Am Ende einer Woche, in der Staffan de Mistura, der UN-Syrien-Beauftragte, mit Blick auf Ost-Aleppo eindringlich vor einem neuen Srebrenica, einem weiteren Ruanda, gewarnt hat, konfrontieren sich die Weltmächte heute Abend in New York gegenseitig mit Resolutionsentwürfen. Hoffnung auf Konsens gibt es nicht. Im Gegenteil. Der französische Entwurf mit der Forderung einer Flugverbotszone wird von russischer Seite als Versuch interpretiert, ein Veto Moskaus zu provozieren.
Der russische Gegenentwurf, ohne Flugverbote, wird von britischer Seite als zynischer Ablenkungsversuch bewertet. Gernot Erler, der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, übertriebener Schärfe gegenüber Moskau unverdächtig, beschrieb die russische Syrien Politik heute Morgen im Deutschlandfunk so: "Russland macht Lippenbekenntnisse zu Waffenstillstand, zu humanitärer Hilfe aber vor Ort tut es das Gegenteil, beteiligt sich weiter als Kompagnon bei dem Versuch von Bashar al Assad, den definitiven Schlag gegen die Rebellen umzusetzen."
Den definitiven Schlag gegen Aleppo - de Mistura hatte vorgestern vor einer totalen Zerstörung des Ostteils der Stadt gewarnt, mit Tausenden von Toten und Verletzten und Zehntausenden von Flüchtlingen. "Wenn es so weitergeht wie im Moment, dann werden wir diese Bilder zu Weihnachten und zum Jahreswechsel sehen", so die verzweifelte Prognose de Misturas in Genf:
Wir haben keine Zeit mehr - das ist auch die Botschaft von Gernot Erler, selbst wenige Wochen erscheinen ihm inakzeptabel, hier seine Antwort auf die Frage nach möglichen Auswirkungen der US Präsidentschaftswahl: "Ich erschrecke, wenn Sie mich das fragen, weil ich nicht hoffe, dass uns dieses Thema von Ost-Aleppo im November noch beschäftigt. Wir brauchen humanitäre Hilfskorridore, wir brauchen endlich medizinische Versorgung für hunderte von Verletzten, die dort unversorgt herumliegen, muss man leider tatsächlich sagen, wir brauchen ganz schnell eine Änderung der Politik. Alles andere wäre ein humanitäres Verbrechen."
Ein neuer Kalter Krieg?
Doch nichts deutet momentan auf eine Annäherung der Großmächte, auf die es zunehmend ankommt. Syrien ist als Schauplatz längst zum Stellvertreterkrieg geworden. Hier prallen die Interessen insbesondere Russlands und der Vereinigten Staaten frontal aufeinander. Das bilaterale Verhältnis hat sich in den vergangenen Wochen massiv verschlechtert, das Misstrauen scheint grenzenlos und wird auch öffentlich gemacht. Moskau kündigt Rüstungskontrollverträge und bringt die Aktivierung von Militärstützpunkten in Kuba und Vietnam ins Gespräch. Die USA sprechen von Kriegsverbrechen und werfen Russland Hackerangriffe im amerikanischen Wahlkampf vor. Der Konfliktstoff wächst an, Reste von Vertrauen scheinen aufgebraucht, warnt Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier in der "Bild-Zeitung" vor einem Rückfall in Zeiten der Konfrontation zwischen zwei Großmächten.
Ja, auch die direkte Konfrontation sei möglich, so Erler: "Die russische Seite hat betont, dass sie inzwischen Flugabwehrfähigkeiten verlegt hat, nicht nur nach Tartus, sondern auch an andere Stellen in Syrien. Das ist ein Fingerzeig an die amerikanische Seite, keinen militärischen Versuch zu machen, hier einzugreifen, während in Amerika genau das auch diskutiert und nicht mehr ausgeschlossen wird. Eine militärische Option ist in Amerika auch im Gespräch. Also da sind wir doch schon relativ nah, mindestens an der Gefahr einer solchen Konfrontation."
Ein neuer Kalter Krieg? Steinmeier sagt, zu glauben, es sei der alte Kalte Krieg, sei Illusion. Die neuen Zeiten sind gefährlicher. Früher kannten Moskau und Washington ihre roten Linien und respektierten sie, so der deutsche Außenminister.