Bettina Klein: Immer wieder erlebt die Öffentlichkeit Debatten, bei denen urplötzlich ein Thema auf die Tagesordnung kommt, für einige Zeit Schlagzeilen produziert, oder sogar die Agenda bestimmt. Mal legt sich die Aufregung bald wieder, mal steht am Ende eine drastische Entscheidung wie etwa der Rücktritt eines Politikers. Der Anlass ist vielleicht nichtig, oder in seiner Tragweite diskussionswürdig; ihm liegt in der Regel allerdings jeweils ein Thema von gesellschaftlicher Brisanz zugrunde. Anders wäre die Aufregung nicht zu erklären. In jedem Fall ist es so, als hätte jemand für kurze Zeit einen Scheinwerfer angeknipst, und wie bei einem Blitzeinschlag ist die Umgebung plötzlich hell erleuchtet. Man sieht genau in diesen Momenten, wer von einem Thema was genau versteht und wer sich wie zu welchem Sachverhalt verhält. Vielleicht ist es bald wieder dunkel und das Thema aus den Schlagzeilen verschwunden, doch die Öffentlichkeit kann in ihrem Bewusstsein nicht mehr hinter diesen Erkenntnisstand zurück. Richtig genutzt erweitert also auch unsere sogenannte Aufregungsdemokratie durchaus den öffentlichen Diskurs und bringt Dinge ans Tageslicht, die vielleicht noch nicht öffentlich besprochen wurden.
Aktuelles Beispiel Angela Merkel und ihre Funktion in der FDJ-Gruppe der Akademie der Wissenschaften seinerzeit in Berlin. Hatte sie dort eine Funktion inne, die damals hieß "Sekretär für Agitation und Propaganda"? Diesen Vorwurf erheben Journalisten in einem neuen Buch über sie. Sie selbst will sich dazu nicht ganz eindeutig äußern. Wir hören mal eine Reaktion von vor einigen Tagen:
Angela Merkel: "Also es geht um meine Erinnerung, und wenn jetzt was anderes sich ergibt, dann kann man damit auch leben, aber was mir wichtig ist: Ich habe da nie irgendwas verheimlicht."
Klein: Soweit die Bundeskanzlerin vor einigen Tagen, und am Telefon begrüße ich jetzt Professor Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin. Guten Morgen, Herr Schroeder.
Klaus Schroeder: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Haben Sie jetzt andere Erkenntnisse als wir, ob dieser Vorwurf nun zutrifft und sie diese Position tatsächlich hatte?
Schroeder: Nein, Erkenntnisse habe ich nicht. Aber das war ja schon bekannt, dass Frau Merkel in der FDJ aktiv war.
Klein: Aber es ging jetzt um diese spezielle Funktion.
Schroeder: Ja! Agitation und Propaganda, das lag schon lange im Raum. Sie hat das als Kulturbeauftragte interpretiert, sowie ehemalige Marxisten und Leninisten sich im Nachhinein als Politikwissenschaftler bezeichnen. Also da ist der Fantasie breiten Raum gelassen.
Klein: Aber es gab ja nun durchaus auch Unterschiede zwischen verschiedenen Funktionen, die man in einer solchen FDJ-Gruppe einnehmen konnte, vom Vorsitzenden über den Schriftführer, den Kulturbeauftragten, und dann gab es eben noch den Sekretär für Agitation und Propaganda. Welche Unterschiede muss man an der Stelle dann vielleicht doch machen?
Schroeder: Die entscheidenden Unterschiede sind, ob jemand hauptamtlich als Funktionär tätig war – das war Frau Merkel offenbar nicht -, oder ob er ehrenamtlich tätig war in einer Funktion. Das waren ungefähr 650.000 FDJ-Mitglieder von insgesamt zwei Millionen in den 80er-Jahren. Das heißt, sehr viele waren hier tätig, sie haben Funktionen ausgeübt, sie wurden auch bedrängt, diese Funktionen auszuüben. Aber das blieb ja alles noch im für DDR-Verhältnisse vorpolitischen Raum. Ernst wurde es beim Eintritt in eine Partei, in die SED oder eine andere Blockpartei. Dadurch zeigte man, dass man sehr eng mit diesem System verbunden ist, und diesen Schritt ist Angela Merkel nicht gegangen. Sie hat sich also engagiert, um ihre Karriere nicht zu gefährden, sie war eine Mitläuferin, vielleicht eine angepasste Mitläuferin, aber sie war keine überzeugte Systemgängerin.
Klein: Nun sagen angepasste Mitläufer aber durchaus, bestimmte Mitgliedschaften waren unumgänglich und waren auch unvermeidlich, wenn man zum Beispiel Abitur machen wollte, wie zum Beispiel Mitglied der FDJ zu sein. Dennoch haben viele davor zurückgescheut, sich allzu sehr da verbiegen zu müssen und auch zu sehr in die Nähe von Agitation und Propaganda im Sinne der SED-Führung zu gelangen. Tut man nicht möglicherweise denen auch Unrecht, die versucht haben, da sauber zu bleiben, sage ich mal, wenn man das jetzt alles nivelliert und sagt, das hat eigentlich gar keinen Unterschied ausgemacht?
Schroeder: Nein, nivellieren würde ich das nicht. Sicherlich gab es viele. Aber unter Studenten und Wissenschaftlern war der Anteil von FDJ- und SED-Mitgliedern höher als zum Beispiel von Arbeitern. Es gab nicht viele, sondern es gab eine Minderheit, die hat sich dem entzogen, ohne Frage, war couragiert, hat auch Nachteile in Kauf genommen. Zu denen gehörte Frau Merkel nicht. Sie hat sich in dem Maße angepasst, wie sie es für notwendig hielt, aber sie ist nicht den letzten Schritt gegangen. Das wäre der Schritt in die SED gewesen.
Klein: Da jetzt die Debatte um diese Funktion losgegangen ist, können Sie noch mal kurz sagen, was so ein Sekretär für Agitation und Propaganda machen musste?
Schroeder: Der musste die Thesen, die Verlautbarungen der FDJ-Spitze verkünden, musste vielleicht Veranstaltungen organisieren. Agitation und Propaganda, das klingt so nach Goebbels; das war in den 80er-Jahren in der DDR ja viel banaler: Da mussten diese ML-Geschichten runtergeleiert werden und da mussten Treuebekenntnisse runtergeleiert werden. Also das war schon im Grunde ritualisiert. Und in der Akademie der Wissenschaften sind die Leute ja nicht alle auf den Kopf gefallen. Da wird das in einer sozusagen Art gelaufen sein, dass die meisten das gar nicht für Ernst genommen haben.
Klein: Das heißt, aus Ihrer Sicht wäre das vollkommen in Ordnung, wenn sie irgendwann auch sagen würde, ja klar, ich habe das gemacht aus den und den Gründen und sehe das heute so und so, und das würde für sie auch keine politischen Konsequenzen haben?
Schroeder: Nein! Jeder sollte zu seiner Vergangenheit stehen. Das stehen ja viele nicht, wenn Sie an viele Grünen-Poolitiker denken, oder in den 60er-, 70er-Jahren an CDU-Politiker. Die haben ja ihre Vergangenheit auch im Dunkeln gelassen. Aber ich finde, Frau Merkel hat ja nichts getan, wo sie Leute bedrängt hat, belastet hat und so weiter. Insofern gibt es überhaupt keinen Grund, dazu nicht zu stehen. Und wenn sich in den Unterlagen herausstellt, dass sie formell als so und so bezeichnet wurde, dann sollte sie dazu stehen und sollte vielleicht auch mal sagen, was das im Alltag bedeutete, ihre Funktion. Dann würde hier mehr Aufklärung, wie Sie es eingangs ja gesagt haben, betrieben und es würde klar werden, was das Leben in der DDR unterschied von dem Leben in der Bundesrepublik.
Klein: Die einen sagen in der Tat, auch teilweise Kollegen sagen das, auch Hörer, die uns erreichen, ja ich habe auch genau diese Position gehabt, das war jetzt eigentlich gar nicht weiter irgendwas Schlimmes: Man hat versucht, sich da irgendwie durchzumogeln. Andere wiederum: Da sieht man hochgezogene Augenbrauen und die haben dann doch die Vermutung, dass eine größere Systemnähe Angela Merkels zu verzeichnen war, als wir das bisher alle dachten. Ist das jetzt nur eine Unwissenheit, oder kann man da auch durchaus zu anderen Bewertungen kommen?
Schroeder: Nun, der normale Verlauf eines überzeugten Systemgängers war, in der Kampfreserve der Partei, der FDJ organisiert zu sein, engagiert zu sein und dann den nächsten Schritt zu gehen, in die große Politik, in die SED. Das ist der normale Verlauf eines systemtreuen Mitglieds der FDJ gewesen. Jetzt sollte Frau Merkel vielleicht erklären, warum sie gerade diesen Schritt nicht gegangen ist, warum sie nicht in die Partei gegangen ist, und dann würde sich auch ein bisschen relativieren, was sie in der FDJ getan hat.
Klein: Das heißt, Sie wünschen sich durchaus auch von ihr einen aufklärerischen Ansatz an der Stelle, sie sollte ihre Position durchaus offensiv nutzen, auch als Kanzlerin, gerade als Kanzlerin?
Schroeder: Ja! Gerade als Kanzlerin sollte sie die Alltäglichkeit des Lebens in der DDR, des Engagements in der FDJ einmal demonstrieren und sagen, wie lief das eigentlich ab, was hatte ich da zu tun, was habe ich organisiert. Dann würde vielen Westdeutschen auch klar werden, dass das ein anderes Leben war. Dieses bedrängt werden, sich gesellschaftlich zu engagieren, was man in der Bundesrepublik ja nicht kannte, das wird dann noch mal offensichtlich. Aber auch die Trennlinien: Wer hat bis zu welchem Weg das und das getan und wer ist einen Schritt weitergegangen. Wir sollten jetzt nicht in den Fehler verfallen, alles über einen Kamm zu scheren, ob jemand für die Stasi gearbeitet hat, SED-hauptamtlich Funktionär war und jemand ehrenamtlich in der FDJ oder im FDGB tätig war. Das ist nicht alles eins. Auch die DDR muss differenziert betrachtet werden, und dazu könnte Frau Merkel durch ein bisschen mehr Offenheit beitragen.
Klein: Die Einschätzung von Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat an der FU Berlin. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Schroeder.
Schroeder: Ja bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Aktuelles Beispiel Angela Merkel und ihre Funktion in der FDJ-Gruppe der Akademie der Wissenschaften seinerzeit in Berlin. Hatte sie dort eine Funktion inne, die damals hieß "Sekretär für Agitation und Propaganda"? Diesen Vorwurf erheben Journalisten in einem neuen Buch über sie. Sie selbst will sich dazu nicht ganz eindeutig äußern. Wir hören mal eine Reaktion von vor einigen Tagen:
Angela Merkel: "Also es geht um meine Erinnerung, und wenn jetzt was anderes sich ergibt, dann kann man damit auch leben, aber was mir wichtig ist: Ich habe da nie irgendwas verheimlicht."
Klein: Soweit die Bundeskanzlerin vor einigen Tagen, und am Telefon begrüße ich jetzt Professor Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin. Guten Morgen, Herr Schroeder.
Klaus Schroeder: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Haben Sie jetzt andere Erkenntnisse als wir, ob dieser Vorwurf nun zutrifft und sie diese Position tatsächlich hatte?
Schroeder: Nein, Erkenntnisse habe ich nicht. Aber das war ja schon bekannt, dass Frau Merkel in der FDJ aktiv war.
Klein: Aber es ging jetzt um diese spezielle Funktion.
Schroeder: Ja! Agitation und Propaganda, das lag schon lange im Raum. Sie hat das als Kulturbeauftragte interpretiert, sowie ehemalige Marxisten und Leninisten sich im Nachhinein als Politikwissenschaftler bezeichnen. Also da ist der Fantasie breiten Raum gelassen.
Klein: Aber es gab ja nun durchaus auch Unterschiede zwischen verschiedenen Funktionen, die man in einer solchen FDJ-Gruppe einnehmen konnte, vom Vorsitzenden über den Schriftführer, den Kulturbeauftragten, und dann gab es eben noch den Sekretär für Agitation und Propaganda. Welche Unterschiede muss man an der Stelle dann vielleicht doch machen?
Schroeder: Die entscheidenden Unterschiede sind, ob jemand hauptamtlich als Funktionär tätig war – das war Frau Merkel offenbar nicht -, oder ob er ehrenamtlich tätig war in einer Funktion. Das waren ungefähr 650.000 FDJ-Mitglieder von insgesamt zwei Millionen in den 80er-Jahren. Das heißt, sehr viele waren hier tätig, sie haben Funktionen ausgeübt, sie wurden auch bedrängt, diese Funktionen auszuüben. Aber das blieb ja alles noch im für DDR-Verhältnisse vorpolitischen Raum. Ernst wurde es beim Eintritt in eine Partei, in die SED oder eine andere Blockpartei. Dadurch zeigte man, dass man sehr eng mit diesem System verbunden ist, und diesen Schritt ist Angela Merkel nicht gegangen. Sie hat sich also engagiert, um ihre Karriere nicht zu gefährden, sie war eine Mitläuferin, vielleicht eine angepasste Mitläuferin, aber sie war keine überzeugte Systemgängerin.
Klein: Nun sagen angepasste Mitläufer aber durchaus, bestimmte Mitgliedschaften waren unumgänglich und waren auch unvermeidlich, wenn man zum Beispiel Abitur machen wollte, wie zum Beispiel Mitglied der FDJ zu sein. Dennoch haben viele davor zurückgescheut, sich allzu sehr da verbiegen zu müssen und auch zu sehr in die Nähe von Agitation und Propaganda im Sinne der SED-Führung zu gelangen. Tut man nicht möglicherweise denen auch Unrecht, die versucht haben, da sauber zu bleiben, sage ich mal, wenn man das jetzt alles nivelliert und sagt, das hat eigentlich gar keinen Unterschied ausgemacht?
Schroeder: Nein, nivellieren würde ich das nicht. Sicherlich gab es viele. Aber unter Studenten und Wissenschaftlern war der Anteil von FDJ- und SED-Mitgliedern höher als zum Beispiel von Arbeitern. Es gab nicht viele, sondern es gab eine Minderheit, die hat sich dem entzogen, ohne Frage, war couragiert, hat auch Nachteile in Kauf genommen. Zu denen gehörte Frau Merkel nicht. Sie hat sich in dem Maße angepasst, wie sie es für notwendig hielt, aber sie ist nicht den letzten Schritt gegangen. Das wäre der Schritt in die SED gewesen.
Klein: Da jetzt die Debatte um diese Funktion losgegangen ist, können Sie noch mal kurz sagen, was so ein Sekretär für Agitation und Propaganda machen musste?
Schroeder: Der musste die Thesen, die Verlautbarungen der FDJ-Spitze verkünden, musste vielleicht Veranstaltungen organisieren. Agitation und Propaganda, das klingt so nach Goebbels; das war in den 80er-Jahren in der DDR ja viel banaler: Da mussten diese ML-Geschichten runtergeleiert werden und da mussten Treuebekenntnisse runtergeleiert werden. Also das war schon im Grunde ritualisiert. Und in der Akademie der Wissenschaften sind die Leute ja nicht alle auf den Kopf gefallen. Da wird das in einer sozusagen Art gelaufen sein, dass die meisten das gar nicht für Ernst genommen haben.
Klein: Das heißt, aus Ihrer Sicht wäre das vollkommen in Ordnung, wenn sie irgendwann auch sagen würde, ja klar, ich habe das gemacht aus den und den Gründen und sehe das heute so und so, und das würde für sie auch keine politischen Konsequenzen haben?
Schroeder: Nein! Jeder sollte zu seiner Vergangenheit stehen. Das stehen ja viele nicht, wenn Sie an viele Grünen-Poolitiker denken, oder in den 60er-, 70er-Jahren an CDU-Politiker. Die haben ja ihre Vergangenheit auch im Dunkeln gelassen. Aber ich finde, Frau Merkel hat ja nichts getan, wo sie Leute bedrängt hat, belastet hat und so weiter. Insofern gibt es überhaupt keinen Grund, dazu nicht zu stehen. Und wenn sich in den Unterlagen herausstellt, dass sie formell als so und so bezeichnet wurde, dann sollte sie dazu stehen und sollte vielleicht auch mal sagen, was das im Alltag bedeutete, ihre Funktion. Dann würde hier mehr Aufklärung, wie Sie es eingangs ja gesagt haben, betrieben und es würde klar werden, was das Leben in der DDR unterschied von dem Leben in der Bundesrepublik.
Klein: Die einen sagen in der Tat, auch teilweise Kollegen sagen das, auch Hörer, die uns erreichen, ja ich habe auch genau diese Position gehabt, das war jetzt eigentlich gar nicht weiter irgendwas Schlimmes: Man hat versucht, sich da irgendwie durchzumogeln. Andere wiederum: Da sieht man hochgezogene Augenbrauen und die haben dann doch die Vermutung, dass eine größere Systemnähe Angela Merkels zu verzeichnen war, als wir das bisher alle dachten. Ist das jetzt nur eine Unwissenheit, oder kann man da auch durchaus zu anderen Bewertungen kommen?
Schroeder: Nun, der normale Verlauf eines überzeugten Systemgängers war, in der Kampfreserve der Partei, der FDJ organisiert zu sein, engagiert zu sein und dann den nächsten Schritt zu gehen, in die große Politik, in die SED. Das ist der normale Verlauf eines systemtreuen Mitglieds der FDJ gewesen. Jetzt sollte Frau Merkel vielleicht erklären, warum sie gerade diesen Schritt nicht gegangen ist, warum sie nicht in die Partei gegangen ist, und dann würde sich auch ein bisschen relativieren, was sie in der FDJ getan hat.
Klein: Das heißt, Sie wünschen sich durchaus auch von ihr einen aufklärerischen Ansatz an der Stelle, sie sollte ihre Position durchaus offensiv nutzen, auch als Kanzlerin, gerade als Kanzlerin?
Schroeder: Ja! Gerade als Kanzlerin sollte sie die Alltäglichkeit des Lebens in der DDR, des Engagements in der FDJ einmal demonstrieren und sagen, wie lief das eigentlich ab, was hatte ich da zu tun, was habe ich organisiert. Dann würde vielen Westdeutschen auch klar werden, dass das ein anderes Leben war. Dieses bedrängt werden, sich gesellschaftlich zu engagieren, was man in der Bundesrepublik ja nicht kannte, das wird dann noch mal offensichtlich. Aber auch die Trennlinien: Wer hat bis zu welchem Weg das und das getan und wer ist einen Schritt weitergegangen. Wir sollten jetzt nicht in den Fehler verfallen, alles über einen Kamm zu scheren, ob jemand für die Stasi gearbeitet hat, SED-hauptamtlich Funktionär war und jemand ehrenamtlich in der FDJ oder im FDGB tätig war. Das ist nicht alles eins. Auch die DDR muss differenziert betrachtet werden, und dazu könnte Frau Merkel durch ein bisschen mehr Offenheit beitragen.
Klein: Die Einschätzung von Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat an der FU Berlin. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Schroeder.
Schroeder: Ja bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.