Egal, was Brüssel sagt – Siemens-Chef Joe Kaeser lässt sich seine deutsch-französischen Hochzeitspläne nicht ausreden. "Mit Alstom will Siemens einen globalen Champion in der Mobilitäts-Branche in Europa schaffen. Die Argumente für diese Fusion sind aus unserer Sicht stichhaltig. Sie sind nachvollziehbar und auf die Zukunft eines modernen Europa ausgerichtet."
Die Siemens-Aktionäre hat Kaeser dabei eindeutig auf seiner Seite, wie eine kurze Umfrage vor dem Tagungsort der Hauptversammlung, der Münchner Olympiahalle, zeigt. "Man muss eine Konkurrenz gegen China bilden – so wie damals Airbus gegen Boeing." "Europäisch gesehen muss ein großer Konzern auf diesem Gebiet zusammengehen, das ist der richtige Weg." "Ich glaube, dass ein fusioniertes Unternehmen wirkungsvoll arbeiten könnte. Weil jede Firma für sich allein nicht mehr das schafft, was der Markt verlangt."
Kritik an Vestager: Rückwärtsgerichtete Technokratie
Bei den Arbeitnehmern von Siemens ist die Zustimmung zu einer Alstom-Fusion nicht ganz so eindeutig. Viele Mitarbeiter an den deutschen Standorten fürchten einen Job-Abbau. Die IG Metall will vor allem schnell Klarheit – es sei belastend, dass man nicht wisse, wie es weitergehe.
Siemens-Chef Kaeser unterbreitete heute in seiner Rede auf der Hauptversammlung kein konkretes neues Angebot an die EU – stattdessen attackierte er erneut EU-Wettbewerbskommissarin Vestager: Sie sei eine rückwärtsgerichtete Technokratin. Siemens jedenfalls werde Brüssel bei dem angestrebten Deal mit Alstom nicht weiter entgegenkommen. "Wir arbeiten vertrauensvoll und kollegial zusammen. Aber natürlich müssen die Interessenslagen aller Beteiligten berücksichtigt und natürlich respektiert werden."
Siemens-Chef fordert Ministererlaubnis auf EU-Ebene
Kaeser plädiert für die Möglichkeit einer Ministererlaubnis auf EU-Ebene. Das
deutsche Wettbewerbsrecht habe eine sehr kluge Konstellation, so
Kaeser. Es verlasse sich zunächst einmal auf die technische Kompetenz von
Wettbewerbshütern. Doch es gebe eben auch die Möglichkeit einer
längerfristigen, ganzheitlichen, integrativen Betrachtung
von Interessen und Werten: eben Ministererlasse.
deutsche Wettbewerbsrecht habe eine sehr kluge Konstellation, so
Kaeser. Es verlasse sich zunächst einmal auf die technische Kompetenz von
Wettbewerbshütern. Doch es gebe eben auch die Möglichkeit einer
längerfristigen, ganzheitlichen, integrativen Betrachtung
von Interessen und Werten: eben Ministererlasse.
Gute Auftragslage, magere Gewinne
Die lautstarke Alstom-Diskussion lenkte heute von den mageren Gewinnen bei Siemens ab. Die Erlöse haben sich im Jahresvergleich fast halbiert, auf 1,1 Mrd. Euro. Dafür sei die Auftragslage mit 137 Milliarden Euro auf Rekordkurs, so der Siemens-Chef. "Natürlich wissen wir, dass die Weltwirtschaft nicht mehr so gut läuft. Und da ist es ganz beruhigend, wenn man mit Optimismus und dem Rückhalt eines guten Polsters von 137 Milliarden Euro in ein Jahr einer gewissen Unsicherheit gehen kann."
Kaeser: Siemens-Aktie unterbewertet
Unzufrieden ist Kaeser mit dem Aktienkurs: Siemens sei unterbewertet. Man habe gerade erst in einem der größten Börsengänge weltweit die ehemalige Siemens-Medizinsparte als "Healthineers" erfolgreich im Handel platziert. Dass die Papiere des Mutterkonzerns knapp unter 100 Euro liegen, ärgert den Siemens-Chef. Der Konzern werde deshalb selbst weiter Aktien zurückkaufen. Und fast trotzig schlägt Kaeser eine Dividende von 3,80 Euro vor. "Wir erhöhen damit im fünften Jahr hintereinander die Dividende und die Ausschüttung an die Aktionäre. Auch das ist ein Zeichen von Verlässlichkeit."
Der Großdampfer Siemens, das will Kapitän Kaeser damit zeigen, pflüge auf Kurs durch die unruhigen Weltmeere. Dass sich vor Großbritannien gerade ein Orkan zusammenbraut, scheint Kaeser nicht sonderlich zu ängstigen. In seiner Rede vor den Aktionären erwähnte er den Brexit mit keinem Wort.