als Außenminister 2003 für einen besonderen Moment in der Konferenzgeschichte sorgte, erinnert sich im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk an diese frühen Wurzeln der Veranstaltung vor Jahrzehnten.
"Das war eine schaurige Veranstaltung aus meiner damaligen Perspektive. Allein schon der Begriff Wehrkundetagung und dann waren das ja auch noch betagte ältere Herren, ich war damals eher ein junger Radikaler, der das alles abgelehnt hat, das hat mir nichts gesagt und ich bin da erst als Außenminister hingegangen."
Experten in Scharen, Minister im Dutzend, dazu zahlreiche Staats- und Regierungschefs und dazwischen Vertreter großer Konzerne und DAX Unternehmen, etwa 400 Teilnehmer sind es in diesem Jahr, sie werden von knapp 800 akkreditierten Journalisten beobachtet. Die Ukraine, der Terror durch den Islamischen Staat, das Flüchtlingsdrama rund um den Syrien-Krieg, die Agenda ist noch dichter gedrängt also in den Vorjahren. Es ist eng in diesem Hotel, vieles geschieht gleichzeitig und in den unteren Fluren mischen sich Akteure und Beobachter. Delegationen huschen von Termin zu Termin, denn während das offizielle Programm im Tagungssaal mit Referaten und Talk-Runden läuft, trifft man sich in den oberen Geschossen zu kleinen Runden. Dort gilt in der Regel: Journalisten müssen draußen bleiben. Tim Assmann vom Bayerischen Rundfunk berichtet seit zwölf Jahren von der Sicherheitskonferenz:
"Und wenn sie mal nicht physisch unter Verschluss gehalten werden, dann werden sie am Ende des Tages informationell unter Verschluss gehalten. Natürlich ist es so, dass das, was geheim bleiben soll, auch geheim bleibt."
Historische Momente
Doch auch vor laufenden Kameras und Mikrofonen wird es mitunter historisch. Die Rede von Wladimir Putin 2007 ist in Erinnerung, eine Breitseite gegen die US-Dominanz. Mit Blick auf die aktuellen Ereignisse in der Ukraine war sie schon damals Vorbote einer neuen Eiszeit zwischen Russland und dem Westen. Und natürlich der schon erwähnte Joschka Fischer, der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld 2003 in der Diskussion um die Irak-Kriegsbegründung mit einem emotionalen "I' m not convinced" ein Nein entgegenstellte. Fischer erinnert die Situation später so:
"Es war weniger Rumsfeld als diese Riege von Kongressabgeordneten und Senatoren, die da direkt vor mir saßen, wo ich mir dachte, okay, jetzt machst du noch mal einen Versuch, und ich dachte natürlich auch an die vielen Tausend, die draußen demonstrierten."
Donald Rumsfeld ist Geschichte. Die Riege aus dem US-Kongress kommt immer noch, dazu US-Vizepräsident Joe Biden und Außenminister John Kerry. Der transatlantische Kern der Konferenz bleibt erhalten, betont der Konferenzvorsitzende Wolfgang Ischinger:
"Sie finden keinen Event, da müssen sie lange suchen auf der ganzen Welt, wo sich mehr als ein halbes Dutzend amerikanische Senatoren am gleichen Ort, zum gleichen Thema außerhalb der USA aufhalten."
Proteste wie in jedem Jahr
Auch die Demonstranten die Joschka Fischer erwähnte, kommen jedes Jahr auf's Neue. Sie sehen im Bayerischen Hof eine unselige Allianz von Politikern, Militärs und Rüstungsunternehmen. Kriegstreiber, so werden sie durch Megafone gerne genannt. Auch dieses Jahr wird am Samstagmittag protestiert. Zu Recht, versichert der Linken-Bundestagsabgeordnete Alexander Neu per Videobotschaft, denn:
"Wenn die Medien nicht hinhorchen, wird wesentlich offener gesprochen, und das, was gesagt wird aufgrund meiner Erfahrungen, die ich im letzten Jahr gemacht habe, ist wirklich das, was alle sogenannten Vorurteile übertrifft."
Wolfgang Ischinger schüttelt angesichts solcher Töne den Kopf. Er ist stolz auf Veränderungen in den vergangenen Jahren. Rund um die eigentliche Konferenz ist ein Rahmenprogramm entstanden mit Teilnehmern wie Transparency International, Global Zero und dem Forum Ziviler Friedensdienst. Ischinger verweist auf Konferenzgäste wie den Chef von Greenpeace, sowie Vertreter von Human Rights Watch und Amnesty International. Ischinger ist sich sicher:
"Angesichts der Tatsache, dass wir diese ganzen Friedens- und Klima- und Abrüstungs NGOs unter unseren aktiven Teilnehmern haben, führt sich diese Truppe der ewig Gestrigen, die sich an ihrem Feindbild von vorgestern erfreuen, ad absurdum."