Sicherheitspaket
Folgt auf die Einigung der nächste Streit?

Der Bundestag hat das Sicherheitspaket der Bundesregierung beschlossen. Der Bundesrat stimmte jedoch nur in Teilen zu. Was bedeuten die Beschlüsse für die Sicherheits- und Migrationspolitik der Ampel-Koalition?

    Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, bückt sich nach einer Pressekonferenz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und zur Änderung des Sprengstoffgesetzes, um ihre Krücken aufzuheben.
    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nennt die Blockade der Union im Bundesrat "völlig unverständlich und verantwortungslos". (picture alliance / dpa / Sebastian Gollnow)
    Als Reaktion auf den Anschlag in Solingen am 23. August 2024 hat die Bundesregierung ein sogenanntes Sicherheitspaket vorgeschlagen, das nun von Bundestag beschlossen wurde. Auch der Bundesrat stimmte überwiegend zu, lehnte jedoch einen Teil ab. CDU und CSU kritisierten die Gesetze als nicht weitgehend genug.

    Inhalt

    Was wurde von dem Sicherheitspaket beschlossen?

    Mit seinem Beschluss hat der Bundestag Verschärfungen in zwei Bereichen auf den Weg gebracht: dem Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie dem Waffenrecht.

    Asyl- und Aufenthaltsrecht

    • Asylbewerbern soll künftig der Schutz aberkannt werden, wenn sie Straftaten mit fremdenfeindlichem oder menschenverachtendem Beweggrund begangen haben. Dazu zählen Antisemitismus, Rassismus, Sexismus oder Queerfeindlichkeit.
    • Wenn anerkannte Schutzberechtigte in ihr Heimatland reisen, soll ihr Schutzstatus aufgehoben werden. Ausgenommen sind Beerdigungen von Angehörigen.
    • Asylsuchende, für die ein anderes europäisches Land die Verantwortung trägt, sollen von Sozialleistungen ausgeschlossen werden, wenn die Ausreise für sie rechtlich und tatsächlich möglich ist.
    • Außerdem soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge biometrische Daten mit öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet abgleichen dürfen, um die Identität von Asylbewerbern zu prüfen.

    Waffengesetz

    • Das Waffengesetz wird verschärft. Um die Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern zu überprüfen, sollen künftig Bundespolizei, Zollkriminalamt und die Polizeidienststellen der Wohnsitze des Antragsstellers in den vergangenen zehn Jahren beteiligt werden.
    • Messerverbote im öffentlichen Raum werden ausgeweitet. Bei Volksfesten und anderen öffentlichen Veranstaltungen, an "kriminalitätsbelasteten Orten" sowie im öffentlichen Personennahverkehr und Haltestellen wird der Umgang mit Messern untersagt. Auch Springmesser sind verboten, unabhängig von der Klingenlänge. Ausgenommen sind Berufe, bei denen Messer notwendig sind, wie der Gastronomie oder bei Schaustellern auf Messen, Märkten und Ausstellungen.

    Was lehnte der Bundesrat ab?

    Der Abgleich biometrischer Daten im Internet war auch für die Terrorismusbekämpfung vorgesehen. Die Suche nach Gesichtern und Stimmen mittels einer automatisierten Anwendung sollte aber nur dann erlaubt sein, wenn dies der Präsident des Bundeskriminalamtes oder seine Vertretung von einem Gericht genehmigen lässt. Bei Gefahr im Verzug hätten der BKA-Chef oder einer der drei Vize selbst die Anordnung für maximal drei Tage treffen müssen. Der Bundesrat hat diesen zweiten Teil des Sicherheitspakets mit Unionsmehrheit abgelehnt.
    Die Union kritisierte, dass die Befugnisse der Ermittler nur bei besonders schweren Straftaten möglich ist und nicht, wie im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen, bereits bei schweren Straftaten. Damit fällt etwa die sexuelle Ausbeutung von Kindern sowie Kinderpornografie heraus.
    "Völlig unverständlich und verantwortungslos", nannte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Ablehnung im Bundesrat. "Die Union verweigert unseren Ermittlungsbehörden Befugnisse, die angesichts der aktuellen Bedrohungen absolut notwendig sind."
    Der Union gehen die Maßnahmen insgesamt nicht weit genug. Sie forderte, die Bundesregierung zu verpflichten, Flüchtlinge an den deutschen Grenzen abzuweisen, um irreguläre Migration einzuschränken. Die Mehrheit im Parlament hat einen entsprechenden Änderungsantrag von CDU/CSU abgelehnt.

    Wie geht es in der Migrations- und Sicherheitspolitik weiter?

    Beim gescheiterten Teil des Sicherheitspakets ("Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung") können Bundestag und Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen. Das Gremium ist mit Vertretern von Bundestag und Bundesrat besetzt und kann in solchen Fällen nach Lösungen suchen.
    Beobachter gehen davon aus, dass das Thema weiter für Zündstoff in der Ampel sorgen wird. „Die Koalition (…) existiert auch auf dem Feld der Migrations- und Sicherheitspolitik nicht mehr“, sagt der Politologe Albrecht von Lucke. Der koalitionsinterne Streit sei in dem Sicherheitspaket längst angelegt – und werde in der Ampel kein Ende finden. Lucke erwartet, dass es weitere Sicherheitsvorfälle und entsprechende Diskussionen geben wird.
    FDP-Politiker hatten bereits deutlich gemacht, dass ihnen die geeinigten Maßnahmen nicht ausreichen. Im Bundestag sagte der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle, das Sicherheitspaket sei zwar ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung", aber "nicht genug". Es würden zusätzliche politische Maßnahmen benötigt, um die irreguläre Migration weiter zu senken. Er plädierte für ein „gemeinsames Gespräch der demokratischen Fraktionen zur Frage der Migration“. Damit wendete sich der FDP-Politiker insbesondere an die Adresse von CDU/CSU. Bei dem Thema sei man viel näher bei der Union, hatte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai eine Woche vor der Bundestagsabstimmung erklärt. Djir-Sarai: „Es gibt keine Ampel in der Migrationspolitik.“ Auch die geplanten erweiterten Befugnisse für die Sicherheitsbehörden waren bei der FDP auf Kritik gestoßen.
    Bei der SPD sorgt das Maßnahmenbündel ebenfalls weiterhin für Unmut. Obwohl die Koalitionäre das Sicherheitspaket bereits entschärft hatten, schrieben die Jusos kurz vor der Abstimmung sämtliche SPD-Abgeordnete an und warben für eine Ablehnung. Eine „Brot, Bett und Seife“-Politik sei eine Politik gegen die Menschenwürde und dürfe nicht durch Sozialdemokraten beschlossen werden, hieß es in dem Schreiben. Sozialdemokraten von der Parteibasis hatten sich ebenfalls in einem offenen Brief gegen das Vorhaben gewandt. Bundeskanzler Scholz hatte daraufhin in einer Fraktionssitzung die Abgeordneten ermahnt. Laut Teilnehmern sagte er, dass er notfalls „von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen“ werde, wenn die eigene Mehrheit der Koalition in Gefahr gerate. Beobachter werteten das als Drohung mit der Vertrauensfrage. Die SPD widerspricht dieser Wahrnehmung.
    Auch bei den Grünen bestehen starke Vorbehalte gegen das Maßnahmenbündel. Wie bei der SPD hatten Partei-Mitglieder in einem offenen Brief dazu aufgerufen, gegen den Gesetzentwurf zu stimmen. „Das sogenannte Sicherheitspaket beinhaltet Maßnahmen, die Grund- und Menschenrechte verletzen. Das müssen wir gemeinsam verhindern“, heißt es in dem Brief. „Es wird Deutschland in einen Überwachungsstaat verwandeln.“
    Am Ende wurde der Teil des Sicherheitspakets, der mehr Befugnissen für Sicherheitsbehörden vorsah, und später im Bundesrat scheiterte, aus den Reihen der Ampel-Fraktionen weitgehend unterstützt. Insgesamt gab es 13 Nein-Stimmen. Bei dem Teil zu Migration und Messerverboten stimmten 21 Abgeordnete mit Nein.
    Für die Opposition ist der Ampelstreit um die Migrationspolitik eine Möglichkeit, einen immer tieferen Spalt in die Koalition zu treiben, meint Politikwissenschaftler von Luke. Die Union wisse, dass die FDP in der Frage längst auf ihrer Seite stehe. Lucke rechnet damit, dass CDU-Chef Friedrich Merz die Ampelparteien in der Migrations- und Sicherheitspolitik "weiter vor sich hertreiben" wird.
    Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kündigte an, das Gesetzespaket vor dem Bundesverfassungsgericht anzufechten. Die Streichung von Sozialleistungen sei verfassungswidrig und trage nicht zur Sicherheit Deutschlands bei. „Dieses Gesetzesvorhaben führt zu vorsätzlich herbeigeführter Wohnungslosigkeit und Verelendung bei Schutzsuchenden", so Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl. "Es bedeutet zudem einen fatalen Abbau des Rechtsstaates durch die Hintertür."

    leg / tmk