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"Sicherlich ist der Minister angeschlagen"

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will dem Verteidigungsminister mehr Zeit geben, um Sparmaßnahmen bei der Bundeswehr umzusetzen. Elke Hoff, verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, ist der Ansicht, dass es besser sei, die Eckpunkte der Bundeswehrreform schnell auf den Tisch zu legen.

Elke Hoff im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Martin Zagatta: Kann sich der Verteidigungsminister noch im Amt halten, trotz seiner Plagiatsaffäre? Die Zweifel an zu Guttenberg jedenfalls werden noch stärker. Tausende Wissenschaftler und Doktoranden beschweren sich jetzt bei der Kanzlerin über deren Umgang mit der Affäre. Und peinlich ist der Minister inzwischen offenbar auch Politikern aus den eigenen Reihen. Kritische Stimmen jedenfalls kommen inzwischen auch aus der Union. Der Verteidigungsminister kommt jetzt also auch in den eigenen Reihen unter Druck, und zu Guttenbergs Glaubwürdigkeit ist angekratzt, klagt auch der Bundeswehrverband, der auch anführt – das haben wir ja gerade in dem Beitrag gehört -, dass die Verunsicherung in der Truppe auch wegen der eigentlich anstehenden Bundeswehrreform besonders groß sei. Für uns Anlass, jetzt mit Elke Hoff zu reden, der verteidigungspolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Frau Hoff.

    Elke Hoff: Schönen guten Tag, Herr Zagatta.

    Zagatta: Frau Hoff, Finanzminister Schäuble will jetzt zu Guttenberg offenbar mehr Zeit geben, um die vereinbarten Sparmaßnahmen bei der Bundeswehr umzusetzen. Kann da einfach ein Koalitionsbeschluss, an dem die FDP ja mitbeteiligt war, so mir nichts, dir nichts abgeändert werden?

    Hoff: Nein. Man muss sicherlich die zukünftigen Entscheidungen in der Koalition gemeinsam besprechen, und ich glaube, dass auch hier die FDP sich ihrer Verantwortung nicht entziehen wird. Aber Fakt ist, dass es hier keine einseitige Entscheidung des Finanzministers gibt. Man sollte sich zusammensetzen und dann darüber entscheiden, was die Bundeswehr zukünftig als sicherheitspolitische Aufgabe übernehmen soll und übernehmen muss. Wir haben gestern bei der Evakuierungsaktion der Geiseln in Libyen gesehen, wie wichtig auch die Bundeswehr als außenpolitisches und sicherheitspolitisches Instrument für unser Land ist.

    Zagatta: Müssen Ihnen da nicht Berichte geradezu Sorge machen, die jetzt aus dem Kanzleramt kommen? Da wird zumindest eine Studie zitiert, die dem Kanzleramt vorliegen soll und in der Guttenbergs Erwägungen oder Pläne jetzt für diese Bundeswehrreform als völlig unausgereift offenbar gelten.

    Hoff: Es gibt sicherlich jetzt eine Vielzahl von Interpretationen und Stellungnahmen, und man muss solche Sorgen natürlich auch sehr ernst nehmen. Und auch wir als Parlamentarier haben natürlich noch eine Reihe von Fragen an den Verteidigungsminister, was jetzt die Zukunft der Bundeswehrreform ausmacht. Aber in den wesentlichen Eckpunkten sind wir uns einig, nämlich Umbau der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee, eine Verschlankung der Strukturen und eine Flexibilisierung auch der Handlungsfähigkeit, und jetzt ist es Aufgabe des Ministers, diesen politischen Willen und diese Eckpunkte konkret zu unterfüttern.

    Zagatta: Und da bleibt es auch bei den bisherigen Sparplänen? Da wird nicht davon abgerückt, oder steht das zur Debatte?

    Hoff: Das ist etwas, was wir im Parlament noch nicht vorliegen haben. Es wird Diskussionen in der Regierung geben müssen und Herr Schäuble hat ja schon erste Signale auch ausgesandt. Deswegen noch mal: Das sollte gemeinsam mit uns, mit dem Koalitionspartner FDP in einer vernünftigen Weise diskutiert werden. Wir müssen den Spagat erreichen zwischen Einhaltung der Schuldenbremse auf der einen Seite, aber eben auch eine Sicherheitspolitik, die sich eben nicht nur nach der Kassenlage orientiert. Ich glaube, da sind wir uns aber auch weitestgehend einig.

    Zagatta: Wie interpretieren Sie dann den Vorstoß von Herrn Schäuble, dort dem Verteidigungsminister mehr Zeit zu geben? Ist das ein Versuch, dem in Bedrängnis geratenen Politiker zu helfen, oder wie wird das von Ihrer Seite interpretiert?

    Hoff: Nein. Also ich glaube schon, dass inzwischen auch klar ist, dass die Attraktivität einer Freiwilligenarmee – und es steht und fällt ja damit, dass wir in Zukunft freiwillige junge Männer und Frauen auch adressieren können -, dass klar ist, dass wir hier mehr tun müssen am Anfang, bis sich das ganze eingespielt hat. Wir verlassen ja Strukturen und bauen etwas völlig neues auf, und hier muss auch die Bundeswehr Instrumente in die Hand bekommen, dass sie gezielt und auch an der Lebenswirklichkeit von jungen Männern und Frauen orientiert attraktiv für den Dienst an der Waffe auch werben kann, und das ist etwas, was jetzt in der Bundesregierung diskutiert werden muss. Von Fraktionsseite gibt es eine Reihe von Vorschlägen für die Attraktivität der Bundeswehr. Jetzt muss die Regierung dafür sorgen, dass wir auch die Ziele, die wir wollen, nämlich Umbau der Bundeswehr, auch vernünftig hinbekommen.

    Zagatta: Lässt sich das überhaupt noch vernünftig diskutieren? Im Parlament wird zu Guttenberg ja schon ungescholten Betrüger und Lügner genannt. Ist so jemand überhaupt noch geeignet, um das so wichtige Amt des Verteidigungsministers noch vernünftig auszuüben?

    Hoff: Also ich kann gut nachvollziehen, dass in vielen gesellschaftlichen Bereichen die Wogen der Empörung hochschlagen. Aber wir müssen auf der anderen Seite auch nicht die Ziele aus den Augen verlieren. Ich persönlich habe mich dagegen verwahrt, dass im Parlament mit solchen Begriffen hantiert wird. Ich glaube, das ist nicht der geeignete Ort dafür, sondern wir müssen die Probleme der Zukunft anpacken, und sicherlich ist der Minister angeschlagen, das ist überhaupt gar kein Zweifel, und er muss hier sehr viel verloren gegangenes Terrain zurück erobern. Ich glaube, je schneller er jetzt die Eckpunkte der Bundeswehrreform auf den Tisch legt, je schneller klar wird, dass er dieser Aufgabe gerecht wird, umso eher besteht auch die Möglichkeit, dass wir uns wieder um das kümmern, worum es geht, nämlich um die Strukturreform der Bundeswehr.

    Zagatta: Aber kommt man dazu überhaupt? Ihr Parteifreund Martin Neumann gibt dem Verteidigungsminister jetzt noch maximal ein, zwei Wochen, um diese Täuschungsvorwürfe aus der Welt zu räumen, sonst müsse er zurücktreten.

    Hoff: Gut. Der Kollege Neumann hat dies als forschungspolitischer Sprecher so vorgetragen und wir wissen alle, mit Recht auch, dass die Empörung in der Wissenschaft groß ist. Hier ist sicherlich auch bei der Bewältigung dieser Krise und auch beim Management dieser Krise einiges an Fehlern gemacht worden. Das ist völlig offensichtlich und offenkundig. Ich selbst bin auch absolut nicht glücklich darüber, dass wir jetzt zur Unzeit eine solche Diskussion haben, obwohl für eine solche Diskussion gibt es ja nie den richtigen Zeitpunkt, aber dass einfach die wichtigen Dinge einer Armee im Einsatz – wir dürfen ja nicht vergessen: unsere Soldatinnen und Soldaten befinden sich ja in einem schweren Einsatz -, dass dies einfach auch zu sehr überlagert wird. Ich hoffe, dass Herr zu Guttenberg mögliche Vorwürfe, die noch im Raume stehen, rasch aufklärt, für Klarheit sorgt, und dass er dann auch jetzt in der Sachfrage, in den Sachfragen uns auch entsprechend die richtige Richtung weist, und ich glaube, dass wir dann auch die Diskussion wieder in die vernünftigen Bahnen lenken. Am Ende, denke ich, wird er auch selber darüber entscheiden müssen, für sich persönlich, wie er mit der Diskussion, die zurzeit stattfindet, auch umgeht.

    Zagatta: Als Verteidigungspolitikerin: Besteht da jetzt nicht die große Gefahr, wenn der Verteidigungsminister Bundeswehrstandorte schließen muss, dass dann Bayern und CDU-regierte Länder vielleicht bevorzugt werden, weil zu Guttenberg jetzt auf seine Partei auf Gedeih und Verderb angewiesen ist? Ist er da nicht jetzt schon erpressbar?

    Hoff: Also es ist keine Entscheidung der Koalitionskollegen aus der CSU, wie zukünftig die Standortkonzeption der Bundeswehr aussehen wird. Hier geht es darum, an den notwendigen Fähigkeiten orientiert eine vernünftige Standortskonzeption auf den Weg zu bringen, und dann natürlich auch ...

    Zagatta: Aber kann das ein Minister, der so erpressbar ist?

    Hoff: Ja, gut, aber die dann natürlich auch mit den beiden anderen Koalitionspartnern abgestimmt werden muss. Und es ist ja nicht so, dass Herr zu Guttenberg nun selbst am Schreibtisch sitzt und die Dinge nun festlegt, sondern hier arbeiten die Fachleute ihm zu. Sie werden ein Standortkonzept vorlegen, das müssen wir dann auch politisch bewerten, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Union und FDP hier sozusagen eine einseitige Festlegung zu Gunsten von Bayern nun akzeptieren werden, sondern wir müssen hier eine ausgewogene Lösung in der Fläche unseres Landes haben.

    Zagatta: Aber die Vorwürfe hören wir doch jetzt schon, wenn Guttenberg da etwas vorlegt, was natürlich umstritten sein wird. Kann so jemand wirklich noch dieses Amt dann vernünftig führen?

    Hoff: Also ich gehe davon aus, wenn die Vorschläge auf dem Tisch liegen, dass wir die auch vernünftig diskutieren. Warum sollte er es nicht können? Hier geht es um eine Fachfrage. Das sollte man meines Erachtens auch von dem trennen, was jetzt auch an berechtigter Diskussion geführt wird, damit da auch kein Missverständnis entsteht. Aber die fachlichen Fragen werden von seinem Hause vorbereitet. Der Generalinspekteur wird hier auch eine wichtige Rolle spielen, indem er seinen militärpolitischen Rat auch der Bundesregierung vorträgt, und dann werden wir sehen, inwieweit und wie tief mögliche Einschnitte in die Standortfragen sind. Vielleicht kommt es ja am Ende doch nicht so wild, wie manche jetzt vermuten.

    Zagatta: Das war Elke Hoff, die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Frau Hoff, herzlichen Dank für das Gespräch.

    Hoff: Sehr gerne, Herr Zagatta.