Staffordshire, Mittelengland, im Sommer 2009. Ein 55jähriger Arbeitsloser sondiert mit einem Metalldetektor den Acker eines befreundeten Bauern. Der Hobbyarchäologe landet einen Volltreffer. Kunstvoll geschmiedete Schwertgriffe, Helme, Schmuck und Kreuze aus purem Gold, 1500 Teile aus dem 7. Jahrhundert nach Christus. Es ist der größte bekannte Goldschatz aus der Zeit der Angelsachsen.
"Wenn man 16 bis 18 Stunden im Steinbruch am watzen ist, dann weiß man schon, was man abends geschafft hat."
Ein Feld bei Mittenwalde, eine halbe Autostunde südlich von Berlin. Die Grabungsstellen sind mit roten Fähnchen markiert, die ersten Schichten bereits abgetragen. Johannes Gehrmann kniet, mit einer Maurerkelle bewaffnet, auf einem weißen Styroporbrettchen, der sandige Boden vor ihm durchsetzt mit dunklen Flecken.
"Ich nehme jetzt die Grube aus. Hier sieht man ja diesen schwarzen Fleck und wir wissen noch nicht, was das eigentlich darstellt, was das ist."
Es ist kalt und es regnet, der Wind zerrt an seiner Outdoorjacke und an den weißen Haaren, die unter der Schirmmütze hervorgucken.
"Also zuerst ziehe ich nur hier vom Außen, vom Grubenrand weg, ziehe ich jetzt hier den Boden ab, ne, und ich achte jetzt darauf, ich mach das jetzt ein bisschen vorsichtig, damit ich nichts kaputt mache, falls Funde drin sind, Scherben zum Beispiel oder ein Knochen."
Johannes Gehrmann ist pensionierter Lehrer - und Hobbyarchäologe. Dieses Wochenende hilft er auf einer Grabung der Berliner Humboldt-Universität. Denn genau hier auf diesem Feld, ein paar hundert Meter vom Mittenwalder Kirchturm entfernt, haben vor 900 Jahren Slawen gesiedelt, erklärt der Grabungsleiter Felix Biermann, Professor für Ur- und Frühgeschichte an der HU.
"Dieser Platz hier ist, wenn man so will, ein Bindeglied zwischen der Entwicklung vom slawischen Burgwall hin zur, ja, spätmittelalterlichen Stadt. Diese Siedlung hier, die muss man sich in slawischer Zeit wirklich mitten im Sumpf gelegen vorstellen, war das eine Erhebung, natürlich geschützt, da hat also sehr dicht bebaut eine Siedlung mit zahlreichen Blockhäusern gelegen, die im 10. Jahrhundert gegründet wurde und dann bis zum 12. Jahrhundert hier bestanden hat."
Die dunklen Stellen im Boden könnten Feuerstellen der Slawen sein, oder besser: alte Müllgruben. Mit Scherben, Knochen, zerbrochenen Werkzeugen. Für Archäologen sind das wertvolle Fundstücke, mit deren Hilfe sie das alltägliche Leben in der Siedlung rekonstruieren können. Johannes Gehrmann:
"Ich nehme nur die halbe Grube aus, damit ich nachher im Profil sehe, welche Form die hat. Den muss ich stehen lassen und nachher glattputzen, damit ich genau sehen kann, ist die in sich geschichtet die Grube, oder ist das einfach nur verfüllt, das kann alles sein, letztendlich. So, und das mach ich jetzt und während des Kratzens guck ich immer, hier das sind so kleine Steine, hier das ist so ein Stein, der zerfällt, der war vielleicht vorher im Feuer drin, den lass ich erstmal drin, wenn ich dann nachher merke, da passiert nichts mehr, dann nehme ich ihn auch raus. Alles Steine bisher."
Siebzehn Hobbyarchäologen sind heute für die Uni im Einsatz. Für sie ist es eine Art Lehrveranstaltung. Die Männer und Frauen lassen sich gerade zu ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern ausbilden, vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege. In Wochenendseminaren gehen sie die verschiedenen archäologischen Perioden durch, von der Altsteinzeit bis zur Kaiserzeit. Sie lernen, wie sich eine Handvoll Scherben wieder zu einem Topf zusammensetzen lässt, und wie man ein Gelände wissenschaftlich korrekt vermisst. Und dass zu einer Grabung auch die Dokumentation der Fundstelle gehört, dass alles gezeichnet und fotografiert werden muss. Nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung der Kursteilnehmer. Zwei Männer mittleren Alters sitzen missmutig auf der Wiese und radieren an ihren Zeichnungen herum, die den strengen Kriterien nicht standgehalten haben.
"Zu schnell, nicht fein genug gearbeitet. Nicht präzise genug. Man muss wirklich fein und präzise arbeiten, und wir dachten, es geht etwas schneller. Und da haben wir gleich eine Ermahnung bekommen Und jetzt müssen wir nacharbeiten. Man wird ja nicht Ausgräber, um Millimeterpapier zu bemalen. Also das ist nicht wirklich das, was man sich eigentlich erträumt. Aber gehört dazu, das sieht man ja schon ein. Was muss drauf? Also der Professor hat uns gesagt - ach so, die technischen Daten. Mittenwalde Altes Dorf, in Anführungszeichen, ja?"
Ein paar Meter weiter flucht Johannes Gehrmann.
"Hier sehen sie die Leiden des Ausgräbers. Gerade haben wir das schön sauber abgezogen zum Fotografieren, ein Windstoß, alles mit grauem Staub wieder überdeckt, jetzt können wir uns noch einmal von vorne daransetzen."
Thomas Kersting vom brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege wirft einen Blick in Gehrmanns Grube.
"Schälen sie das richtig so aus."
"Jaja, ich geh jetzt weiter runter."
"Sie brauchen da nicht allzu vorsichtig zu sein."
Der Lehrgang zum ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger dauert dreieinhalb Jahre. Anschließend bekommen die Teilnehmer einen Ausweis, der sie dazu berechtigt, über Felder zu streifen und Baugruben zu begutachten, ob Pflug oder Bagger etwas Interessantes zutage gefördert haben. Das sind die zentralen Aufgaben der Ehrenamtlichen. Ausgrabungen zählen normalerweise nicht dazu. Dafür werden spezielle Grabungsfirmen angeheuert, sagt Thomas Kersting.
"Also dieses Grabungspraktikum, was wir hier machen, das tun wir deswegen, weil natürlich jederzeit die Situation eintreten kann, dass so ein ehrenamtlicher Mitarbeiter mal eine Notbergung machen muss. Sei es, dass er auf einer Baustelle etwas entdeckt, sei es, dass er auf dem Acker etwas sieht, was vom Pflügen bedroht ist. Dann muss er da hingehen und darf das auch, und das selber bergen.Und damit er auch weiß, wie er vorgehen muss, dass er nicht nur freilegen, sondern auch zeichnen und dokumentieren muss, das kriegen die Leute eben hier beigebracht."
Die Augen offen halten, bei Bedarf das Landesamt informieren und mit den Grundstücksbesitzern verhandeln. Das ist schwieriger, als es sich anhört. Die meisten sind alles andere als begeistert, wenn sich ihre Aussaat oder ihr Hausbau durch eine archäologische Notbergung verzögert – und sei es nur für ein paar Tage. Thomas Kersting baut darauf, dass die Ehrenamtlichen in ihren Dörfern persönliche Ansprechpartner für die Bauern und Grundbesitzer werden, Vermittler für die archäologische Sache. Johannes Gehrmann hat da schon so seine Erfahrungen gemacht.
"Ich gehe da hin, stelle mich vor, und manche, die schmeißen mich dann gleich raus: 'Ich will mit Euch nichts zu tun haben.' Nicht? Aber bei manchen ist es dann so: 'Na gucken Sie mal ruhig.' Nicht? Da hat man die Spanne von sehr freundlich und unterstützend bis hin zu völlig ablehnend."
Thomas Kersting:
"Wir können auf die Ehrenamtlichen deshalb nicht verzichten, weil wir als Landesarchäologie, als Landesamt in einer ganz prekären Personalsituation sind. So einfach ist das. Wir sind einfach nicht mehr in der Lage, flächendeckend in den Kreisen, Brandenburg ist ja wirklich ein großes Land, präsent zu sein, auf den Baustellen zu sein, geschweige denn aufs Land zu fahren und Fundstellen zu kontrollieren, wir können es nicht mehr leisten."
In Brandenburg sind etwas mehr als 100 ehrenamtliche Denkmalpfleger unterwegs. Die meisten sind älteren Jahrgangs, Überbleibsel einer recht aktiven Szene aus DDR-Zeiten. Nach der Wende hatten die Menschen dann aber andere Sorgen, die Pflegerszene brach zusammen. Langsam plagen Thomas Kersting und seine Kollegen Nachwuchssorgen.
Ein Grundstück im Taunus, irgendwo zwischen Wiesbaden und Frankfurt. Auf dem Hof Dinoskulpturen und Fischfossilien. Über der Haustür ein buntes Urzeit-Fensterbild, der Türknauf ein abgeflachtes, segmentiertes Schneckenhaus, ein Ammonit aus Messing. Es ist das Reich von Klaus-Dieter-Dieter Weiß, einem der erfolgreichsten Hobbypaläontologen Deutschlands. Im Schuppen auf dem Hof hat er ein kleines Museum mit seinen Funden eingerichtet, ein beliebtes Ausflugsziel für die Schulklassen in der Region. Daneben hat er seine Heimwerkstatt untergebracht.
"So. Ich habe hier extra nichts großartig weggeräumt, hier unten ist eine Spitzhacke, Vorsicht!"
Klaus-Dieter Weiß duckt sich unter dem niedrigen Türrahmen durch. In der Hand hält er einen pflaumengroßen, anthrazitfarbenen Steinbrocken, der schwach die Konturen eines Ammoniten erkennen lässt. Ein Kopffüßler, der vor 160 Millionen Jahren im Meer herumgeschwommen ist.
"Und man kann jetzt zum Beispiel auch hier hergehen und die ganz feinen Segmente rauspräparieren."
Mit einer Drahtbürste schrubbt Klaus-Dieter Weiß die äußere Steinschicht ab. Der Ammonit ist etwas Besonderes. Die Segmente haben sich im Laufe der Jahrmillion nicht in Stein, sondern in schimmernden Pyrit umgewandelt, auch Katzengold genannt.
"Es wird eigentlich ein sehr schönes Exponat werden, und die Sachen sind halt bei Sammlern sehr begehrt, weil man meint halt, es handelt sich um Gold."
In der kleinen Werkstatt herrscht Chaos. Pinsel verschiedener Größen stecken in Joghurtbechern, Schraubenzieher, Hammer, Meißel sind auf der Werkbank aufgereiht. In den Regalen lagern diverse Sorten Klebstoff, verschiedene Lacke und Füllmaterialien. Kein Fossil, das Klaus-Dieter Weiß nicht präparieren könnte. Es kommt nur auf das richtige Werkzeug an. Manche Fossilien muss er mit Hilfe von Säuren aus dem Stein lösen. Andere befreit er mit einem Pressluftstichel. Zur Werkzeugpalette gehört auch ein Zahnarztbohrer mit unterschiedlichen Aufsätzen.
"Ich hab hier wirklich die absolut reinsten Quälgeräte, die auch ein Zahnarzt verwenden tut, zum Beispiel hier einen Turbinenschleifer. Ich mach ihn mal kurz an, der hat ungefähr 15.000 Umdrehungen, und jetzt tu ich zum Beispiel meinen Ammoniten hier anschneiden, damit der schön von der Form rauskommt."
Normalerweise trägt er einen Mundschutz, gegen den Staub. Heute nicht. Vorsichtig dreht er den Ammoniten zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her, nach und nach gibt das Schleifgerät die goldglänzenden Segmente frei. Plötzlich zerbricht der Ammonit in zwei Teile.
"Jetzt ist das passiert, was öfter passiert, hier ist ein Originalriss im Material."
Aber dank Sekundenkleber keine große Sache.
"Noch ein bisschen Kleber da..so..Jetzt ist natürlich der typische Vorführeffekt, natürlich hat man gleich die Hände voll Sekundenkleber, und es wird ja auch in Sekunden hart, und man pappt sich alles zusammen. So, und jetzt hätten wir den Ammoniten schon fast fertig. Das muss nur trocknen, das können Sie auf jeden Fall mitnehmen. So, sehen Sie, wie der jetzt glänzt?"
Schon als Kind hat Klaus-Dieter Weiß Steine geklopft, 42 Jahre ist das her. Die Paläontologie ist sein Ein und Alles, sagt er. Zum Beruf hat er die Wissenschaft nicht gemacht. Weiß ist Maschinenschlosser. Er hängt an dem Job. Außerdem verdienen Maschinenschlosser mehr Geld als Museumspräparatoren. Vor sechs Jahren hat Klaus-Dieter-Dieter Weiß den Verein Paläo-Geo e.V. gegründet. Er zählt mittlerweile rund 100 Mitglieder - alles Hobbypaläontologen. Zahnärzte sind darunter, Tierpfleger, Großindustriellensöhne. Der Verein hat eine klare Mission: Er will fossile Schätze für die Nachwelt erhalten und Forscher bei der Arbeit unterstützen. Die Mitglieder organisieren Notbergungen in Baustellen oder präparieren Fossilien für Museen. An sechs Samstagen im Jahr dürfen sie sogar in der Ölschiefergrube Messel in Darmstadt graben, einer Lieblingsstelle von Klaus-Dieter Weiß.
"Das ist nicht nur so, dass man in der Grube Messel rumsteht, ein paar Steinchen aufbizzelt, es müssen schwere Schubkarren weggefahren werden, manchmal hat es dann auch angefangen zu regnen oder es kamen dann Besuchergruppen, und dann ist dann laufend gefragt worden, was machen Sie denn da, was ist das, und was ist das und alles."
Die Paläo-Geo-Leute arbeiten immer unter der Aufsicht eines Profi-Paläontologen in der Grube Messel: Norbert Micklich vom Hessischen Landesmuseum in Darmstadt.
"Das läuft in der Regel so, da ist ein Grabungstisch aufgebaut, einige holen dann die Brocken raus, die Platten raus, die anderen spalten sie auf, und ich hab dann eigentlich meistens genug damit zu tun, das zu dokumentieren, und alles einzupacken. Und es gibt Tage, wo furchtbar viel gefunden wird, und manchmal bin ich total gestresst abends, wenn ich dann da eigentlich nichts weiter gemacht habe als aufzuschreiben und zu verpacken."
Natürlich gräbt das Hessische Landesmuseum auch mit seinem eigenen Team vor Ort. Die Hobbyforscher seien aber eine schöne Ergänzung, sagt Norbert Micklich.
"Also ich hatte gedacht, dass nach dem ersten Jahr diese Begeisterungskurve dann deutlich runtergeht, aber nein, das ist eher manchmal zu viel Andrang."
Im brüchigen Ölschiefergestein liegen die Überreste von Tieren aus dem Eozän von vor 50 Millionen Jahren verborgen. Diverse Fische, Frösche und Reptilien wurden hier schon ausgebuddelt, auch Vögel und Säugetiere: die berühmten Urpferdchen etwa, und ein Ameisenbär. Alle Funde gehören dem Land Hessen und müssen an das Hessische Landesmuseum in Darmstadt oder an das Senckenbergmuseum in Frankfurt abgegeben werden. Das gilt für die Hobbypaläontologen von Paläo-Geo genauso wie für Wissenschaftler des Naturhistorischen Museums in London. Der Sommer 2009 war für die Hobbygräber besonders erfolgreich: Sie haben unter anderem zwei versteinerte Säugetiere geborgen. Norbert Micklich:
"Das eine ist ein igelartiger Insektenfresser, ein Schuppenschwanz, denken wir, also ist ziemlich sicher, das Tier liegt noch größtenteils unter dem Ölschiefer verborgen, und das andere, das wissen wir noch gar nicht, da ist der Kopf noch im Sediment, ich denke der ist noch in der Platte drin, die sind beide noch nicht fertig präpariert, deshalb kann man da detailliert noch gar nichts sagen."
Als sie die Platte mit dem Schuppenschwanz im Museum ausgepackt hatten, erlebten die Wissenschaftler allerdings eine böse Überraschung. Das Fossil war beschädigt.
"Da waren wir alle entsetzt, nach Erzählungen der Gräber war das so, dass alle geschworen haben, das Tier wäre hundertprozentig komplett auf der Platte gelegen, und als wir es ausgepackt haben, war die Wirbelsäure durch eine Keilspur ziemlich zermatscht, und alle haben steif und fest behauptet, das wäre komplett gewesen und das hätte bei uns passiert sein müssen, was dann natürlich auch sehr unangenehm ist."
Wer da geschlampt hat, das konnte bislang noch nicht eindeutig geklärt werden. Zu größeren Zerwürfnissen zwischen den Forschern und den Mitgliedern von Paläo-Geo ist es aber nicht gekommen. Zumal Museumspräparatoren die Wirbelsäule leicht wieder rekonstruieren können.
Die Grube Messel zählt erst seit 1995 zum Unesco-Weltnaturerbe. Davor war ihr Schicksal lange ungewiss. In den 1970er- und 1980er-Jahren soll der ehemalige Tagebau zu einer Müllhalde umfunktioniert werden. Museen schicken Grabungsteams, um so viele Fossilien wie möglich zu bergen. Hobbyforscher dürfen die Grube seit 1974 nicht mehr betreten, aber kaum einer hält sich daran. Klaus-Dieter-Dieter Weiß und seine Kollegen graben einfach weiter, illegal.
"Das waren richtig abenteuerliche Sachen und wir haben einmal fast sechs Stunden in einem Brombeergebüsch gelegen, und die Polizei hat vor uns gestanden, die haben nämlich genau vor uns mit dem Auto geparkt, und wir durften uns nicht bewegen, weil wir sonst einen Strafzettel bekommen hätten. Und es hat bei 110 Mark angefangen, und je mehr man halt erwischt wurde, desto spannender war es."
1983 wird bei einer illegalen Grabungsaktion ein Fossil freigelegt, das 26 Jahre später, im Mai 2009, mächtig für Wirbel sorgen wird. Es handelt sich um die Überreste einer jungen Primatendame: Ida. Das Fossil misst 58 Zentimeter von Kopf bis zur Schwanzspitze und ist 47 Millionen Jahre alt. Die Finder – ein Ehepaar aus der Nähe von Frankfurt – sind in der Szene berüchtigt für ihren Spürsinn und ihre ausgefeilten Präparationstechniken. Denn Messelfossilien haltbar zu machen ist kompliziert. Ölschiefer ist extrem wasserhaltig, er trocknet schnell aus und zerbröckelt - mit ihm das Fossil. Um das zu verhindern, hat das Paar eine besondere Präparationsmethode entwickelt. Sie übertragen die fossile Knochensubstanz vor der Präparation auf einen Kunstharzträger. Transferpräparation heißt das im Fachjargon, heute ein Standard bei Messelfossilien. Norbert Micklich:
"Wenn Sie einen Ölschiefer aufspalten ist das, wie wenn Sie so ein Buch aufklappen, ja, nicht, eine Seite, und links und rechts wären jetzt die Hälfte des Fossils drauf. Man baut einen Tonrahmen um das Fossil, trocknet die fossile Substanz vorsichtig aus, hält den Ölschiefer feucht, gießt dann ein Kunstharz hinein, das dringt dann in die Knochensubstanz ein, und nicht in den feuchten Ölschiefer, gibt also eine Platte, das härtet aus, dann dreht man diese Platte rum und hat auf der Seite den Ölschiefer, den man dann abpräpariert. Dann sieht man die Außenseite des Fossils mit sehr schöner Detailerhaltung in der Regel."
Das Ehepaar präpariert den Primaten auf erstklassige Weise, kann sogar Teile des Darms und Fellreste erhalten. Doch dann verschwindet die Platte jahrelang von der Bildfläche. Klaus-Dieter-Dieter Weiß:
"Die haben halt das Stück über Jahre an der Wand hängen gehabt, im Schlafzimmer, und irgendwie ist dann ein Händler hergegangen und hat das denen versucht abzuschwatzen."
Der Rest ist Geschichte. Das Paar verkauft den Primaten an den Fossilienhändler, und der wiederum überlässt es dem Paläontologen Jörn Hurum von der Universität Oslo – geschätzter Preis: 1 Million Euro. Jörn Hurum nennt das Fossil Ida, nach seiner Tochter, und präsentiert den Primaten unter riesigem Medienrummel im Mai 2009 in New York. Hurum und seine Kollegen interpretieren Ida als gemeinsamen Vorfahren von Affe und Mensch. Inzwischen hat sich die Aufregung um Ida gelegt. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass das Fossil kein direkter Vorfahr des Menschen, sondern nur eine ferne Verwandte älterer Affenarten ist. Doch das schöne Messelfossil gehört jetzt Norwegen. Und Norbert Micklich vom Hessischen Landesmuseum in Darmstadt fühlt sich übergangen.
"Insofern schon, wenn meine Annahmen stimmen, stammt das aus einer Sammlung, deren Hauptteil wir 2001 für einen sehr beträchtlichen Betrag gekauft haben. Damals wurde mir schon gesagt, dass noch einige Stücke, eins, zwei oder drei, zurückbehalten worden sind für Nachwuchs oder so irgendwas, allerdings wurde in keinster Weise angedeutet, dass es etwas sehr Bedeutsames ist. Denn sonst hätte ich schon versucht, einen Vorvertrag abzuschließen."
Das Stück sei dem Landesmuseum nie angeboten worden, sagt Norbert Micklich. Das Finder-Ehepaar lebt heute getrennt, zu Ida will sich keiner der beiden öffentlich äußern. Klar ist heute: Der Primat ist ein Holotyp, das heißt das Musterexemplar einer neu beschriebenen Art. Und Holotypen aus Messel gehören – rechtlich gesehen – eigentlich nach Hessen. Doch die Norweger haben Ida rechtmäßig erworben, die Hessen können sie ihnen nicht einfach wieder wegnehmen. Was vor allem Klaus-Dieter Weiß wurmt.
"Wenn ich gewusst hätte, dass das Stück nach Norwegen geht, ich hätte alles in Bewegung gesetzt und ich hätte es geschafft, ich hätte drei bis fünf Million Euro aufgetrieben, ich hätte Bittbriefe überall hingeschrieben, wo es nur möglich gewesen wäre, um das Stück hier in Hessen zu behalten."
Der Hobbypaläontologe Klaus-Dieter Weiß kennt die Verlockungen des illegalen Fossilienhandels nur zu gut. 1998 gräbt er zusammen mit seinem Bruder in einem Steinbruch im Altmühltal, im Auftrag des Jura-Museums Eichstätt. In zehn Wochen bewegen die Brüder 140 Kubikmeter Plattenkalk.
"Ein Finger von mir, den hab ich an einen anderen Finger gebunden, der war platt, da ist der Vorschlaghammer draufgefallen, in Treuchtlingen im Krankenhaus wurde ich behandelt auf fünf Rippenbrüche auf der linken Seite, eine Woche später waren es drei auf der rechten Seite."
Die Gewaltaktion lohnt sich. Als Klaus-Dieter Weiß am vorletzten Urlaubstag eine Platte aufspaltet, blitzt ein Saurierkopf hervor. Es ist der Fund sein Lebens.
"Und ich hab halt meinen Hut genommen, hab den erstmal auf den Boden geschmissen. Oh Gott, das gibt es ja nicht, und hab das dem Hans gezeigt, wir waren beide den Tränen nah, wir wussten, das, um was es da geht, ist ein Millionenobjekt"
Das Millionenobjekt ist ein zweibeiniger Raubsaurier, gerade einmal so groß wie ein Huhn. Er wird Juravenator starki genannt, "Jurajäger". Weiß:
"Es wurde immer doller, von Tag zu Tag wurde das verrückter, ich war hier nach meinem Urlaub in der ersten Woche, nachdem ich die ersten Tage wieder arbeiten war, daheim einen Tag, und da muss man sich vorstellen, schellt es auf einmal und da kamen Leute vorbei von Scientology. Und diese Leute, die haben zwei Koffer voll Geld gehabt, die wollten mir im Prinzip meine Finderrechte abkaufen und das Stück dann für irgendein Museum, das die Leute besitzen, sichern. Ja in jedem waren 800.000 bis 1 Million Euro drin."
Klaus-Dieter Weiß lässt sich auf den Handel nicht ein.
"Ja, das ist schon ziemlich verlockend, so etwas, aber ich finde, so ein Stück, das gehört wirklich uns allen, und für nichts auf der Welt hätte ich das Stück weggegeben."
Heute ist die Platte mit dem Juravenator im Jura-Museum Eichstätt zu sehen, gut gesichert hinter Panzerglas. Es ist der besterhaltene Raubdinosaurier Europas. Klaus-Dieter Weiß ist Träger des Bundesverdienstkreuzes. Die Paläontologische Gesellschaft hat ihn im letzte n Jahr mit der Karl-Alfred-von-Zittel-Medaille geehrt. Die Größte für ihn, sagt Klaus-Dieter Weiß, sei aber, wenn ein Fossil nach ihm benannt werde. So wie der Adlerrochen Weissobatis Micklichi.
Die Paläontologie ist ein kostspieliges Hobby. Reise- und Materialkosten müssen irgendwie wieder hereinkommen. Nicht alle Hobbygräber sind deshalb bereit, ihre Funde für lau an Museen abzugeben. Zwar kaufen Museen auch ganze Sammlungen auf, oder tauschen Fossilien mit Privatsammlern. Im illegalen Fossilienhandel, wo einzigartige Stücke für Millionen gehandelt werden, bringen sie aber womöglich noch mehr Geld ein. Und so bleibt zwischen Hobbyforscher und professionellem Raubgräber oft nur ein schmaler Grat. Norbert Micklich:
"Je wertvoller die Funde werden, desto schwieriger wird es, so eine Zusammenarbeit zu etablieren, natürlich. Wenn man dran denkt, dass man vielleicht nicht mehr arbeiten muss, wenn man etwas superseltenes gefunden hat, was spektakuläres, ein Saurier oder so, da ist die Verlockung auch sehr groß. Kann man verstehen."
Den Mitarbeitern von Museen und Ämtern bleibt nichts anderes übrig, als ihren ehrenamtlichen Helfern zu vertrauen. Thomas Kersting:
"Man will niemandem was unterstellen, keinem Ehrenamtlichen. Aber es gibt durchaus Fälle, wo man festgestellt hat nach Jahrzehnten, ach schau mal an, der Herr Sowieso der hat zu Hause ja mittlerweile schon eine ganz umfangreiche Sammlung von archäologischen Dingen, die hat er uns gar nicht gemeldet, das darf natürlich nicht passieren."
Zurück in Mittenwalde bei Berlin. Ein Hobbyarchäologe - grüne Bomberjacke, schwarze Stiefel und Schlapphut - marschiert mit einem Metallsuchgerät das Feld ab. Ab und zu bleibt er stehen und malt mit der tellerförmigen Sonde ein Kreuz über dem Boden.
"Das ist eine so genannte Kreuzpeilung. Ich geh so, und dann im rechten Winkel so, und wo sich die beiden Linien treffen, ergibt sich der Mittelpunkt, und dann such ich außenrum. Damit ich nichts zerstöre. Wenn ich gleich hier graben würde, kann es sein, dass ich etwas zerstöre. Also gehe ich von hinten ran so ein bisschen."
Selber graben darf er nicht, nur sondieren. Wenn der Metallsucher anschlägt, zeichnet er die Stelle in einen Plan ein. Die ausgebuddelte Erde neben der Grube geht er dafür umso akribischer durch, mit einer handlichen Mini-Sonde, einem Pinpointer.
"Da kann man ganz genau und gezielt suchen, auf kleinster Fläche. Wenn man jetzt hier etwas entdeckt hat, geht man hier mit dem ran, und dann reagiert der gleich ganz empfindlich. Je höher der Ton, desto näher bin ich am Objekt. So, hier war etwas , da ist was ein kleines Stück Eisen. Gut."
Die Ausbeute an diesem Nachmittag ist bescheiden. Viel Müll, ein paar Knöpfe und eine alte Münze.
"Ja, ich kenne das einfach, dass man, wenn man mit so einem Gerät auftaucht, dass man da immer auf Vorurteile trifft. Dass man ein Grabräuber wäre, ein Militaria-Fan, aber es ist nur ein Hilfsmittel, um die Sachen erkennen zu können, nicht, das muss man sich auch ein bisschen von trennen."
Raubgräber, die, mit Metallsuchern ausgerüstet, in Grabungsstellen eindringen, Fundstücke aus dem wissenschaftlichen Kontext reißen, sie dabei meistens noch beschädigen. Und die ihre Funde dann für horrende Summen im Internet verticken, so dass sie für die Wissenschaft für immer verloren sind. Für Archäologen wie Thomas Kersting sind Raubgräber ein rotes Tuch.
"Es gibt Internetforen, da gehen einem wirklich die Augen über, es gibt zahlreiche Leute, die im Internet Funde anbieten, es gibt viele Leute, die Metallsuchgeräte haben, der Verkauf ist in Deutschland frei, nur die Benutzung ist verboten, das ist so ein bisschen kurios an der deutschen Gesetzgebung, das ist dann auch von Land zu Land noch ein bisschen unterschiedlich."
Es gibt kaum ein Landesamt für Denkmalpflege in Deutschland, das sich nicht mit Raubgräbern herumschlagen muss. Besonders schlimm ist das Rheinland betroffen, Baden-Württemberg und Bayern. Dort fahnden Raubgräber nach Schmuck und Münzen aus dem Alten Rom. Brandenburg dagegen ist übersät von Schlachtfeldern, Altlasten von den napoleonischen Kriegen und aus dem zweiten Weltkrieg. Ein Eldorado für Militaria-Fans. Kersting:
"Wir kennen aus jüngster Zeit bei Gorgast im Nordwesten Brandenburgs, da sind Schlachtfelder bekannt, die auch nach der Gesetzgebung als Kriegsgräberstätten gelten, da sind vor wenigen Wochen vier oder fünf Leute aufgegriffen worden von der Grenzschutzpolizei, die mit Metallsuchgeräten unterwegs waren, Metallhelme im Kofferraum hatten und die waren da auf frische Tat ertappt worden."
Sinn des Lehrgangs zum ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger ist es auch, interessierte Laien gleich an das Landesamt zu binden und so illegale Grabungsaktionen im Keim zu ersticken. Kersting:
"Dass die eben nicht in irgendeine Kriminalität abgedrängt werden, nur weil sie sich eben für Archäologie interessieren, aber glauben, sie dürften das nur bei Nacht und Nebel tun."
"Sie müssen jetzt hier von obenan runter gehen…"
"So mutig waren wir noch nicht!"
"..und ab dieser Höhe würde ich mir das jetzt abtragen. Dass man relativ nah dran ist, und dann kann man versuchen das so abzustechen, dass der Torf abplatzt…"
"Ja so mutig wie Sie waren wir aber nicht!"
"Das können Sie ruhig sein. Überall Holz."
Es dämmert schon. Grabungsleiter Felix Biermann gibt letzte Anweisungen.
"Das springt dann weg und das Holz bleibt liegen. Bearbeitungsspuren, die wir nicht gemacht haben. Hier hat der Specht nicht, sondern der Mensch ein Loch reingebohrt. Sieht interessant aus. Wahrscheinlich ist es nur Schwemmholz, aber vielleicht auch eine Uferbefestigung, die sie hier angelegt haben."
"Ich muss sagen, dass die ehrenamtlichen interessierten Laien, dass die häufig außerordentlich engagiert sind und außerordentlich geschickt, und dass man damit eigentlich nur gute Erfahrungen macht und das kann ich hier auch bestätigen, außerordentlich fleißig und rasch und machen hier ganz tolle Arbeit."
Es war ein erfolgreicher Tag. Auf der Wiese stehen Müllsäcke, randvoll mit Fundstücken. Biermann:
"Das hier ist eine typische Keramik aus dem 11. Jahrhundert, der spätslawischen Zeit, die von einem Töpfer hergestellt worden ist, und man sieht hier also diese ja Riefung, diese Rillen, die um das ganze Gefäß rumgehen, ein sehr schön profilierter Rand und vor allem hier diese Verzierung. Also das ist eine ganz typische Haushaltsware des 11. Jahrhunderts. Und dann haben wir eben hier in riesigen Mengen Knochen, vor allem Schwein und Kuh gehört hier, das ist auch sehr gut erhalten, das kommt hier aus dem Boden wie als wenn es gestern reingeworfen worden wäre. Wir haben hier sehr viele Metallgerätschaften, hier Bronzeschnallen und ähnliches, die uns also zeigen, wie die Leute sich angezogen haben."
Einen richtigen Schatz haben sie heute nicht gefunden, aber immerhin eine kleine Rarität im Boden Brandenburgs: Eine rote Karneolperle aus dem Kaukasus, die ein reicher Slawe vor 900 Jahren seiner Ehefrau geschenkt haben könnte.
Es gibt mehrere 1000 Hobbypaläontologen und Hobbyarchäologen in Deutschland. Sie inspizieren in ihrer Freizeit Felder und Baugruben, verbringen ihren Jahresurlaub in Steinbrüchen, präparieren ehrenamtlich Fossilien für Museen. Hobbygräber. Für Wissenschaftler sind sie mal wichtige Helfer, mal schärfste Konkurrenten auf der Jagd nach versteinerten Tierskeletten oder antiken Gebrauchsgegenständen. Sie alle treibt dasselbe an: Irgendwo liegt immer ein Schatz vergraben.
Hinweis:
Teil 1 der Reihe Sie lieben, was kriecht und krabbelt. Hobbyforscher in der Zoologie wurde am 27. Dezember 2009 gesendet.
Der dritte Teil Sie lieben die Nacht, den Mond und die Sterne. Vom himmlischen Treiben der Amateurastronomen über Hobby-Astronomen wird am Sonntag, 28. Februar, 16:30 Uhr, gesendet.
"Wenn man 16 bis 18 Stunden im Steinbruch am watzen ist, dann weiß man schon, was man abends geschafft hat."
Ein Feld bei Mittenwalde, eine halbe Autostunde südlich von Berlin. Die Grabungsstellen sind mit roten Fähnchen markiert, die ersten Schichten bereits abgetragen. Johannes Gehrmann kniet, mit einer Maurerkelle bewaffnet, auf einem weißen Styroporbrettchen, der sandige Boden vor ihm durchsetzt mit dunklen Flecken.
"Ich nehme jetzt die Grube aus. Hier sieht man ja diesen schwarzen Fleck und wir wissen noch nicht, was das eigentlich darstellt, was das ist."
Es ist kalt und es regnet, der Wind zerrt an seiner Outdoorjacke und an den weißen Haaren, die unter der Schirmmütze hervorgucken.
"Also zuerst ziehe ich nur hier vom Außen, vom Grubenrand weg, ziehe ich jetzt hier den Boden ab, ne, und ich achte jetzt darauf, ich mach das jetzt ein bisschen vorsichtig, damit ich nichts kaputt mache, falls Funde drin sind, Scherben zum Beispiel oder ein Knochen."
Johannes Gehrmann ist pensionierter Lehrer - und Hobbyarchäologe. Dieses Wochenende hilft er auf einer Grabung der Berliner Humboldt-Universität. Denn genau hier auf diesem Feld, ein paar hundert Meter vom Mittenwalder Kirchturm entfernt, haben vor 900 Jahren Slawen gesiedelt, erklärt der Grabungsleiter Felix Biermann, Professor für Ur- und Frühgeschichte an der HU.
"Dieser Platz hier ist, wenn man so will, ein Bindeglied zwischen der Entwicklung vom slawischen Burgwall hin zur, ja, spätmittelalterlichen Stadt. Diese Siedlung hier, die muss man sich in slawischer Zeit wirklich mitten im Sumpf gelegen vorstellen, war das eine Erhebung, natürlich geschützt, da hat also sehr dicht bebaut eine Siedlung mit zahlreichen Blockhäusern gelegen, die im 10. Jahrhundert gegründet wurde und dann bis zum 12. Jahrhundert hier bestanden hat."
Die dunklen Stellen im Boden könnten Feuerstellen der Slawen sein, oder besser: alte Müllgruben. Mit Scherben, Knochen, zerbrochenen Werkzeugen. Für Archäologen sind das wertvolle Fundstücke, mit deren Hilfe sie das alltägliche Leben in der Siedlung rekonstruieren können. Johannes Gehrmann:
"Ich nehme nur die halbe Grube aus, damit ich nachher im Profil sehe, welche Form die hat. Den muss ich stehen lassen und nachher glattputzen, damit ich genau sehen kann, ist die in sich geschichtet die Grube, oder ist das einfach nur verfüllt, das kann alles sein, letztendlich. So, und das mach ich jetzt und während des Kratzens guck ich immer, hier das sind so kleine Steine, hier das ist so ein Stein, der zerfällt, der war vielleicht vorher im Feuer drin, den lass ich erstmal drin, wenn ich dann nachher merke, da passiert nichts mehr, dann nehme ich ihn auch raus. Alles Steine bisher."
Siebzehn Hobbyarchäologen sind heute für die Uni im Einsatz. Für sie ist es eine Art Lehrveranstaltung. Die Männer und Frauen lassen sich gerade zu ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern ausbilden, vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege. In Wochenendseminaren gehen sie die verschiedenen archäologischen Perioden durch, von der Altsteinzeit bis zur Kaiserzeit. Sie lernen, wie sich eine Handvoll Scherben wieder zu einem Topf zusammensetzen lässt, und wie man ein Gelände wissenschaftlich korrekt vermisst. Und dass zu einer Grabung auch die Dokumentation der Fundstelle gehört, dass alles gezeichnet und fotografiert werden muss. Nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung der Kursteilnehmer. Zwei Männer mittleren Alters sitzen missmutig auf der Wiese und radieren an ihren Zeichnungen herum, die den strengen Kriterien nicht standgehalten haben.
"Zu schnell, nicht fein genug gearbeitet. Nicht präzise genug. Man muss wirklich fein und präzise arbeiten, und wir dachten, es geht etwas schneller. Und da haben wir gleich eine Ermahnung bekommen Und jetzt müssen wir nacharbeiten. Man wird ja nicht Ausgräber, um Millimeterpapier zu bemalen. Also das ist nicht wirklich das, was man sich eigentlich erträumt. Aber gehört dazu, das sieht man ja schon ein. Was muss drauf? Also der Professor hat uns gesagt - ach so, die technischen Daten. Mittenwalde Altes Dorf, in Anführungszeichen, ja?"
Ein paar Meter weiter flucht Johannes Gehrmann.
"Hier sehen sie die Leiden des Ausgräbers. Gerade haben wir das schön sauber abgezogen zum Fotografieren, ein Windstoß, alles mit grauem Staub wieder überdeckt, jetzt können wir uns noch einmal von vorne daransetzen."
Thomas Kersting vom brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege wirft einen Blick in Gehrmanns Grube.
"Schälen sie das richtig so aus."
"Jaja, ich geh jetzt weiter runter."
"Sie brauchen da nicht allzu vorsichtig zu sein."
Der Lehrgang zum ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger dauert dreieinhalb Jahre. Anschließend bekommen die Teilnehmer einen Ausweis, der sie dazu berechtigt, über Felder zu streifen und Baugruben zu begutachten, ob Pflug oder Bagger etwas Interessantes zutage gefördert haben. Das sind die zentralen Aufgaben der Ehrenamtlichen. Ausgrabungen zählen normalerweise nicht dazu. Dafür werden spezielle Grabungsfirmen angeheuert, sagt Thomas Kersting.
"Also dieses Grabungspraktikum, was wir hier machen, das tun wir deswegen, weil natürlich jederzeit die Situation eintreten kann, dass so ein ehrenamtlicher Mitarbeiter mal eine Notbergung machen muss. Sei es, dass er auf einer Baustelle etwas entdeckt, sei es, dass er auf dem Acker etwas sieht, was vom Pflügen bedroht ist. Dann muss er da hingehen und darf das auch, und das selber bergen.Und damit er auch weiß, wie er vorgehen muss, dass er nicht nur freilegen, sondern auch zeichnen und dokumentieren muss, das kriegen die Leute eben hier beigebracht."
Die Augen offen halten, bei Bedarf das Landesamt informieren und mit den Grundstücksbesitzern verhandeln. Das ist schwieriger, als es sich anhört. Die meisten sind alles andere als begeistert, wenn sich ihre Aussaat oder ihr Hausbau durch eine archäologische Notbergung verzögert – und sei es nur für ein paar Tage. Thomas Kersting baut darauf, dass die Ehrenamtlichen in ihren Dörfern persönliche Ansprechpartner für die Bauern und Grundbesitzer werden, Vermittler für die archäologische Sache. Johannes Gehrmann hat da schon so seine Erfahrungen gemacht.
"Ich gehe da hin, stelle mich vor, und manche, die schmeißen mich dann gleich raus: 'Ich will mit Euch nichts zu tun haben.' Nicht? Aber bei manchen ist es dann so: 'Na gucken Sie mal ruhig.' Nicht? Da hat man die Spanne von sehr freundlich und unterstützend bis hin zu völlig ablehnend."
Thomas Kersting:
"Wir können auf die Ehrenamtlichen deshalb nicht verzichten, weil wir als Landesarchäologie, als Landesamt in einer ganz prekären Personalsituation sind. So einfach ist das. Wir sind einfach nicht mehr in der Lage, flächendeckend in den Kreisen, Brandenburg ist ja wirklich ein großes Land, präsent zu sein, auf den Baustellen zu sein, geschweige denn aufs Land zu fahren und Fundstellen zu kontrollieren, wir können es nicht mehr leisten."
In Brandenburg sind etwas mehr als 100 ehrenamtliche Denkmalpfleger unterwegs. Die meisten sind älteren Jahrgangs, Überbleibsel einer recht aktiven Szene aus DDR-Zeiten. Nach der Wende hatten die Menschen dann aber andere Sorgen, die Pflegerszene brach zusammen. Langsam plagen Thomas Kersting und seine Kollegen Nachwuchssorgen.
Ein Grundstück im Taunus, irgendwo zwischen Wiesbaden und Frankfurt. Auf dem Hof Dinoskulpturen und Fischfossilien. Über der Haustür ein buntes Urzeit-Fensterbild, der Türknauf ein abgeflachtes, segmentiertes Schneckenhaus, ein Ammonit aus Messing. Es ist das Reich von Klaus-Dieter-Dieter Weiß, einem der erfolgreichsten Hobbypaläontologen Deutschlands. Im Schuppen auf dem Hof hat er ein kleines Museum mit seinen Funden eingerichtet, ein beliebtes Ausflugsziel für die Schulklassen in der Region. Daneben hat er seine Heimwerkstatt untergebracht.
"So. Ich habe hier extra nichts großartig weggeräumt, hier unten ist eine Spitzhacke, Vorsicht!"
Klaus-Dieter Weiß duckt sich unter dem niedrigen Türrahmen durch. In der Hand hält er einen pflaumengroßen, anthrazitfarbenen Steinbrocken, der schwach die Konturen eines Ammoniten erkennen lässt. Ein Kopffüßler, der vor 160 Millionen Jahren im Meer herumgeschwommen ist.
"Und man kann jetzt zum Beispiel auch hier hergehen und die ganz feinen Segmente rauspräparieren."
Mit einer Drahtbürste schrubbt Klaus-Dieter Weiß die äußere Steinschicht ab. Der Ammonit ist etwas Besonderes. Die Segmente haben sich im Laufe der Jahrmillion nicht in Stein, sondern in schimmernden Pyrit umgewandelt, auch Katzengold genannt.
"Es wird eigentlich ein sehr schönes Exponat werden, und die Sachen sind halt bei Sammlern sehr begehrt, weil man meint halt, es handelt sich um Gold."
In der kleinen Werkstatt herrscht Chaos. Pinsel verschiedener Größen stecken in Joghurtbechern, Schraubenzieher, Hammer, Meißel sind auf der Werkbank aufgereiht. In den Regalen lagern diverse Sorten Klebstoff, verschiedene Lacke und Füllmaterialien. Kein Fossil, das Klaus-Dieter Weiß nicht präparieren könnte. Es kommt nur auf das richtige Werkzeug an. Manche Fossilien muss er mit Hilfe von Säuren aus dem Stein lösen. Andere befreit er mit einem Pressluftstichel. Zur Werkzeugpalette gehört auch ein Zahnarztbohrer mit unterschiedlichen Aufsätzen.
"Ich hab hier wirklich die absolut reinsten Quälgeräte, die auch ein Zahnarzt verwenden tut, zum Beispiel hier einen Turbinenschleifer. Ich mach ihn mal kurz an, der hat ungefähr 15.000 Umdrehungen, und jetzt tu ich zum Beispiel meinen Ammoniten hier anschneiden, damit der schön von der Form rauskommt."
Normalerweise trägt er einen Mundschutz, gegen den Staub. Heute nicht. Vorsichtig dreht er den Ammoniten zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her, nach und nach gibt das Schleifgerät die goldglänzenden Segmente frei. Plötzlich zerbricht der Ammonit in zwei Teile.
"Jetzt ist das passiert, was öfter passiert, hier ist ein Originalriss im Material."
Aber dank Sekundenkleber keine große Sache.
"Noch ein bisschen Kleber da..so..Jetzt ist natürlich der typische Vorführeffekt, natürlich hat man gleich die Hände voll Sekundenkleber, und es wird ja auch in Sekunden hart, und man pappt sich alles zusammen. So, und jetzt hätten wir den Ammoniten schon fast fertig. Das muss nur trocknen, das können Sie auf jeden Fall mitnehmen. So, sehen Sie, wie der jetzt glänzt?"
Schon als Kind hat Klaus-Dieter Weiß Steine geklopft, 42 Jahre ist das her. Die Paläontologie ist sein Ein und Alles, sagt er. Zum Beruf hat er die Wissenschaft nicht gemacht. Weiß ist Maschinenschlosser. Er hängt an dem Job. Außerdem verdienen Maschinenschlosser mehr Geld als Museumspräparatoren. Vor sechs Jahren hat Klaus-Dieter-Dieter Weiß den Verein Paläo-Geo e.V. gegründet. Er zählt mittlerweile rund 100 Mitglieder - alles Hobbypaläontologen. Zahnärzte sind darunter, Tierpfleger, Großindustriellensöhne. Der Verein hat eine klare Mission: Er will fossile Schätze für die Nachwelt erhalten und Forscher bei der Arbeit unterstützen. Die Mitglieder organisieren Notbergungen in Baustellen oder präparieren Fossilien für Museen. An sechs Samstagen im Jahr dürfen sie sogar in der Ölschiefergrube Messel in Darmstadt graben, einer Lieblingsstelle von Klaus-Dieter Weiß.
"Das ist nicht nur so, dass man in der Grube Messel rumsteht, ein paar Steinchen aufbizzelt, es müssen schwere Schubkarren weggefahren werden, manchmal hat es dann auch angefangen zu regnen oder es kamen dann Besuchergruppen, und dann ist dann laufend gefragt worden, was machen Sie denn da, was ist das, und was ist das und alles."
Die Paläo-Geo-Leute arbeiten immer unter der Aufsicht eines Profi-Paläontologen in der Grube Messel: Norbert Micklich vom Hessischen Landesmuseum in Darmstadt.
"Das läuft in der Regel so, da ist ein Grabungstisch aufgebaut, einige holen dann die Brocken raus, die Platten raus, die anderen spalten sie auf, und ich hab dann eigentlich meistens genug damit zu tun, das zu dokumentieren, und alles einzupacken. Und es gibt Tage, wo furchtbar viel gefunden wird, und manchmal bin ich total gestresst abends, wenn ich dann da eigentlich nichts weiter gemacht habe als aufzuschreiben und zu verpacken."
Natürlich gräbt das Hessische Landesmuseum auch mit seinem eigenen Team vor Ort. Die Hobbyforscher seien aber eine schöne Ergänzung, sagt Norbert Micklich.
"Also ich hatte gedacht, dass nach dem ersten Jahr diese Begeisterungskurve dann deutlich runtergeht, aber nein, das ist eher manchmal zu viel Andrang."
Im brüchigen Ölschiefergestein liegen die Überreste von Tieren aus dem Eozän von vor 50 Millionen Jahren verborgen. Diverse Fische, Frösche und Reptilien wurden hier schon ausgebuddelt, auch Vögel und Säugetiere: die berühmten Urpferdchen etwa, und ein Ameisenbär. Alle Funde gehören dem Land Hessen und müssen an das Hessische Landesmuseum in Darmstadt oder an das Senckenbergmuseum in Frankfurt abgegeben werden. Das gilt für die Hobbypaläontologen von Paläo-Geo genauso wie für Wissenschaftler des Naturhistorischen Museums in London. Der Sommer 2009 war für die Hobbygräber besonders erfolgreich: Sie haben unter anderem zwei versteinerte Säugetiere geborgen. Norbert Micklich:
"Das eine ist ein igelartiger Insektenfresser, ein Schuppenschwanz, denken wir, also ist ziemlich sicher, das Tier liegt noch größtenteils unter dem Ölschiefer verborgen, und das andere, das wissen wir noch gar nicht, da ist der Kopf noch im Sediment, ich denke der ist noch in der Platte drin, die sind beide noch nicht fertig präpariert, deshalb kann man da detailliert noch gar nichts sagen."
Als sie die Platte mit dem Schuppenschwanz im Museum ausgepackt hatten, erlebten die Wissenschaftler allerdings eine böse Überraschung. Das Fossil war beschädigt.
"Da waren wir alle entsetzt, nach Erzählungen der Gräber war das so, dass alle geschworen haben, das Tier wäre hundertprozentig komplett auf der Platte gelegen, und als wir es ausgepackt haben, war die Wirbelsäure durch eine Keilspur ziemlich zermatscht, und alle haben steif und fest behauptet, das wäre komplett gewesen und das hätte bei uns passiert sein müssen, was dann natürlich auch sehr unangenehm ist."
Wer da geschlampt hat, das konnte bislang noch nicht eindeutig geklärt werden. Zu größeren Zerwürfnissen zwischen den Forschern und den Mitgliedern von Paläo-Geo ist es aber nicht gekommen. Zumal Museumspräparatoren die Wirbelsäule leicht wieder rekonstruieren können.
Die Grube Messel zählt erst seit 1995 zum Unesco-Weltnaturerbe. Davor war ihr Schicksal lange ungewiss. In den 1970er- und 1980er-Jahren soll der ehemalige Tagebau zu einer Müllhalde umfunktioniert werden. Museen schicken Grabungsteams, um so viele Fossilien wie möglich zu bergen. Hobbyforscher dürfen die Grube seit 1974 nicht mehr betreten, aber kaum einer hält sich daran. Klaus-Dieter-Dieter Weiß und seine Kollegen graben einfach weiter, illegal.
"Das waren richtig abenteuerliche Sachen und wir haben einmal fast sechs Stunden in einem Brombeergebüsch gelegen, und die Polizei hat vor uns gestanden, die haben nämlich genau vor uns mit dem Auto geparkt, und wir durften uns nicht bewegen, weil wir sonst einen Strafzettel bekommen hätten. Und es hat bei 110 Mark angefangen, und je mehr man halt erwischt wurde, desto spannender war es."
1983 wird bei einer illegalen Grabungsaktion ein Fossil freigelegt, das 26 Jahre später, im Mai 2009, mächtig für Wirbel sorgen wird. Es handelt sich um die Überreste einer jungen Primatendame: Ida. Das Fossil misst 58 Zentimeter von Kopf bis zur Schwanzspitze und ist 47 Millionen Jahre alt. Die Finder – ein Ehepaar aus der Nähe von Frankfurt – sind in der Szene berüchtigt für ihren Spürsinn und ihre ausgefeilten Präparationstechniken. Denn Messelfossilien haltbar zu machen ist kompliziert. Ölschiefer ist extrem wasserhaltig, er trocknet schnell aus und zerbröckelt - mit ihm das Fossil. Um das zu verhindern, hat das Paar eine besondere Präparationsmethode entwickelt. Sie übertragen die fossile Knochensubstanz vor der Präparation auf einen Kunstharzträger. Transferpräparation heißt das im Fachjargon, heute ein Standard bei Messelfossilien. Norbert Micklich:
"Wenn Sie einen Ölschiefer aufspalten ist das, wie wenn Sie so ein Buch aufklappen, ja, nicht, eine Seite, und links und rechts wären jetzt die Hälfte des Fossils drauf. Man baut einen Tonrahmen um das Fossil, trocknet die fossile Substanz vorsichtig aus, hält den Ölschiefer feucht, gießt dann ein Kunstharz hinein, das dringt dann in die Knochensubstanz ein, und nicht in den feuchten Ölschiefer, gibt also eine Platte, das härtet aus, dann dreht man diese Platte rum und hat auf der Seite den Ölschiefer, den man dann abpräpariert. Dann sieht man die Außenseite des Fossils mit sehr schöner Detailerhaltung in der Regel."
Das Ehepaar präpariert den Primaten auf erstklassige Weise, kann sogar Teile des Darms und Fellreste erhalten. Doch dann verschwindet die Platte jahrelang von der Bildfläche. Klaus-Dieter-Dieter Weiß:
"Die haben halt das Stück über Jahre an der Wand hängen gehabt, im Schlafzimmer, und irgendwie ist dann ein Händler hergegangen und hat das denen versucht abzuschwatzen."
Der Rest ist Geschichte. Das Paar verkauft den Primaten an den Fossilienhändler, und der wiederum überlässt es dem Paläontologen Jörn Hurum von der Universität Oslo – geschätzter Preis: 1 Million Euro. Jörn Hurum nennt das Fossil Ida, nach seiner Tochter, und präsentiert den Primaten unter riesigem Medienrummel im Mai 2009 in New York. Hurum und seine Kollegen interpretieren Ida als gemeinsamen Vorfahren von Affe und Mensch. Inzwischen hat sich die Aufregung um Ida gelegt. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass das Fossil kein direkter Vorfahr des Menschen, sondern nur eine ferne Verwandte älterer Affenarten ist. Doch das schöne Messelfossil gehört jetzt Norwegen. Und Norbert Micklich vom Hessischen Landesmuseum in Darmstadt fühlt sich übergangen.
"Insofern schon, wenn meine Annahmen stimmen, stammt das aus einer Sammlung, deren Hauptteil wir 2001 für einen sehr beträchtlichen Betrag gekauft haben. Damals wurde mir schon gesagt, dass noch einige Stücke, eins, zwei oder drei, zurückbehalten worden sind für Nachwuchs oder so irgendwas, allerdings wurde in keinster Weise angedeutet, dass es etwas sehr Bedeutsames ist. Denn sonst hätte ich schon versucht, einen Vorvertrag abzuschließen."
Das Stück sei dem Landesmuseum nie angeboten worden, sagt Norbert Micklich. Das Finder-Ehepaar lebt heute getrennt, zu Ida will sich keiner der beiden öffentlich äußern. Klar ist heute: Der Primat ist ein Holotyp, das heißt das Musterexemplar einer neu beschriebenen Art. Und Holotypen aus Messel gehören – rechtlich gesehen – eigentlich nach Hessen. Doch die Norweger haben Ida rechtmäßig erworben, die Hessen können sie ihnen nicht einfach wieder wegnehmen. Was vor allem Klaus-Dieter Weiß wurmt.
"Wenn ich gewusst hätte, dass das Stück nach Norwegen geht, ich hätte alles in Bewegung gesetzt und ich hätte es geschafft, ich hätte drei bis fünf Million Euro aufgetrieben, ich hätte Bittbriefe überall hingeschrieben, wo es nur möglich gewesen wäre, um das Stück hier in Hessen zu behalten."
Der Hobbypaläontologe Klaus-Dieter Weiß kennt die Verlockungen des illegalen Fossilienhandels nur zu gut. 1998 gräbt er zusammen mit seinem Bruder in einem Steinbruch im Altmühltal, im Auftrag des Jura-Museums Eichstätt. In zehn Wochen bewegen die Brüder 140 Kubikmeter Plattenkalk.
"Ein Finger von mir, den hab ich an einen anderen Finger gebunden, der war platt, da ist der Vorschlaghammer draufgefallen, in Treuchtlingen im Krankenhaus wurde ich behandelt auf fünf Rippenbrüche auf der linken Seite, eine Woche später waren es drei auf der rechten Seite."
Die Gewaltaktion lohnt sich. Als Klaus-Dieter Weiß am vorletzten Urlaubstag eine Platte aufspaltet, blitzt ein Saurierkopf hervor. Es ist der Fund sein Lebens.
"Und ich hab halt meinen Hut genommen, hab den erstmal auf den Boden geschmissen. Oh Gott, das gibt es ja nicht, und hab das dem Hans gezeigt, wir waren beide den Tränen nah, wir wussten, das, um was es da geht, ist ein Millionenobjekt"
Das Millionenobjekt ist ein zweibeiniger Raubsaurier, gerade einmal so groß wie ein Huhn. Er wird Juravenator starki genannt, "Jurajäger". Weiß:
"Es wurde immer doller, von Tag zu Tag wurde das verrückter, ich war hier nach meinem Urlaub in der ersten Woche, nachdem ich die ersten Tage wieder arbeiten war, daheim einen Tag, und da muss man sich vorstellen, schellt es auf einmal und da kamen Leute vorbei von Scientology. Und diese Leute, die haben zwei Koffer voll Geld gehabt, die wollten mir im Prinzip meine Finderrechte abkaufen und das Stück dann für irgendein Museum, das die Leute besitzen, sichern. Ja in jedem waren 800.000 bis 1 Million Euro drin."
Klaus-Dieter Weiß lässt sich auf den Handel nicht ein.
"Ja, das ist schon ziemlich verlockend, so etwas, aber ich finde, so ein Stück, das gehört wirklich uns allen, und für nichts auf der Welt hätte ich das Stück weggegeben."
Heute ist die Platte mit dem Juravenator im Jura-Museum Eichstätt zu sehen, gut gesichert hinter Panzerglas. Es ist der besterhaltene Raubdinosaurier Europas. Klaus-Dieter Weiß ist Träger des Bundesverdienstkreuzes. Die Paläontologische Gesellschaft hat ihn im letzte n Jahr mit der Karl-Alfred-von-Zittel-Medaille geehrt. Die Größte für ihn, sagt Klaus-Dieter Weiß, sei aber, wenn ein Fossil nach ihm benannt werde. So wie der Adlerrochen Weissobatis Micklichi.
Die Paläontologie ist ein kostspieliges Hobby. Reise- und Materialkosten müssen irgendwie wieder hereinkommen. Nicht alle Hobbygräber sind deshalb bereit, ihre Funde für lau an Museen abzugeben. Zwar kaufen Museen auch ganze Sammlungen auf, oder tauschen Fossilien mit Privatsammlern. Im illegalen Fossilienhandel, wo einzigartige Stücke für Millionen gehandelt werden, bringen sie aber womöglich noch mehr Geld ein. Und so bleibt zwischen Hobbyforscher und professionellem Raubgräber oft nur ein schmaler Grat. Norbert Micklich:
"Je wertvoller die Funde werden, desto schwieriger wird es, so eine Zusammenarbeit zu etablieren, natürlich. Wenn man dran denkt, dass man vielleicht nicht mehr arbeiten muss, wenn man etwas superseltenes gefunden hat, was spektakuläres, ein Saurier oder so, da ist die Verlockung auch sehr groß. Kann man verstehen."
Den Mitarbeitern von Museen und Ämtern bleibt nichts anderes übrig, als ihren ehrenamtlichen Helfern zu vertrauen. Thomas Kersting:
"Man will niemandem was unterstellen, keinem Ehrenamtlichen. Aber es gibt durchaus Fälle, wo man festgestellt hat nach Jahrzehnten, ach schau mal an, der Herr Sowieso der hat zu Hause ja mittlerweile schon eine ganz umfangreiche Sammlung von archäologischen Dingen, die hat er uns gar nicht gemeldet, das darf natürlich nicht passieren."
Zurück in Mittenwalde bei Berlin. Ein Hobbyarchäologe - grüne Bomberjacke, schwarze Stiefel und Schlapphut - marschiert mit einem Metallsuchgerät das Feld ab. Ab und zu bleibt er stehen und malt mit der tellerförmigen Sonde ein Kreuz über dem Boden.
"Das ist eine so genannte Kreuzpeilung. Ich geh so, und dann im rechten Winkel so, und wo sich die beiden Linien treffen, ergibt sich der Mittelpunkt, und dann such ich außenrum. Damit ich nichts zerstöre. Wenn ich gleich hier graben würde, kann es sein, dass ich etwas zerstöre. Also gehe ich von hinten ran so ein bisschen."
Selber graben darf er nicht, nur sondieren. Wenn der Metallsucher anschlägt, zeichnet er die Stelle in einen Plan ein. Die ausgebuddelte Erde neben der Grube geht er dafür umso akribischer durch, mit einer handlichen Mini-Sonde, einem Pinpointer.
"Da kann man ganz genau und gezielt suchen, auf kleinster Fläche. Wenn man jetzt hier etwas entdeckt hat, geht man hier mit dem ran, und dann reagiert der gleich ganz empfindlich. Je höher der Ton, desto näher bin ich am Objekt. So, hier war etwas , da ist was ein kleines Stück Eisen. Gut."
Die Ausbeute an diesem Nachmittag ist bescheiden. Viel Müll, ein paar Knöpfe und eine alte Münze.
"Ja, ich kenne das einfach, dass man, wenn man mit so einem Gerät auftaucht, dass man da immer auf Vorurteile trifft. Dass man ein Grabräuber wäre, ein Militaria-Fan, aber es ist nur ein Hilfsmittel, um die Sachen erkennen zu können, nicht, das muss man sich auch ein bisschen von trennen."
Raubgräber, die, mit Metallsuchern ausgerüstet, in Grabungsstellen eindringen, Fundstücke aus dem wissenschaftlichen Kontext reißen, sie dabei meistens noch beschädigen. Und die ihre Funde dann für horrende Summen im Internet verticken, so dass sie für die Wissenschaft für immer verloren sind. Für Archäologen wie Thomas Kersting sind Raubgräber ein rotes Tuch.
"Es gibt Internetforen, da gehen einem wirklich die Augen über, es gibt zahlreiche Leute, die im Internet Funde anbieten, es gibt viele Leute, die Metallsuchgeräte haben, der Verkauf ist in Deutschland frei, nur die Benutzung ist verboten, das ist so ein bisschen kurios an der deutschen Gesetzgebung, das ist dann auch von Land zu Land noch ein bisschen unterschiedlich."
Es gibt kaum ein Landesamt für Denkmalpflege in Deutschland, das sich nicht mit Raubgräbern herumschlagen muss. Besonders schlimm ist das Rheinland betroffen, Baden-Württemberg und Bayern. Dort fahnden Raubgräber nach Schmuck und Münzen aus dem Alten Rom. Brandenburg dagegen ist übersät von Schlachtfeldern, Altlasten von den napoleonischen Kriegen und aus dem zweiten Weltkrieg. Ein Eldorado für Militaria-Fans. Kersting:
"Wir kennen aus jüngster Zeit bei Gorgast im Nordwesten Brandenburgs, da sind Schlachtfelder bekannt, die auch nach der Gesetzgebung als Kriegsgräberstätten gelten, da sind vor wenigen Wochen vier oder fünf Leute aufgegriffen worden von der Grenzschutzpolizei, die mit Metallsuchgeräten unterwegs waren, Metallhelme im Kofferraum hatten und die waren da auf frische Tat ertappt worden."
Sinn des Lehrgangs zum ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger ist es auch, interessierte Laien gleich an das Landesamt zu binden und so illegale Grabungsaktionen im Keim zu ersticken. Kersting:
"Dass die eben nicht in irgendeine Kriminalität abgedrängt werden, nur weil sie sich eben für Archäologie interessieren, aber glauben, sie dürften das nur bei Nacht und Nebel tun."
"Sie müssen jetzt hier von obenan runter gehen…"
"So mutig waren wir noch nicht!"
"..und ab dieser Höhe würde ich mir das jetzt abtragen. Dass man relativ nah dran ist, und dann kann man versuchen das so abzustechen, dass der Torf abplatzt…"
"Ja so mutig wie Sie waren wir aber nicht!"
"Das können Sie ruhig sein. Überall Holz."
Es dämmert schon. Grabungsleiter Felix Biermann gibt letzte Anweisungen.
"Das springt dann weg und das Holz bleibt liegen. Bearbeitungsspuren, die wir nicht gemacht haben. Hier hat der Specht nicht, sondern der Mensch ein Loch reingebohrt. Sieht interessant aus. Wahrscheinlich ist es nur Schwemmholz, aber vielleicht auch eine Uferbefestigung, die sie hier angelegt haben."
"Ich muss sagen, dass die ehrenamtlichen interessierten Laien, dass die häufig außerordentlich engagiert sind und außerordentlich geschickt, und dass man damit eigentlich nur gute Erfahrungen macht und das kann ich hier auch bestätigen, außerordentlich fleißig und rasch und machen hier ganz tolle Arbeit."
Es war ein erfolgreicher Tag. Auf der Wiese stehen Müllsäcke, randvoll mit Fundstücken. Biermann:
"Das hier ist eine typische Keramik aus dem 11. Jahrhundert, der spätslawischen Zeit, die von einem Töpfer hergestellt worden ist, und man sieht hier also diese ja Riefung, diese Rillen, die um das ganze Gefäß rumgehen, ein sehr schön profilierter Rand und vor allem hier diese Verzierung. Also das ist eine ganz typische Haushaltsware des 11. Jahrhunderts. Und dann haben wir eben hier in riesigen Mengen Knochen, vor allem Schwein und Kuh gehört hier, das ist auch sehr gut erhalten, das kommt hier aus dem Boden wie als wenn es gestern reingeworfen worden wäre. Wir haben hier sehr viele Metallgerätschaften, hier Bronzeschnallen und ähnliches, die uns also zeigen, wie die Leute sich angezogen haben."
Einen richtigen Schatz haben sie heute nicht gefunden, aber immerhin eine kleine Rarität im Boden Brandenburgs: Eine rote Karneolperle aus dem Kaukasus, die ein reicher Slawe vor 900 Jahren seiner Ehefrau geschenkt haben könnte.
Es gibt mehrere 1000 Hobbypaläontologen und Hobbyarchäologen in Deutschland. Sie inspizieren in ihrer Freizeit Felder und Baugruben, verbringen ihren Jahresurlaub in Steinbrüchen, präparieren ehrenamtlich Fossilien für Museen. Hobbygräber. Für Wissenschaftler sind sie mal wichtige Helfer, mal schärfste Konkurrenten auf der Jagd nach versteinerten Tierskeletten oder antiken Gebrauchsgegenständen. Sie alle treibt dasselbe an: Irgendwo liegt immer ein Schatz vergraben.
Hinweis:
Teil 1 der Reihe Sie lieben, was kriecht und krabbelt. Hobbyforscher in der Zoologie wurde am 27. Dezember 2009 gesendet.
Der dritte Teil Sie lieben die Nacht, den Mond und die Sterne. Vom himmlischen Treiben der Amateurastronomen über Hobby-Astronomen wird am Sonntag, 28. Februar, 16:30 Uhr, gesendet.